Dem Publikum auf den Zahn gefühlt: Cüneyt Akan in der Harmonie
In Heilbronn setzt Cüneyt Akan bei seinem Auftritt überwiegend auf die improvisierte Plauderei mit den Fans. Und die zeigen sich teilweise erstaunlich auskunftsfreudig. Und wie war der Abend sonst so?

Ob auch Türken anwesend sind? „Jahaha“, meckert eine Zuschauerin wie eine Ziege. „Wir haben schon genug mit Vorurteilen zu kämpfen“, nimmt Cüneyt Akan mit gespielter Empörung den Ball auf, „Du bist eine Schande für die ganze Türkei.“ Und der Ton ist gesetzt an diesem Freitagabend im nicht ausverkauften Wilhelm-Maybach-Saal der Heilbronner Harmonie. Nur wenige Hände gehen in die Höhe, als Akan wissen will, wer ihn schon einmal live erlebt hat. Die meisten kennen den Comedian aus Wiesbaden aus seinen Online-Clips.
„Drama King“ heißt Cüneyt Akans aktuelles Solo – womit die männliche Variante einer Person gemeint ist, die aus einer Mücke bekanntlich gerne einen Elefanten macht. Was eigentlich nichts zur Sache tut in diesem Programm, mit dem der 41-Jährige gerade deutschlandweit auf Tour ist und bei dem sich ein roter Faden kaum ausmachen lässt. Dafür hat man am Ende das Gefühl, mehr über das Publikum erfahren zu haben als über den Mann auf der Bühne.
Mit Blasenentzündung in die Show? Ein gefundenes Fressen für den Comedian
Denn größtenteils besteht die Show aus Crowdwork – also der improvisierten Plauderei zwischen Cüneyt Akan und seinen Fans, die sich redselig zeigen sowie mitunter pointensicher und überhaupt erstaunlich auskunftsfreudig. Zum Beispiel wenn eine junge Frau erzählt, seit Dienstag an einer Blasenentzündung zu leiden.
Oder eine andere Besucherin freimütig zugibt, diese Woche einen Tag krankgemacht zu haben. Ihre Chefin hat sie gleich mitgebracht, sie entpuppt sich praktischerweise als Schwester. Applaus erntet ein 13 Jahre alter Schüler, der angibt, seine Hausaufgaben mithilfe der Künstlichen Intelligenz von ChatGPT gemacht zu haben. „Scheiß auf die Show, es geht nur noch um euch“, scheint Cüneyt Akan gleichermaßen amüsiert wie dankbar angesichts solchen Materials, mit dem er auf der Bühne spontan und schlagfertig arbeiten kann.
Cüneyt Akan: „Ich war kurz vorm Burnout, ich musste mich entscheiden“
Neugier zahlt sich eben aus. Und zwischen dem ausgedehnten Aushorchen des Publikums berichtet der Deutsch-Türke von einem Dreh mit der ARD in der Wiesbadener Wellritzstraße – „die Straße mit der höchsten Dichte an Türken in ganz Deutschland“. Aber auch von Auftritten auf einem Kreuzfahrtschiff, beim Stand-up-Ensemble ComedyRebell sowie im Autokino. Und wie er sich letztlich dazu entschieden hat, hauptberuflich Comedy zu machen, nachdem er lange zweigleisig gefahren ist mit einem Job bei einem Hersteller von Funktionskleidung und Outdoor-Ausrüstung. „Ich war kurz vorm Burnout, ich musste mich entscheiden.“
Dass Südländer nichts mit dem deutschen Abendbrot anfangen können, mittlerweile aber auch schon Türken im Urlaub Liegen reservieren, sind nur zwei Beispiele für nationalen Klischees im Clash der Kulturen, mit denen der selbstironische Familienmensch Akan ebenso spielt an diesem Abend, für den er nach mehr als zwei Stunden inklusive Pause im Saal begeisterten Beifall bekommt.

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