Aufspringen aufs Rilke-Karussell: Neue Ausstellung in Marbach
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„Und dann und wann ein weißer Elefant“ titelt die großangelegte Schau, die am Donnerstag, 4. Dezember, öffnet. Sie wirft einen Blick auf die Facetten und Widersprüche Rilkes. Und kann sich dafür auf teils unbekanntes und wenig gesehenes Material stützen.
Sommerliches Idyll: Rainer Maria Rilke im August 1924 auf der Terrasse des Hotels Bellevue in Sierre.
Foto: DLA Marbach
Lady Gaga darf nicht fehlen, wenn es darum geht, eine Liste von Rilkes prominenten Verehrern zusammenzustellen, hat sich der US-Popstar doch Zeilen aus dessen „Briefen an einen jungen Dichter“ auf den Arm tätowieren lassen. Auch Ex-Torwart Oliver Kahn reiht sich ein, wenn er einst, angeregt durch das Gedicht „Der Panther“, über seinen persönlichen symbolischen Käfig sinnierte. Und der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder rezitierte damals im TV bei Beckmann drei Strophen aus dem „Herbsttag“.
Bis heute fasziniert Rainer Maria Rilke und zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren weltweit. Vor 150 Jahren wurde er in Prag als Sohn eines Eisenbahnbeamten und einer Kaufmannstochter geboren, am 29. Dezember 2026 liegt es 100 Jahre zurück, dass er bei Montreux verstarb. Zum Auftakt ins Jubiläumsjahr eröffnet am Donnerstag, 4. Dezember 2025, heute in Marbach im Literaturmuseum der Moderne eine großangelegte Rilke-Schau – mit einer Videoansprache von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der terminbedingt erst in einer Woche vorbeikommen wird.
Kuratorin Vera Hildenbrandt: Schwindlig ob der Fülle des Materials
„Und dann und wann ein weißer Elefant“ titelt die anregende Ausstellung, nach einer immer schneller wiederkehrenden Zeile in Rilkes berühmtem Gedicht „Das Karussell“. „Sodass man das Gefühl hat, es dreht sich und wird schwindlig“, wie Sandra Richter, die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach (DLA), die Bewegung der Rilkeschen Verse am Mittwoch, 3. Dezember, bei Pressekonferenz und -rundgang deutet. Schwindlig, das möchte das Kuratorenteam nicht nur die Besucherinnen und Besucher machen. „Auch uns war das ein oder andere Mal sehr schwindlig ob der Fülle des Bestandes, aus dem wir die 300 Exponate auswählen mussten“, ergänzt die Leiterin der Museen, Vera Hildenbrandt. Teils unbekanntes und wenig gesehenes Material stand dafür zur Verfügung mit dem Rilke-Archiv Gernsbach, das sich etwa 100 Jahre lang in privaten Händen befand, ehe es das DLA 2022 erwarb.
„Wenn man so einen Nachlass betrachtet, steht der Autor plötzlich ganz anders vor einem, als die Kanonisierungsstrategien es manchmal wollen“, spricht Sandra Richter vom hart arbeitenden Dichter, dem die Verse nicht automatisch aus der Feder flossen. Von Rilke, der sich gerne mit starken Frauen umgab, der den kitschigen Ton als Rollenrede einsetzte sowie ein Leben lang zeichnete – auch zur Vorbereitung auf oder als Teil der Gedichte. Und von einem politisch interessierten Menschen, der „dabei keine spezifische Position bezog, außer die des rückwärtsgewandten Utopisten“.
In fünf Kapiteln, verteilt über sieben Räume und insgesamt 800 Quadratmeter nimmt „Und dann und wann ein weißer Elefant“ die sozialen, intellektuellen und künstlerischen Welten in den Blick, in denen sich dieser wichtige Vertreter der literarischen Moderne bewegte. Wobei die arrangierten Exponate – Manuskripte, Briefe, Notizbücher, Skizzen, Bücher, Bilder, Objekte – keinem chronologischen Narrativ folgen. „Jeder Raum lädt zum Einsteigen ein. Sie können jederzeit auf unser Ausstellungs-Karussell aufspringen“, erklärt Vera Hildenbrandt.
Die „Taschenbücher 1, 2, 3, 3a und 3b“ sind Teil des Rilke-Archivs Gernsbach, das vom DLA Marbach 2022 erworben wurde. Foto: DLA Marbach/Anja Bleeser
Foto: Anja Bleeser
KI produziert Gegensentenzen zu Rilkes Aphorismen
Überlebensgroße Porträts von Rilke aus verschiedenen biografischen Phasen stimmen ein auf den klug konzipierten Rundgang, der die Facetten und Widersprüche des Autors auffächert. „Lebenswelten“ wirft Schlaglichter auf den Sohn, Ehemann, Vater, Einzelgänger und auf den Künstler zwischen soldatischen Idealen und militärischen Realitäten. Dem Autor im Literaturbetrieb ist ein weiterer Raum gewidmet: Er zeigt Rilke als geschickten Netzwerker und Meister des Bittbriefs an Mäzene, Freundinnen und Bewunderer.
Das Kapitel „ganz Literat“ steht im Zentrum und macht den lesenden, schreibenden und übersetzenden Rilke erfahrbar. Wie sind seine Texte entstanden? Anhand der „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ und der „Duineser Elegien“ werden Einblicke in seine Werkstatt gewährt. „Das Unterwegssein ist Lebenshaltung des Schriftstellers, ist Suche nach dem idealen Schreibort, nach Inspiration“, weiß Vera Hildenbrandt. Das vierte Kapitel greift darum Rilkes „unstätes Leben“ auf, das ihn kreuz und quer durch Europa, zweimal nach Russland und einmal nach Nordafrika führte. In „mein lieber Rilke“ kommen schließlich nicht nur zeitgenössische Fans des Autors zu Wort, sondern können sich Besucher an einer analogen Poesiemaschine probieren und produziert eine KI Gegensentenzen zu Rilkes Aphorismen.
Über die Ausstellung und die Begleitpublikation
Die Ausstellung „Und dann und wann ein weißer Elefant“ ist für zwölf Monate im Literaturmuseum der Moderne in Marbach zu sehen. Dieses ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet und montags geschlossen, außer an Feiertagen. Begleitend zur Schau ist in der Reihe Marbacher Magazine ein Band erschienen (148 Seiten, 20 Euro).
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