Meinung zum bevorstehenden Schulbeginn: Erhöhtes Risiko
Das Land Baden-Württemberg ist nur in Teilen gut auf den Schulstart vorbereitet, meint unser Korrespondent. Der Präsenzunterricht müsse besser abgesichert werden.
Am kommenden Montag beginnt in Baden-Württemberg wieder die Schule. Doch wie ist das Land auf das dritte Schuljahr in Pandemiezeiten vorbereitet? Wurde aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt?
Zunächst beginnt das neue Schuljahr in einer kritischen Phase. Die vielen Lockerungen haben trotz der Impfungen dazu geführt, dass sich die Infektionslage angespannt hat - durch die Reiserückkehrer wird dies sicher nicht besser. In diesem Umfeld werden die Schüler wieder in den Präsenzunterricht gehen. Dabei ist noch nicht einmal ein Drittel der über Zwölfjährigen in Baden-Württemberg vollständig geimpft. Grundschüler können wie Kita-Kinder nicht geimpft werden. Dies sind mit Blick auf die Pandemie zunächst einmal Rahmenbedingungen, die durchaus als schwierig bezeichnet werden können.
Umso wichtiger wäre es gewesen, hier alles Mögliche zu tun, um den Präsenzunterricht abzusichern. Diesem Anspruch kommt die grün-schwarze Landesregierung jedoch nur teilweise nach.
Nicht massiv in Luftfilter zu investieren, ist ein schweres Versäumnis
So ist es nicht nachvollziehbar, dass das Land Luftfiltergeräte in den Klassenzimmern finanziell nur dann zur Hälfte fördert, wenn die Räume schwer belüftbar sind. Diese Einschränkung ist unnötig. Zur Bewältigung der Corona-Krise hat der Staat schließlich in den vergangenen anderthalb Jahren viele Milliarden Euro investiert. Dass für die Luftfilter in der hoffentlich letzten Phase der Pandemie nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, ist ein schweres Versäumnis.
Das Gleiche gilt auch für die neuen Quarantäneregeln des Landes. Dass bei einem Corona-Fall in der Klasse die Tests der Mitschüler an fünf aufeinanderfolgenden Tagen die alte, 14-tägige Quarantäneregel ersetzen, ist ein Risiko. Damit kann bei weitem nicht jeder angesteckte Schüler innerhalb der Inkubationszeit herausgefiltert werden. Jüngere Schüler müssen bei einem positiven Fall in der Klasse sogar nur einmal negativ getestet werden, damit sie wieder am Unterricht teilnehmen können. Bei dieser - anders kann es nicht formuliert werden - Durchseuchungsstrategie bei den jüngeren Kindern kann man nur hoffen, dass es unter den Kleinen weiterhin nur sehr wenige schwere Erkrankungen gibt - und dass sie auch wenige ungeimpfte Erwachsene anstecken. Doch Hoffnung ist in einer Pandemie ein schlechter Ratgeber.
Positiv ist, dass sich der Wechsel- und Fernunterricht nicht mehr an den Inzidenzen orientiert
Entscheidend wird hier künftig auch im Schulbetrieb die allgemeine Infektionslage sein. Die Fortführung der Testpflicht an Schulen - ausgenommen sind Geimpfte oder Genesene - ist ebenfalls sinnvoll, weil so der Überblick behalten werden kann. Es stellt sich allerdings die Frage, warum es die Testpflicht an Grundschulen gibt, an den Kitas jedoch nicht. Schließlich sind überall Kinder unter zwölf Jahre. Unklar ist auch, ob die Schulen digital inzwischen so aufgestellt sind, dass der Unterricht im Notfall im Herbst und Winter zumindest zeitweise von zu Hause aus umgesetzt werden kann. Generell ist die Digitalisierung des Schulbetriebs eines der zentralen Themen der Zukunft - unabhängig von der Pandemie.
Abseits von Corona besteht auch im neuen Schuljahr wieder ein Lehrermangel
So gibt es zu wenige Sonderpädagogen. Damit stockt die Umsetzung der Inklusion an den allgemeinbildenden Schulen weiterhin. Zudem haben auch die Grundschulen nicht genügend Pädagogen - ebenfalls ein Defizit seit Jahren. Am kommenden Donnerstag muss Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) bei ihrer Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn nicht nur darlegen, wie die Schulen auf Corona vorbereitet sind, sondern auch, was sie gegen den Lehrermangel unternehmen will.