Den Kotzbrocken hat er sich erarbeitet: Jörg Hartmann bei Treffpunkt Forum
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Als Kommissar Peter Faber ermittelt Jörg Hartmann seit 13 Jahren im Dortmunder „Tatort“. Im Carmen-Würth-Forum erzählt der Charakterdarsteller von seiner Familie, liest aus seinem Buch „Der Lärm des Lebens“ und stimmt ein Loblied auf seine Heimat an.
„Ein bisschen Hybris muss man ja haben, wenn man die Schnapsidee hat, diesen Beruf zu ergreifen“: Schauspieler Jörg Hartmann plauderte am Montagabend mit Moderatorin Bernadette Schoog.
Foto: Tobias Lonsing
„Huch, bin das ich? Oder ist das der Faber?“, wundert sich Jörg Hartmann über sich selbst, wenn ihm mal die Hutschnur reißt. Seit 13 Jahren bereits spielt Hartmann den Kriminalkommissar Peter Faber im Dortmunder „Tatort“. Die Rolle des Kotzbrockens musste er sich einst richtig erarbeiten. „Das war eine sogenannte Fremdfigur“, erzählt Hartmann bei seinem Auftritt am Montagabend im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau. Und dass mitunter sogar Kollegen das Image des sperrigen Typen für bare Münze nehmen.
Wer den Charakterdarsteller, Jahrgang 1969, in der Reihe Treffpunkt Forum erlebt, lernt ihn dagegen als charmanten Plauderer kennen, der im Gespräch mit Moderatorin Bernadette Schoog nicht nur über sein Debüt als Buchautor und seine Arbeit vor der Kamera sowie auf der Bühne spricht, sondern auch offenherzig aus seinem Privatleben erzählt. Und am Ende mit Selbstironie im wahrsten Wortsinn ein Loblied auf seine Heimatstadt Herdecke im südöstlichen Ruhrgebiet anstimmt: „Ein westfälischer Katzenchor, meine Damen und Herren.“
Die Großeltern, die Nazis und Spott als Schutzmechanismus
Mittlerweile in Potsdam wohnhaft, ist Jörg Hartmann in Berlin engagiert an der Schaubühne. „Dat is romantisch jeblieben an der Ruhr“, vermisst er die Landschaft und den sehr wohl direkten, aber nicht verletzenden Ton im Pott. Dem Ruhrgebiet hat er auch in „Der Lärm des Lebens“, seinem im vergangenen Jahr bei Rowohlt erschienenen Buch, ein Denkmal gesetzt. Zwei Passagen liest er an diesem Abend, die unterschiedlicher nicht sein könnten, was Tragik und Komik angeht.
Um Hartmanns Großeltern geht es, die beide gehörlos waren. „Wir waren bei Adolf auf der Liste“, hat noch der Vater oft gesagt, was bedeutete, dass die Nationalsozialisten die Großeltern zwangssterilisieren wollten, wie ein Hobbyahnenforscher anhand eines Dokuments gegenüber dem Enkel aufgelöst hat. Die Gebärdensprache in der Familie zu verballhornen, so erklärt es sich der Autor heute, war eine Methode, „mit eigenem Spott dem Spott der anderen zuvorzukommen“.
„Ich habe gedacht, er wartet auf mich“: Der Schauspieler über den Tod des Vaters
Viel spricht Jörg Hartmann über seinen Vater, der ein leidenschaftlicher Handballer und gelernter Dreher war, später Hausmeister an einer Sporthalle und für kurze Zeit mit der Ehefrau eine Pommesbude betrieb. „Er war kein typischer Vertreter seiner Generation, er war sehr emotional“, erinnert sich der Schauspieler. Die Demenzerkrankung des Vaters war dann der Auslöser, dass Hartmann ins Schreiben gekommen ist. Zwischen einem Gastspiel in Lyon und Dreharbeiten in Prag schaffte er es seinerzeit nicht ans Totenbett, was er sich lange Zeit zum Vorwurf gemacht hat. „Ich habe gedacht, er wartet auf mich.“
Auch von der Mukoviszidose-Erkrankung seiner ältesten Tochter und durchgehusteten Nächten erzählt Jörg Hartmann. Und dass er damals mit Anfang 30 dachte, als aufstrebender Schauspieler funktionieren zu müssen. Heute ist seine Tochter „fit wie ein Turnschuh“, lebt in Wien und wird Herrenschneiderin. Die Wende kam während der Corona-Pandemie und dank eines Medikaments, das in den USA entwickelt wurde, was Hartmann Gelegenheit bietet für einen Seitenhieb geben „Donald Duck“
Den größten Erfolg als Handballer hatte Jörg Hartmann in Degerloch
„Und dann kam Stuttgart“, berichtet Jörg Hartmann von seinem größten Triumph als Handballspieler. Nachdem er zur Enttäuschung seines Vaters einige Jahre mehr schlecht als recht auf der Platte unterwegs ist, schlägt 1985 bei einem Freundschaftsspiel gegen Degerloch seine Stunde. Abends zuvor hat die A-Jugend ausgiebig gefeiert, nur sechs Spieler sind einsatzfähig. Weil Hartmann nüchtern ist, wird er aus der B2-Jugend abkommandiert. Er wirft fünf Tore und sichert der Mannschaft auf diese Weise den Sieg. Wochenlang, so erinnert sich der Schauspieler, war sein Vater „der stolzeste Vater der Welt“.
Wann die nächste „Tatort“-Folge mit Kommissar Peter Faber kommt
Im Sternzeichen Zwilling geboren, hat Jörg Hartmann „mindestens zwei Seiten“, kennt den Optimismus und den Pessimismus. Dankbar ist er beispielsweise für das Zeitfenster, in dem er lebt, angst und bange wird ihm manchmal mit Blick auf die Zukunft. „Wir haben immer noch nicht begriffen, was das mit uns macht, und es wird nicht besser, wenn diese KI-Scheiße kommt“, beneidet der 56-Jährige nicht die jüngere Generation, die mit dem Smartphone aufwächst.
„Ein bisschen Hybris muss man ja haben, wenn man die Schnapsidee hat, diesen Beruf zu ergreifen“, schildert der Schauspieler, wie er unerschrocken, aber erfolglos nach dem Studium in Stuttgart vorsprach bei Regielegende Andrea Breth in einem Restaurant gegenüber der Berliner Schaubühne. „Wie diese Geschichte weitergeht, erfahren Sie hier“, deutet Hartmann grinsend auf sein Buch. Derzeit sitzt er an seinem zweiten. Auch neue Folgen für den Dortmunder „Tatort“ sind abgedreht. Das nächste Mal ermittelt Jörg Hartmann demnach im Februar im Ersten – dann wieder in der Rolle des Ekelpakets.
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