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Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Grüner Erfolg nach elf Jahren

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Das grün-schwarze Kabinett hat am Dienstag die Kennzeichnungspflicht bei Großlagen für baden-württembergische Polizisten auf den Weg gebracht. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem lange Zeit umstrittenen Vorhaben.

von Michael Schwarz

Welche Geschichte steckt hinter der Kennzeichnungspflicht?

„Wir werden eine individualisierte anonymisierte Kennzeichnung der Polizei bei sogenannten Großlagen einführen, unter strikter Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Polizistinnen und Polizisten.“ Dieser Satz ist nicht das Ergebnis aktueller Gespräche zwischen Grünen und CDU, sondern er stammt aus dem Koalitionsvertrag von Grünen und SPD von 2011, also der ersten Regierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Umgesetzt wurde das Vorhaben jedoch nicht, weil der damalige SPD-Innenminister Reinhold Gall das Herzensprojekt der Grünen blockierte. Damals begann auch der Kampf der Deutschen Polizeigewerkschaft gegen die Kennzeichnungspflicht, den sie elf Jahre später verlieren wird.

 

Was war der Ursprung dieser Forderung?

In Baden-Württemberg ging die Debatte über die Kennzeichnungspflicht los nach dem Polizeieinsatz am „Schwarzen Donnerstag“, also dem Tag im Herbst 2010, an dem die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen Stuttgart-21-Demonstranten vorging. Die Grünen in der Landeshauptstadt forderten daraufhin, dass Polizisten einfacher identifiziert werden müssten. Seitdem die Südwest-Grünen 2011 den Ministerpräsidenten stellen, wollen sie diese Pflicht umsetzen.

 

Wie kommt es jetzt zu der Umsetzung?

Die Grünen mussten zum zweiten Mal mit der CDU koalieren, um eines ihrer Herzensprojekte durchsetzen zu können. Für die Christdemokraten – und das ist wahrlich kein Geheimnis – war die Kennzeichnungspflicht der Polizei für sehr lange Zeit ein rotes Tuch. In der Opposition machte die CDU in den Jahren 2011 bis 2016 massiv Stimmung gegen die Kennzeichnungspflicht – und sprach, wie auch die FDP, von einem Misstrauensvotum gegen die Beamten.

 


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Eine Polizistin steht vor einem Streifenwagen.
Stuttgart
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Polizeigewerkschaft empört über Kennzeichnungspflicht


Wie kam es zur Kehrtwende bei der CDU?

Nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 konnten die Grünen wählen zwischen einer Ampelkoalition mit SPD und FDP oder der Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU. Das brachte die Partei, die sich auf Drängen Kretschmanns für die Zusammenarbeit mit den Christdemokraten entschied, in eine strategisch gute Rolle in den Verhandlungen. Die Grünen konnten nahezu alle Vorhaben, die ihnen wichtig gewesen sind, im Koalitionsvertrag verankern. Auch die Kennzeichnungspflicht.

 

Was ist jetzt genau geplant?

Im Prinzip wird jetzt das umgesetzt, was die Grünen schon 2011 wollten. Bei großen Einsätzen sollen die Polizisten in Baden-Württemberg individuell und anonym gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung besteht aus der Länderkennung BW sowie aus einer fünfstelligen Ziffernfolge. Die Kennung wird per Klettschild vor Einsatzbeginn gut sichtbar am Oberteil der Uniform angebracht. Die individuellen Nummern sind in einer Datenbank gelistet und jeweils einem Beamten zugeordnet. Die Kennzeichnungspflicht greift nur bei Großlagen, also etwa bei Fußballspielen oder auch bei Demonstrationen.  Sollten Polizisten im Einsatz nun übergriffig werden und sich mutmaßlich nicht rechtmäßig verhalten, können Bürger sie über die Kennzeichnung melden.

 


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Das Wappen der Polizei Baden-Württemberg auf der Uniform einer Beamtin.
Stuttgart (dpa/lsw)
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Kennzeichnungspflicht für Polizei kommt


Wie viele Polizisten sind betroffen?

Rund 1640 Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Einsatz sowie der Einsatzhundertschaften Stuttgart und Mannheim/Karlsruhe erhalten laut Innenministerium eine persönlich zugeteilte anonyme Kennzeichnung. Zur Relation: Bei der Landespolizei Baden-Württemberg sind derzeit insgesamt über 29000 Polizeibeamte beschäftigt, davon rund 4300 Anwärter. Grün-Schwarz verzichtet aber auf eine verpflichtende Individualkennzeichnung bei allen Streifenpolizisten, wie es sie zum Beispiel in Berlin und Rheinland-Pfalz gibt. Wann die Regelung in Baden-Württemberg in Kraft tritt, ist noch unklar.

 

Welches Thema wollen Grüne und CDU in diesem Kontext noch auf den Weg bringen?

Ein weiteres, vor allem für die Grünen wichtiges Thema ist ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene. Auch dieses ist im grün-schwarzen Koalitionsvertrag verankert. Das Stuttgarter Innenministerium wollte ursprünglich noch in diesem Jahr einen Entwurf vorlegen. Die CDU erklärte immer wieder, mit ihr werde es hier aber kein Gesetz nach dem Vorbild des Stadtstaates Berlin geben. Eine sogenannte Beweislastumkehr, bei der Beamte nachweisen müssen, korrekt gehandelt zu haben, lehnen die Christdemokraten ab.

 

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