Warum die Digitalisierung an Schulen in Baden-Württemberg hapert
Kritik am Kultusministerium und der Ressortchefin Susanne Eisenmann gibt es im Zusammenhang mit dem Pandemie-Management und den digitalen Unterrichtsanforderungen zuhauf. Unterschiedliche Zuständigkeiten und Fördermittel von Bund und Land machen die Lage unübersichtlich.

Baden-Württembergs Lehrer stehen angeblich beim Fernunterricht mit leeren Händen da, dem Ministerium wird Versagen bei der Organisation des Homeschooling vorgeworfen, der Großteil der 600 Millionen Euro für das Land aus dem Digitalpakt des Bundes soll noch nicht abgerufen worden sein. Doch was davon stimmt eigentlich? Wer ist für was zuständig?
Wie sind die Schulen mit schnellen Internetverbindungen, WLAN und Endgeräten ausgestattet?
Weder das Kultusministerium noch das für Digitalisierung und den Netzausbau zuständige Innenministerium oder der Städtetag können diese Frage beantworten, jeder beruft sich auf seine eingeschränkte Zuständigkeit. Der Ist-Zustand wurde seit Jahren nicht mehr erhoben. Nach Auskunft von Städtetags-Schuldezernent Norbert Brugger stammt die letzte Vollerhebung des Landes zur Digitalisierung an den Schulen aus dem Jahr 2006. Trotz Städtetagsaufforderungen seien diese Erhebungen nicht mehr aufgenommen worden, sagt Brugger. Seitdem wurde bei der Digitalisierung an den Schulen in unterschiedlichem Tempo vorgegangen.
Stimmt es, dass von den 650 Millionen Euro, die dem Land aus dem Digital-Pakt Schule des Bundes zustehen, bislang kaum etwas abgerufen wurde?
Ja, aber die Zahl verzerrt das Bild. Stand 25. Januar 2021 waren laut Kultusministerium etwa 12,5 Millionen Euro abgerufen. Das ist zwar einer Verdreifachung gegenüber dem Sommer 2020. Aber: Das Geld gibt es erst, wenn die Maßnahme – etwa die Einrichtung von WLAN-Infrastruktur oder schuleigenen Servern – vor Ort schon erfolgt ist und eine Endabrechnung vorliegt. Die Schulträger müssen dafür in Vorleistung gehen. Die für die Digital-Pakt-Anträge zuständige L-Bank hat aber bereits etwa 78,6 Millionen Euro bewilligt. Das Antragsvolumen der bisher eingegangenen Anträge beträgt 103,5 Millionen Euro. Für einen Antrag müssen bauliche Pläne, Medienentwicklungspläne und die Verwaltungsbeschlüsse dazu vorliegen – und das dauert auch in Nicht-Coronazeiten schon ewig. Viele Verwaltungen arbeiten derzeit eingeschränkt, etliche Träger haben deshalb die Planungen für die DigitalPakt-Maßnahmen verschoben.
Können die Schulen neue Hardware und Netzwerke betreuen?
Dafür gibt es zusätzlich Geld vom Land. Für Wartung und Support der im Rahmen des Digitalpakts angeschafften Geräte erhalten die Schulträger vom Land zusätzlich etwa 65 Millionen Euro durch eine Zusatz-Verwaltungsvereinbarung für Förderung von IT-Administratoren. Zudem helfen das Landesmedienzentrums und die Medienzentren.
Gibt es genügend digitale Leihgeräte für Schüler?
Von den insgesamt 500 Millionen Euro an Bundesmitteln im Sofortausstattungsprogramm für die Schulen sind 2020 auf Baden-Württemberg 65 Millionen entfallen. Das Land hat diese Mittel auf 130 Millionen Euro verdoppelt. Davon konnten rechnerisch etwa 300.000 Endgeräte beschafft werden, also für 20 Prozent der landesweit rund 1,5 Millionen Schüler. Die Schulträger haben das Geld bereits im Juli 2020 vollständig erhalten. Stand Anfang Dezember 2020 hatten die Schulträger laut Kultusministerium 97,5 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben oder Geräte bestellt. Ein Großteil der Geräte steht den Schulen also zur Verfügung. Ob deren Zahl ausreicht, ist von Schule zu Schule unterschiedlich.
Warum stattet das Kultusministerium zumindest nicht jeden Lehrer mit einem Laptop aus?
Weil für die sachliche Ausstattung der Schulen im Land seit jeher die Schulträger – in der Regel sind das die Kommunen – zuständig sind. Dazu gehören neben der kompletten Ausstattung der Schulen inklusive Internetanbindung auch die Arbeitsmittel der Lehrer. Dafür bekommen die Kommunen Geld vom Land. Damit wird sichergestellt, dass die Ausstattung den unterschiedlichen Anforderungen der Schulen entspricht.
Wie sieht es mit der Software aus?
Im Schnelldurchlauf mussten vom Land seit April 2020 Plattformen, Kommunikationstools und Software für den Fernunterricht zur Verfügung gestellt werden. Mittlerweile nutzen laut Ministerium "zahlreiche" der landesweit etwa 4500 öffentlichen Schulen die Angebote, darunter die Lernplattform Moodle sowie die Video- und Streamingtools BigBlueButton, JitSi, die Mediathek Sesam oder den Messenger Threema. Eine weitere Lernplattform ist ausgeschrieben. Auf den Plattformen sollen in der Spitze bislang gleichzeitig etwa 50 Prozent der Schulen und ungefähr die Hälfte der Lehrkräfte und Schüler aktiv gewesen sein, täglich seien mittlerweile bei Moodle rund 1500 Schulen und 440.000 Nutzer aktiv. Auch die Videokonferenztools laufen laut Ministerium stabil.
Haben die Lehrer sich für den Fernunterricht fortgebildet?
2020 wurden laut Kultusministerium vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) über 900 Fortbildungen zum Thema Digitaler Fernunterricht angeboten, das sind durchschnittlich drei pro Tag. Insgesamt 13.000 Lehrkräfte haben diese Angebote freiwillig wahrgenommen, in allen Fachfortbildungen ist der Aspekt "Einsatz digitaler Medien" verpflichtend. Im aktuellen Schuljahr sind etwa 500 weitere Fortbildungen zum digitalen Unterricht verfügbar. Dazu kommen weitere Angebote wie Online-Seminare, und Beratungssprechstunden.