Stimme+
Karlsruhe
Lesezeichen setzen Merken

Stadionbau in Karlsruhe: Das zweite Wunder vom Wildpark

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Bye, bye Wildparkstadion: Die traditionsreiche Spielstätte des Karlsruher SC wird abgerissen und macht einem 77 Millionen Euro teuren Neubau Platz. Während des Umbaus läuft der Spielbetrieb des Fußball-Drittligisten weiter - eine Operation am offenen Herzen.

Von Alexander Hettich

 

Der 2. November 1993. Es läuft die 29. Spielminute im Karlsruher Wildpark. Edgar "Euro-Eddy" Schmitt stürmt auf den Strafraum zu, zieht ab. Tor! Sechs weitere sollen folgen. Das 7:0 gegen Valencia im Europapokal, das "Wunder vom Wildpark" ist eine Sternstunde des KSC. Nach seinem Treffer dreht Schmitt in die Nordkurve ab, lässt sich von Tausenden Fans feiern. Die Nordkurve gibt es nicht mehr.

Erinnerungen an Euro-Eddy und ein 7:0

Wo die Ränge aufragten, erhebt sich ein Erdhügel. Daneben steht Frank Nenninger mit Gummistiefeln im matschigen Boden und blickt zufrieden drein. "Alles läuft nach Plan", sagt der technische Projektleiter des neu gegründeten städtischen Eigenbetriebs Fußballstadion im Wildpark (Eibs). "Auf der Baustelle ist richtig Action."

Nenninger hat Erfahrung mit Großprojekten. Er ist Prokurist der Karlsruher Schienen- und Infrastrukturgesellschaft. Die Kasig verantwortet mit der sogenannten Kombilösung samt Stadtbahntunnel eines der größten Infrastrukturprojekte Baden-Württembergs. Nun koordiniert Nenninger die Vorarbeiten, die es ermöglichen, dass im Wildpark bis 2022 ein reines Fußballstadion mit 34.000 Plätzen entsteht. Die Voraussetzungen könnten leichter sein.

Gelände war einst Karlsruhes Trümmerhügel

"Es ist ein Tanz auf dem Bierdeckel", sagt Nenninger. Die Naturschutzauflagen sind streng. Sogar tote Bäume am Rand des Baufelds müssen erhalten und umkurvt werden. Der Platz ist begrenzt. Die Wälle, auf denen der alte Wildpark errichtet wurde, waren einst umkämpfte Flakstellung, später die Halde für den Weltkriegs-Schutt der ganzen Stadt. Bombensuchtrupps sind unterwegs, um den Grund Parzelle für Parzelle nach Blindgängern abzusuchen.

Was die Bagger abräumen, ist durchsetzt mit altem Mauerwerk. Weder Kriegsgerät noch - wie befürchtet worden war - Schadstoffe seien bislang im Erdreich aufgetaucht, versichert der Technikchef. Dafür stieß man auf eine historische Steingut-Schnapsflasche aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie wandert vielleicht ins Museum. Museumsreif war auch der Wildpark - bei allem Charme, den die 1955 eröffnete Arena versprühte. Nichts bleibt am Ende vom alten Stadion. So verschwindet auch die Anzeigetafel, die in den 80er-Jahren aus Stuttgart kam, wo sie im Neckarstadion ausrangiert worden war. "Die Stuttgarter schicken uns ihren Schrott", schimpften viele KSC-Fans.

Gesamtprojekt soll 123 Millionen Euro kosten

Dass es jetzt tatsächlich losgeht im Wildpark, ist für die Karlsruher Anhängerschaft so etwas wie das zweite Wunder vom Wildpark. Seit Jahrzehnten wird über eine neue Spielstätte diskutiert, ein Standort an der Autobahn war im Gespräch. Ende 2018 fiel die Entscheidung: Es wird an alter Stelle neu gebaut. Das Stadion soll 77 Millionen Euro kosten, mit Abriss und Infrastruktur rund um die Arena kommt das Projekt auf 123 Millionen Euro.

Werner Merkel ist dafür zuständig, dass es nicht teurer wird. "Die Vorfreude bei den KSC-Fans ist groß", meint der kaufmännisch Leiter des Eigenbetriebs. Merkel war früher selbst Fanbeauftragter des Clubs, er hält den Kontakt zur Basis. Als jüngst die Sitzschalen der Nordkurve für zehn Euro pro Stück verkauft wurden, waren nach wenigen Stunden alle weg. "Wir bewegen uns hier in einem spannenden Umfeld", weiß Merkel. Spannend und angespannt.

Dritte Liga soll für KSC nur Durchgangsstation sein

Während des kompletten Umbaus bleibt die Baustelle Spielstätte des KSC, der sie als Mieter der Stadt nutzt. Deshalb werden über den abgetragenen und danach neu modellierten Wällen Tribünen-Provisorien errichtet. Die BAM Sports GmbH, die das neue Stadion im Auftrag der Stadt baut, geht etappenweise vor. Mit der Gegengeraden soll es im November losgehen. 15.400 Sitzplätze müssen stets garantiert sein. Das ist die Anforderung an den Spielbetrieb in der Zweiten Liga. Der Club hat andere Ambitionen als die derzeitige dritte Spielklasse.

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther hat dieser Tage angekündigt, dass er den Club binnen fünf Jahren bereit machen will für die Erste Liga. Aus Sicht der Verantwortlichen wäre das die Krönung eines Plans. Und nicht unbedingt ein Wunder.
 

Baukonzern hat Erfahrung mit Stadien

Die Stadt Karlsruhe ist Bauherrin des Stadions, dafür wurde ein Eigenbetrieb gegründet. Der Auftrag für den Neubau ging an die BAM Sports GmbH mit Sitz in Stuttgart, eine Tochter der BAM Deutschland AG. Diese ist ist seit 2007 Teil der holländischen Royal BAM Group. Der Baukonzern hat nach eigenen Angaben, Kliniken, Ministerien und Geschäftshäuser gebaut oder saniert. Zum Portfolio gehören Sportstätten wie Fußballstadien in Mainz und Regensburg oder die Handballhalle in Gummersbach. Der reine Neubau des Wildparkstadions soll 77 Millionen Euro kosten. Bei einer Kapazität von 34 000 sind auch 13 400 Stehplätze geplant. 

 

  Nach oben