Neuer Streit über Stuttgart-21-Polizeieinsatz
Stuttgart - Der U-Ausschuss zum »schwarzen Donnerstag« hat seine Arbeit beendet. Doch unklar bleibt: Wer ist schuld an den vielen Verletzten beim Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten? Zog das Staatsministerium die Fäden oder reagierten schlecht koordinierte Polizisten auf Gewalttäter?
Stuttgart - Regierung und Opposition haben zwei gänzlich verschiedene Bilanzen des Landtags-Untersuchungsausschusses zum Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten gezogen. SPD und Grüne machen für das massive Vorgehen mit Wasserwerfern und Pfefferspray Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) verantwortlich. Dies habe die Beweisaufnahme ergeben. Die CDU/FDP-Koalition hält dagegen: Die Regierung habe keinen politischen Einfluss genommen.
„Die Polizei war nicht im Schlossgarten, weil sie von jemandem geschickt wurde, sondern weil sie dort rechtswidriges Handeln beenden und das Baurecht durchsetzen musste“, sagte am Mittwoch der CDU-Obmann im Ausschuss, Ulrich Müller (CDU). Bei den Auseinandersetzungen um die ersten Baumfällarbeiten am 30. September 2010 waren weit mehr als 100 Demonstranten verletzt worden. Auch mehrere dutzend Polizisten trugen Verletzungen davon.
Vorwürfe
Durch sein Handeln bei der Besprechung am Tag vor der Demonstration habe Mappus den Einsatz der Wasserwerfer gebilligt, meinte der Grünen-Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl. Dabei habe sich der Regierungschef über Bedenken der Polizeiführung hinweggesetzt, den Einsatz durchzuziehen, obwohl die Planung den Gegnern des Bauprojekts schon bekanntgeworden war. „Die besonnenen Kräfte bei der Polizei sollten auf tragische Weise recht behalten“, resümierte Sckerl.
Andreas Stoch (SPD) warf Mappus vor, sich im Nachhinein der Verantwortung zu entziehen und diese auf die Polizei abzuwälzen. Im Unterschied zu vielen anderen Einsätzen habe nicht das Innenministerium die Federführung gehabt. „Es war eindeutig das Staatsministerium, das den Einsatz koordinierte und die Fäden in der Hand hielt.“
Aggressive Demonstranten
Müller und der FDP-Abgeordnete Hagen Kluck widersprachen: Mappus habe sich bei der Besprechung lediglich über die Planung der Polizei informiert. „Das war keine Befehlsausgabe“, sagte Kluck. Der gewalttätige Ablauf sei bedauerlich, aber: „Dieser Einsatz war rechtmäßig, und er war verhältnismäßig.“ Auch Müller betonte, die Beamten hätten zum Teil sehr aggressiven Demonstranten gegenübergestanden. „Hätte die Polizei jetzt sagen sollen: Wir verzichten auf die Durchsetzung des Rechts?“ Müller mahnte: „Was wäre die Alternative gewesen? Die Herrschaft der Straße und das Ende des Rechts.“
Stoch und Sckerl forderten, die Fehler bei der Planung und im Ablauf müssten Konsequenzen in der Polizeiführung haben. Eine Ablösung des Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf sei unumgänglich. Dies könne der Landtag jedoch nicht beschließen. Es sei Sache der Regierung.
Dagegen erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Reinhold Gall, bevor über personelle Konsequenzen gesprochen werde, müssten die Ergebnisse der Ermittlungen und ausstehende Entscheidungen der Gerichte in anhängigen Verfahren vorliegen.
Wähler entscheiden
SPD und Grüne betonten, dass Mappus und Innenminister Heribert Rech (CDU) eigentlich ihren Hut nehmen müssten. Da aber in neun Wochen ohnehin Landtagswahl ist, könnten die Wähler ihre Stimme in die Waagschale werfen. Sckerl sagte: „Jetzt ist der Souverän dran. Wer sollte darüber stehen?“ lsw