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Auskunftspflicht zum Impfstatus stößt auf unterschiedliches Echo

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Die Debatte im Land zur Entscheidung des Bundes sorgt im Südwesten für eine kontroverse Diskussion. Derweil arbeitet die Landesregierung an einer neuen Corona-Verordnung.

von Michael Schwarz und Katharina Müller
Geimpft oder nicht? Diese Frage wird künftig eine immer größere Rolle spielen. Steigt die Zahl der Corona-Intensivpatienten weiter an, sollen auch im Südwesten Einschränkungen für Ungeimpfte kommen.
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Geimpft oder nicht? Diese Frage wird künftig eine immer größere Rolle spielen. Steigt die Zahl der Corona-Intensivpatienten weiter an, sollen auch im Südwesten Einschränkungen für Ungeimpfte kommen. Foto: dpa  Foto: Sebastian Gollnow

Die Entscheidung des Bundes, dass Arbeitgeber von Beschäftigen in Kitas, Schulen oder Pflegheimen künftig eine Auskunft über deren Corona-Impfstatus verlangen können, sorgt im Südwesten für eine kontroverse Diskussion.

"Was nützt es, wenn wir bei 25 Kindern und einer Lehrkraft in einem Klassenzimmer wissen, dass die Lehrerin geimpft ist", fragt Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zudem gebe es gute Gründe, dass persönliche Daten unter besonderem Schutz stünden. Stein erklärt weiter, die GEW wisse aus Umfragen, dass 80 bis 90 Prozent des Personals an Schulen und Kitas geimpft seien. "Eine Auskunftspflicht zum Impfstatus für Beschäftigte schafft nur zusätzlichen Mehraufwand für die Kita- und Schulleitungen", so Stein. Viel wichtiger sei es, dass zum Schulbeginn in zehn Tagen an allen weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg eine Impfkampagne gestartet werden könne. Stein erneuert hier ihre Forderung, zumindest für alle Kita-Räume und Klassenzimmern bis Klasse sieben Luftreinigungsgeräte anzuschaffen.


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Südwestmetall-Vorsitzende fordert Ausweitung

Nicht weit genug geht hingegen den Arbeitgebern die neue Regelung. Sie fordern, allen Unternehmen ein Auskunftsrecht über den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten einzuräumen. "Im Zuge der Pandemie-Bekämpfung wurden den Arbeitgebern zahlreiche Pflichten zum Gesundheitsschutz auferlegt, aber so gut wie keine Rechte, um diese auch optimal erfüllen zu können", erklärt der Südwestmetall-Vorsitzende Wilfried Porth. Erneut habe die Politik in der Pandemie den individuellen Datenschutz über den kollektiven Gesundheitsschutz der Belegschaften gestellt. "Alles, was wir wollen, ist ein zeitweiliges Auskunftsrecht zum Impf- oder Genesenenstatus der Mitarbeiter, damit wir an jedem Arbeitsplatz die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Angestellten einleiten können", so Porth. Daher könne die Entscheidung des Bundes nur ein erster Schritt sein.

Die Südwest-Kommunen reagieren positiv auf die Pläne des Bundes. In Tätigkeitsfeldern wie in Kitas und Schulen sei es wichtig, "dass Beschäftigte ihren Impfstatus ausnahmsweise offenlegen, damit Hygienemaßnahmen darauf ausgerichtet werden können und das Personal sachgerecht eingesetzt werden kann", sagt Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg.

Reaktionen aus der Region

Für Andreas Haupt, Vorsitzender des Pflegenetzes Heilbronn, ist klar, dass die Auskunftspflicht über die Corona-Impfung eine Impfpflicht durch die Hintertür wird. „Davon halte ich nichts“, sagt er. Die Altenpflege habe sowieso schon große Probleme, viele Beschäftigte spielten mit dem Gedanken aufgrund der Arbeitsbedingungen aus dem Beruf auszusteigen. Er hätte sich deshalb gewünscht, dass man sensibler vorgeht und noch mehr auf Aufklärung setzt. Mit dem jetzigen Vorgehen spalte man nur und bewirke damit vielleicht sogar, dass einige sagen: „Das mache ich nicht mehr mit.“

Auch Harald Schröder, Kreissprecher Heilbronn der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, kritisiert den Druck, der durch eine Auskunftspflicht auf ungeimpfte Kollegen ausgeübt wird. Er verstehe aber auch, dass der Dienstherr wissen möchte, wie viele Lehrer geimpft oder genesen sind. „Es ist ein zweischneidiges Schwert.“ Denn bei Lehrern sei die Impfbereitschaft grundsätzlich sehr hoch, berichtet Schröder von seinen Erfahrungen. Man jage jetzt also nur einigen wenigen hinterher. Er befürchtet, dass dadurch das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten zerstört werde.

Als Kita-Träger begrüßt die Stadt Heilbronn die Möglichkeit, den Impfstatus von Beschäftigten abfragen zu können. Laut Oberbürgermeister Harry Mergel sei das eine sinnvolle Ergänzung der geltenden Schutzmaßnahmen. „Wir beobachten mittlerweile deutlich eine Pandemie der Ungeimpften. Deshalb appelliere ich inständig an alle, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen“, sagt der OB.

Landesregierung sieht sich in ihrem Kurs bestätigt

Die Landesregierung sieht sich derweil in ihrem Kurs bestätigt. In einem Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium hatte sich Uwe Lahl, Amtschef im Stuttgarter Sozialministerium, bereits Ende August für ein Auskunftsrecht für Arbeitgeber eingesetzt. "Die Regelung zur Auskunftspflicht ist ein guter erster Schritt. Endlich haben Schul- und Kita-Leitungen die Möglichkeit, den Impfstatus ihrer Mitarbeiter abzufragen", sagt Lahl gegenüber unserer Zeitung. Würden in Pflegeheimen Nicht-Geimpfte arbeiten, sollten diese möglichst dort eingesetzt werden, wo sie keinen intensiven Kontakt zu den besonders vulnerablen Bewohnern hätten, fordert Lahl.

Derweil will das Land Ende kommender Woche - nachdem das geänderte Infektionsschutzgesetz Bundestag und Bundesrat passiert hat - die neue Corona-Verordnung für Baden-Württemberg veröffentlichen. Vermutlich tritt diese nach den Sommerferien ab dem 13. September in Kraft. Dann sind auch Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte möglich. Ab einer bestimmten Infektionslage können sich diese dann beispielsweise nur noch mit zwei Haushalten treffen. Ab dann spielt auch - wie vom Bund geplant - die Zahl der Corona-Patienten in Kliniken eine größere Rolle bei der Bewertung der Infektionslage. Das Land plant Gegenmaßnahmen, wenn mehr als 200 Covid-19-Patienten in den Intensivstationen liegen. Die 2G-Regel soll vermutlich ab 300 Patienten in Kraft treten. Dann dürften nur noch Geimpfte und Genesene zum Beispiel Restaurants besuchen. Für Ungeimpfte blieben die Türen verschlossen - auch mit einem negativen Test.

 


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Starke Auslastung der Intensivstationen prognostiziert

Das Landesgesundheitsamt geht davon aus, dass Mitte kommender Woche mehr als 200 Covid-19-Patienten auf den Südwest-Intensivstationen liegen werden. Zuletzt bewegte sich die Zahl zwischen 120 und 140. Zum Schulbeginn könnten es laut der Prognose dann mehr als 300 Patienten sein. Aktuell sind 95 Prozent der Intensivpatienten nicht geimpft. Die meisten sind zwischen 35 und 59 Jahre alt. Es werden derzeit in den Kliniken im Vergleich zur vergangenen Woche fast doppelt so viele Patienten mit einem schweren Verlauf behandelt. Amtschef Uwe Lahl kündigt wegen der aktuellen Lage bereits schärfere Kontrollen an. Ab der kommenden Woche solle zunächst intensiver kontrolliert werden, ob die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) eingehalten werde. Wenn es zur roten Ampel und zur 2G-Regel komme, werde dies auch konsequent kontrolliert. Bei Verstößen drohten Bußgelder, so Lahl. 


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