Anbieter von Onlinepoker in Deutschland müssen eine deutsche Glücksspiel-Lizenz beantragen. Andernfalls machen sie sich, ebenso wie die Spieler, die daran teilnehmen, wegen illegalem Glücksspiel strafbar, informiert das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland. 2021 haben sie sich die Bundesländer auf einen gemeinsamen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt und eine neue Glücksspielbehörde geschaffen, die seit 2023 den deutschen Online-Glücksspielmarkt überwacht.
Pokern ist sein Beruf – Profi aus Heilbronn-Franken in Casinos in Las Vegas, Monte-Carlo und Co. aktiv
Vom Hobby zum Beruf: Ein ehemaliger Schwäbisch Haller erzählt, wie es ist, bei Profiturnieren in Las Vegas und der ganzen Welt anzutreten – und wie viel er durch Poker verdient.
Vor wenigen Wochen saß Benjamin Möller auf einem grauen Polsterstuhl in einem Casino nahe Las Vegas – um ihn herum Pokerprofis jeden Alters, von 20-Jährigen bis hin zu 80-Jährigen. Zu acht oder zu zehnt versammelten sie sich an den grünen Tischen, beleuchtet von schwarzen Scheinwerfern, vor ihnen bunte Türme aus Poker-Chips.
Rund 10.000 Menschen nehmen jedes Jahr an der World Series of Poker (WSOP) teil, der Gewinner oder die Gewinnerin darf sich offiziell als Poker-Weltmeister bezeichnen. Sie alle kommen in die beiden Casinos Horseshoe und Paris Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada, die besten spielen sich in rund 50 Turnieren an die Spitze.
Benjamin Möller, der eigentlich anders heißt, nahm bereits zum dritten Mal an der Poker-Weltmeisterschaft teil. Seinen richtigen Namen möchte er nicht veröffentlicht sehen. Denn bei Poker handelt es sich rechtlich gesehen um ein Glücksspiel, dem noch immer ein etwas schmuddeliges Stigma anhaftet – auch wenn der Zufall mit steigendem Spielniveau weitaus weniger wiegt als die Geschicklichkeit des Spielers.
World Series of Poker mit Neymar und Max Kruse – und einem Schwäbisch Haller
Gerade bei professionellen Turnieren zeigt sich deshalb schnell, wer nur eben mal sein Glück versucht und wer wirklich Ahnung vom Spiel hat. „Teilnahmebedingung ist zwar nur der Geldbeutel, weil sich jeder für die einzelnen Turniere einkaufen kann“, sagt Möller. „So spielen auch Hobby-Spieler und Touristen mit.“ Aber darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, sich über vorangestellte Online-Turniere zu qualifizieren – was dem Schwäbisch Haller schon mehrmals gelang.

Dadurch, dass er schon viele Jahre professionell pokert, kennt Möller viele der Spieler auf den Turnieren bereits vom Sehen oder sogar persönlich. „Das ist ganz lustig, es ist fast wie ein Klassentreffen, bei dem man alte Freunde wieder trifft“, sagt Möller.
Vereinzelt mischen sich auch Prominente aus anderen Sportarten unter die Spieler bei den Turnieren. Ein Freund von ihm hatte einmal den Fußball-Weltstar Neymar an seinem Tisch sitzen, erzählt Möller. Er selbst begegne regelmäßig dem deutschen Ex-Nationalspieler Max Kruse: „Das ist immer lustig, wenn er an mir vorbei in Jogginghose zum nächsten Pokertisch schlendert, so ganz ohne Allüren oder Entourage, wie man es vielleicht erwarten würde.“
Schwäbisch Haller pokert in Las Vegas bei der World Series of Poker mit verrückten Typen
Dazu sitzt der Haller immer wieder Paradiesvögeln gegenüber, die nicht nur ihre Karten, sondern auch ihre Lebensgeschichte offen auf den Pokertisch legen. „Aus dem letzten Jahr in Las Vegas ist mir ein Mann namens Skull Man – zu Deutsch Schädelmann – in Erinnerung geblieben. Er war immer ganz in schwarz gekleidet und trug einen Hut mit Knochen“, erzählt der 33-Jährige. „Oder einmal habe ich im Finale gegen eine vielleicht 80-jährige Frau gespielt, die nebenbei mit mir Witze gerissen hat.“ Für ihn fühlt sich die Weltmeisterschaft daher an wie ein buntes internationales Festival.

Nur zum Spaß fliegt Möller, der in einem kleinen Dorf im Landkreis Schwäbisch Hall aufgewachsen ist und mittlerweile in Wien wohnt, aber natürlich nicht in die Staaten. Sein Ziel ist es, Turniere zu gewinnen – und damit Geld zu verdienen. Denn das Pokern ist derzeit sein Hauptberuf.
Gesellschaftsspiel-Fan aus Region Heilbronn-Franken geht beim Pokern strategisch vor
Zum ersten Mal kam der 33-Jährige während der Schulzeit mit Poker in Berührung. „Ich war schon immer der Typ, der gerne Gesellschaftsspiele gespielt hat und einfach sehr ehrgeizig bei der Sache war“, sagt er. Besonders Poker habe ihn dabei fasziniert. Anfangs hielt er es wie viele andere nur für ein Glücksspiel. Er hat dann aber relativ schnell gemerkt, dass verschiedene Strategien helfen, zu gewinnen.
„Ich habe mich intensiver mit der Materie befasst und Pokerforen im Internet gefunden, wo verschiedene Taktiken besprochen wurden“, erzählt Möller. Mit Anfang 20 fing er zuerst an, Online-Poker ohne echten Geldeinsatz zu spielen. Einige Monate später setzte er ein paar Dollar ein. „Das hat sich irgendwann verselbstständigt. Ewig war es nur ein Hobby von mir, wo ich noch ein bisschen was dazuverdient habe." Irgendwann sei es dann auf einmal genug gewesen, um davon leben zu können.
Schwäbisch Haller erklärt: Darum zog ich fürs professionelle Pokern nach Wien
Nach seinem medienwissenschaftlichen Studium in Bayern verlegte er seinen Lebensmittelpunkt 2018 nach Wien. Grund dafür war die beginnende Karriere als Onlinepokerspieler. In Österreichs Landeshauptstadt habe sich in den letzten Jahren eine große Pokercommunity gebildet, in der die Spieler untereinander super vernetzt seien. Vom Flughafen in Wien aus ließen sich die Metropolen, in denen Pokerturniere stattfinden, gut erreichen, sagt Möller. Außerdem sei in Österreich ist das Pokerspiel weniger streng reguliert als in Deutschland.
So können gewerbsmäßige Gewinne aus Pokerspielen hierzulande steuerpflichtig sein. Nach dem Bundesfinanzhof (BFH) üben Onlinepokerspieler eine gewerbliche Tätigkeit aus, wenn sie regelmäßig spielen, um Gewinn und ein Einkommen zu erzielen. Auch, ob die Gewinne deutlich die Verluste übersteigen, spielt hierbei eine Rolle. Zudem dürfen Onlinepokerspieler in Deutschland maximal an vier Tischen parallel spielen und pro Monat maximal 1000 Euro einsetzen. Diese Obergrenze dient dem Selbstschutz der Spieler.

Online-Glücksspiel ist im Vergleich zu anderen Glücksspielarten mit einem erhöhten Suchtrisiko verbunden, weil es rund um die Uhr immer und überall gespielt werden kann, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Laut ihren Daten habe fast jeder Fünfte, der in Online-Casinos spielt, ein problematisches oder abhängiges Spielverhalten. Unter www.check-dein-spiel.de können Onlinespieler in einem Online-Selbsttest ihr eigenes Spielverhalten überprüfen und Beratungsangebote finden.
Pokerprofi aus Schwäbisch Hall erklärt, worauf es ankommt: „Sonst wird man nicht gewinnen“
Um nicht unverhältnismäßig viel Geld bei Onlineturnieren zu verlieren, setzt Möller sich immer einen bestimmten Geldbetrag als Limit, den er nicht überschreitet. Als professioneller Pokerspieler in Wien streicht er nach eigenen Angaben einen überdurchschnittlichen Verdienst ein. Zum Erfolg tragen etwa persönliche Eigenschaften bei: „Ich kann Leute ziemlich gut ‚lesen‘, das hilft mir auch beim Poker“, sagt Möller.
Entgegen der oft vorherrschenden Einschätzung müsse ein guter Pokerspieler aber nicht zwangsläufig gut in Mathematik sein. Viel wichtiger sei Geduld: „Es gibt Phasen, in denen man die Karten die ganze Zeit wegwirft, weil sie zu schlecht sind. Man muss dann geduldig sein, auf gute Karten warten und nicht jede Hand spielen – sonst wird man nicht gewinnen“, erklärt der 33-Jährige.
Auf lange Sicht brauch es aber vor allem Durchhaltevermögen. Den „Denksport“, als den Möller das Pokern bezeichnet, müsse man sehr lange und intensiv betreiben. Auch Durststrecken gehörten dazu. „Ich hatte auch definitiv Jahre, wo mein Einkommen niedriger als durchschnittliche in Österreich war“, sagt Möller. „Und um richtig gut in den Job zu werden, muss man sich hinsetzen und an seinem Spiel arbeiten.“
Poker-Training mit Computerprogrammen und Star-Spielern
Viele Spieler konzentrieren sich ihm zufolge dabei mindestens genauso stark auf die Theorie wie auf die Praxis. Ihnen helfen Tools, mit denen sie bestimmte Spielsituationen simulieren können und dadurch probieren, ihr Pokerspiel zu verbessern. Dabei gibt etwa ein Computerprogramm den Poker-Profis in fiktiven Spielmomenten die beste Option vor – und berücksichtigt dabei zudem den Spielcharakter des Gegners.

Alternativ könnten Pokerspieler Kurse bei besonders erfolgreichen Berufskollegen belegen. Die Pokerstars zeigten in Videos, wie sie warum in welcher Spielsituation gehandelt haben – und was das Ergebnis ihres Handelns war. „So erfährt man etwas über die Gedankengänge der Starspieler, darüber, warum sie so erfolgreich sind und was sie besser machen als der Rest“, sagt Möller.
Gegen 16 Uhr macht Poker-Profi aus Schwäbisch Hall Feierabend
In der Woche kommt er im Schnitt auf 200 Onlinepokerturniere. Der 33-Jährige spielt dabei meist am Sonntagabend, weil dann die wichtigsten Turniere stattfinden und ansonsten unter der Woche an drei bis vier Tagen zu normalen Werkszeiten von zirka 8 bis 16 Uhr. Zwar wären in dem Zeitraum in der Regel nicht die Riesengewinne abzuräumen, „aber ich mag es, morgens mit der Arbeit anzufangen, wie eigentlich alle anderen auch. Und dann habe ich um 16 Uhr Feierabend wie ein normaler Berufstätiger“, sagt der gebürtige Schwäbisch Haller.
Trotzdem sei der Druck ungleich höher als in anderen Berufen. Denn Fehlentscheidungen werden beim Poker knallhart bestraft und können mitunter viel Geld kosten. Deswegen müsse man immer voll konzentrieren bleiben, um möglichst fehlerfrei zu spielen.
„Das bringt schon einen gewissen Druck rein, den du vielleicht in anderen Berufen so nicht hast, weil du dich da auch mal einen Tag durchwurschteln kannst“, sagt der 33-Jährige. Wenn man beim Pokern an einem Tag mental nicht voll auf der Höhe ist, sollte man es seiner Meinung nach lieber sein lassen, weil man sonst zu viele Fehler begehe, die einem teuer zu stehen kommen könnten.
Analyse mit Freunden aus der Poker-Szene
Danach macht er meistens noch etwas Pokertheorie, geht ins Fitnessstudio oder fährt mit dem Fahrrad durch den Wiener Wald oder an der Donau entlang. „ich kann länger konzentriert bleiben, wenn ich körperlich in guter Verfassung bin und ich mich gesund ernähre. Das sind Dinge, die einen größeren Einfluss auf deine Performance haben, als viele glauben“, sagt Möller.

Darüber hinaus analysiert der 33-Jährige mit Freunden aus der Szene bereits gespielte Pokerspiele von ihm, die Programme online live aufgezeichnet haben. „Dann kannst du jede einzelne Hand wieder nachspielen, schauen, wo du Fehler gemacht hast und mit anderen einzelne Spielsituationen diskutieren und von ihnen beurteilen lassen“, sagt Möller. Feedback von anderen sei beim professionellen Poker sehr wichtig.
Schwäbisch Haller Pokerprofi warnt vor leichtsinnigem Umgang mit Geld im Alltag
Und nicht zuletzt ist es wichtig, nicht allzu leichtsinnig mit Geld umzugehen. „Man muss klar zwischen den Beträgen zu unterscheiden, um die man spielt und dem Geld, das man im realen Leben ausgibt“, sagt Möller. „Auch wenn ich in Las Vegas ein Turnier spiele, das mit 1000 Dollar dotiert ist, gucke ich deshalb trotzdem im Supermarkt auf den Butterpreis.“
Zudem verkauft er oft Anteile von dem Geld, um das er im Turnier spielt, an Berufskollegen oder Freunde. Erst mit dieser gängigen Praxis könnten sich viele Pokerspieler die Teilnahme an großen Turnieren leisten. Ein möglicher Gewinn würde in diesem Fall dann zwischen allen sogenannten Shareholders aufgeteilt. Bei einer Niederlage hätten diese vergeblich investiert.
„Ich überlege mir vor großen Turnieren wie in Las Vegas: Was wäre jetzt der Worst Case, also, wenn ich jedes Spiel verliere? Dadurch, dass ich Anteile an Dritte abtrete, minimiere ich meinen möglichen Eigenverlust und grenze mein Risiko ein“, erklärt Möller.
Maultaschenstand in Wien für die Zeit nach dem Pokern
Wie lange will er noch mit dem professionellen Pokern weitermachen? „So lange es Spaß macht“, sagt Möller. Der Job gebe ihm viele Freiheiten. Unter anderem hat er in der ruhmreichen Spielbank Monte-Carlo in Monaco, in Paris, London oder Zypern bereits Turniere absolviert. „Oft kann man neben dem Pokerspielen noch eine schöne Stadt am Meer erkunden“, erklärt er einen der Vorzüge seines Berufs. Besonders beeindruckt hätten ihn der Inselstaat Bahamas im Atlantik.
Für immer kann er es sich trotzdem nicht vorstellen. In einigen Jahren, vermutet er, könnte das Pokern zu eintönig für ihn werden. Dazu kommt, dass er sich allein vor seinem Rechner bisweilen etwas einsam auf seiner Arbeit vorkommt. Eine neue Herausforderung könnte sein, die Seiten zu wechseln und als Redakteur eine Pokerseite im Internet oder eine Poker-TV-Sendung zu betreuen.
Daneben schwebt dem Württemberger noch etwas ganz anderes für die Zeit danach vor: „Ich könnte mir vorstellen, in Österreich einen Maultaschenstand aufzumachen. Echte Maultaschen wie in Baden-Württemberg habe ich tatsächlich in Wien noch nicht gesehen.“