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Inszenierung im Großen Haus
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Aus dem Ruder gelaufen: Premiere von „Mord auf Schloss Haversham“ am Heilbronner Theater

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Bei der Slapstick-Komödie „Mord auf Schloss Haversham“ geht so ziemlich alles in die Hose. Aber das ist gewollt. So lief die Premiere in Heilbronn am Samstagabend.  

Nonstop Nonsens: Eine Laienschauspielertruppe macht in „Mord auf Schloss Haversham“ alles, um ihr Kriminal-Theaterstück bis zum Ende durchzuziehen.
Nonstop Nonsens: Eine Laienschauspielertruppe macht in „Mord auf Schloss Haversham“ alles, um ihr Kriminal-Theaterstück bis zum Ende durchzuziehen.  Foto: Jochen Quast

„Anything that can go wrong, will go wrong.“ Murphys Gesetz, eine Redensart, die auf den US-amerikanischen Air-Force-Ingenieur Edward A. Murphy zurückgeht, geht vom schlimmsten Fall aus. Davon, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird. Wie treffend für die Situation im Stück „Mord auf Schloss Haversham“.

Möchte darin doch eine engagierte Laienschauspielertruppe einen Krimi à la Agatha Christie zum ersten Mal auf einer großen Bühne inszenieren. Ein Spiel auf zwei Ebenen, ein Stück im Stück ist diese britische Komödie von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields, die am Samstagabend in der Regie von Roland Riebeling Premiere im Großen Haus des Heilbronner Theaters feierte.

Worum es in „Mord auf Schloss Haversham“ geht 

„Mord auf Schloss Haversham“ nimmt die Klischees eines britischen Whodunit gekonnt auf die Schippe: Ein Mord geschieht in betuchten Kreisen, Verdächtige werden befragt. Die Figuren? Da wären der Dandy, die hinreißende Schöne, der Inspektor und natürlich der Gärtner. Der Ort? Ein Salon mit Standuhr, Chaiselongue und Kamin. Die Ermittlungen nehmen ihren Lauf und die Suche nach dem Täter wird zum Kammerspiel, denn natürlich tobt draußen ein Schneesturm, der eine Flucht unmöglich macht.

Die Stimmung der Amateurschauspieler ist nicht gerade gelassen, entspannt ist hier keiner. Aber das Motto lautet: Einfach weitermachen, egal was passiert. Zusehends läuft die Inszenierung nämlich aus dem Ruder: Ein Versprecher hier, ein Texthänger dort, da werden Einsätze verpasst, da fehlen Requisiten, Türen gehen nicht auf, und wenn doch werden damit Kolleginnen k.o. geschlagen. Das Bühnenbild (Tom Musch), ein edles Herrenzimmer, fällt zusehends auseinander.

Da sind einerseits die begriffsstutzigen, unflexiblen Schauspieler dieses Stücks im Stück, die ihre nächste Zeile stur herunterbeten, auch wenn sie durch das Chaos auf der Bühne inzwischen völlig sinnlos geworden ist. Und da gibt es Figuren, die durch Improvisationstalent versuchen, die Inszenierung am Laufen zu halten. Was klingt wie eine Pannen-Parade, ist genau darauf angelegt. Bewusst dilettantisch verkörpern die Schauspieler ihre Figuren, ohne sie bloßzustellen. Das ist äußerst albern, aber auf seltsame Weise berührend. Die Gagdichte ist enorm hoch. Zündet ein Witz nicht? Egal, hier kommt direkt der nächste.

Premiere in Heilbronn: Eine Hommage an das Amateurtheater

Aus der geschlossenen Ensembleleistung kann man niemand hervorheben. Das Timing stimmt, der Zuschauer wird fortwährend zur nächsten sich anbahnenden Katastrophe gelenkt. Die Körperlichkeit ist dabei der Schlüssel des Erfolgs dieser Komödie, müssen die Schauspieler doch durch so manche anarchische Slapstick-Einlage und einige  kleinere Stunts.

Lennart Olafsson spielt amüsant-pathetisch die Leiche von Charles Haversham, der sich hartnäckig weigert, tot zu bleiben. Tobias D. Weber ist der fahrige Butler Perkins, der sich Teile seines Textes auf die Hand schreiben muss. Juliane Schwabe spielt Anne, die eigentlich nur Inspizientin der Theatergruppe ist, aber nach einem Missgeschick als Charles Havershams Verlobte Florence Colleymoore einspringen muss. Ihre Chance aufs Rampenlicht will sie nutzen, was in einem wahnwitzigen Kleinkrieg mit der eigentlichen Besetzung (herrlich extravagant: Lisanne Hirzel) ausartet.

Oliver Firit (als Robert, Bruder von Florence), Richard Feist (als Charles’ Bruder Max) und Sven- Marcel Voss als Inspektor Carter versuchen inmitten des absoluten Desasters, die Fassung zu bewahren. Und dann ist da noch der von Tobias Loth wunderbar verpeilt gespielte Licht- und Tontechniker Trevor, der herzhaft in ein Brot beißt oder Fußball schaut, anstatt seine eigentliche Arbeit zu machen.

Viel Applaus nach zwei Stunden und zwanzig Minuten (mit Pause) für diese aberwitzige und doch liebevolle Hommage an das Amateurtheater.

Weitere Vorstellungen

www.theater-heilbronn.de

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