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Worin sich Badener und Württemberger einig sind - und worin nicht

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Eine Reise durch Baden-Württemberg zum 70. Geburtstag des Bundeslandes zeigt: Die Bürger der beiden Landesteile sind sich mal mehr, mal weniger fremd.

Freundlich ist der Empfang nicht. Es schüttet. So sehr, dass Stadtführerin Bettina Repple mehrfach betont: "Normalerweise herrscht in Karlsruhe anderes Wetter." Noch mehr als der Regen schlägt den Badenern an diesem Donnerstag Anfang April eine andere Sache aufs Gemüt. Dieser Sache widmen die "Badischen Neuesten Nachrichten" (BNN) eine Spitzenmeldung mit Foto auf der Titelseite, Kommentar und Aufmachergeschichte auf der Südwestseite. Grund für die Aufregung: Ein Kongress zum 70. Geburtstag von Baden-Württemberg.

Über Baden und dem Karlsruher Schloss lacht die Sonne an diesem April-Tag nicht.
Über Baden und dem Karlsruher Schloss lacht die Sonne an diesem April-Tag nicht.  Foto: Wieland, Tobias

Den veranstalten der Landtag, die Landeszentrale für politische Bildung und der Schwäbische Heimatbund in Kooperation mit anderen - nicht aber die Landesvereinigung Baden in Europa. Deren scheidender Vorsitzender Robert Mürb sagt in den BNN: "Der Schwäbische Heimatbund ist dabei, aber die Badische Heimat wurde nicht angesprochen. Wir sind empört." Ein (weiterer) Affront also zwischen den beiden Landesteilen? Oder eher ein Badisches Schneckesüpple, das heißer gekocht als gegessen wird? Eine Spurensuche durch ein Land, das seit 70 Jahren vereint und doch in manchem verschieden ist.

Oliver Sänger räumt bei seiner Führung durchs Badische Landesmuseum mit ein paar Vorurteilen auf. "Die badische Identität ist stark, aber sie war nicht immer selbstverständlich." Vor Napoleon war Baden "als Flickenteppich sehr kleinteilig". Erst nach der napoleonischen Neuordnung entstand "ein nennenswerter Staat, der anerkannt war". Allerdings war es "ein Kunstgebilde, das sich erstmal finden musste". Vom heute auf Dorffesten und in Fußballstadien per Badnerlied zelebrierten Zusammengehörigkeitsgefühl war wenig zu spüren.

Die badische Identität war nicht immer so stark ausgeprägt

"Es hat geknirscht in diesem neuen Staat - und zwar ganz gewaltig", sagt Sänger. Zum Beispiel in Freiburg, das zuvor lange österreichisch war. "Um 1800 hätte kein Freiburger gesagt: 'Ich bin Badener.'" Anders 150 Jahre später. Da war Südbaden die Gegend, die sich am stärksten gegen das neue Bundesland Baden-Württemberg stemmte und für ein eigenständiges Gesamtbaden plädierte - Österreich war da längst ganz weit weg.

Noch so ein Klischee ist übrigens der Bollenhut - das Symbol des Schwarzwalds und darüber hinaus. Ursprünglich stammt er aus den drei Dörfern Gutach, Kirnbach und Hornberg-Reichenbach und - jetzt kommt's - "diese Orte waren protestantisch-württembergisch in einem katholischen Umfeld", erläutert Sänger. Der Bollenhut ist also nicht badischen Ursprungs, aber dort bei Trachtengruppen bis heute populär.

Frau Schwätzele gibt Einblicke in die Kunst der Kehrwoche, die perfekt selbstverständlich nur Schwaben beherrschen.
Frau Schwätzele gibt Einblicke in die Kunst der Kehrwoche, die perfekt selbstverständlich nur Schwaben beherrschen.  Foto: Wieland, Tobias

Mit solchen Widersprüchlichkeiten hält sich Frau Schwätzele nicht auf. Sie hat zu tun: Kehrwoche steht an. Auch wenn sie den Badenern ebenfalls zutraut, Besen und Kutterschaufel zu schwingen - richtig sauber machen freilich nur die Schwaben, glaubt zumindest die Stuttgarter Kehrwochen-Expertin, die ihr Wissen bei Stadtführungen weitergibt. Ganz wichtig beim Putzen: "Man muss von den Nachbarn gesehen werden." Das Bild von den schaffenden Schwaben und den genießerischen, kulinarisch von Frankreich beeinflussten Badenern, es hält sich.

Rebellische Gedanken in beiden Landesteilen

Im Haus der Geschichte in der Landeshauptstadt betrachtet man die Dinge weniger folkloristisch. Haben die Landesteile Eigenheiten bewahrt? "Es kommt auf das Thema an", sagt Paula Lutum-Lenger. Bei freiheitlichen Ideen und der Revolutionsbewegung 1848/49, "da war in Baden mehr los". Ein Beispiel für massiven Widerstand in Schwaben fällt der Direktorin aber auch ein: den gegen das Bahnprojekt S21. Ein Stück des Original-Bauzauns, garniert mit Spruchbändern, zeugt in der Ausstellung davon.


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Fragen wir zwei, die es wissen müssen: Heiko Volz und Volker Lang schenkten Äffle und Pferdle, den Sympathieträgern des Landes schlechthin, in den 2010er-Jahren ihre Stimmen. "In den beiden steckt alles drin, was die schwäbische Seele ausmacht", sagt Volz. "Hier das behäbige Pferdle, ein G'scheidle. Da das Äffle als knitzer, cleverer Typ." Die Figuren kommen nicht nur in Schwaben an.

Heiko Volz (links) und Volker Lang waren in den 2010er-Jahren die (schwäbischen) Stimmen von Äffle und Pferdle. Noch besser als in Württemberg kamen die Sympathieträger in Baden an.
Heiko Volz (links) und Volker Lang waren in den 2010er-Jahren die (schwäbischen) Stimmen von Äffle und Pferdle. Noch besser als in Württemberg kamen die Sympathieträger in Baden an.  Foto: Tobias Wieland

"Man muss fast sagen, dass wir bei Bühnenauftritten das beste Publikum in Baden haben", erzählt Volz und macht das am Gelächter, an Autogramm- und Zugabewünschen fest. Schlabbinchen, die Zeichentrick-Cousine aus der Kurpfalz, ist weniger beliebt als die tierische Verwandtschaft. "Sie wurde ein bisschen stiefmütterlich behandelt", sagt Volz.

Apropos Kurpfalz: Bei all den badischen und schwäbischen Befindlichkeiten - haben wir nicht etwas vergessen? Die Kurpfälzer, die Hohenzollern, die Tauber-, Hohenloher- und Unterländer Franken? Vielleicht rücken sie ja in den nächsten 70 Jahren in den Mittelpunkt. Alles Gute, Baden-Württemberg!

 
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