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Tübinger OB Boris Palmer rechnet sich Bürgergeld aus – und übt Kritik

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Lohnt es sich noch in Vollzeit zu arbeiten? Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sein Bürgergeld ausgerechnet und sieht Probleme bei der Bürgergeld-Erhöhung im kommenden Jahr.

von Julian Ruf
Boris Palmer (parteilos), Tübingens Oberbürgermeister kritisierte auf seinen Social-Media-Kanälen das Bürgergeld in Deutschland.
Boris Palmer (parteilos), Tübingens Oberbürgermeister kritisierte auf seinen Social-Media-Kanälen das Bürgergeld in Deutschland.  Foto: Silas Stein/dpa

Der parteilose Boris Palmer, vormals Mitglied bei den Grünen und amtierender Tübinger Oberbürgermeister, steigt in die Debatte um das Bürgergeld ein: Denn die Sozialleistung, die in der Vergangenheit als Hartz-IV bezeichnet wurde, soll mit dem neuen Jahr um 12 Prozent erhöht werden. Das ruft Skeptiker auf den Plan, die wiederum behaupten, die Höhe des Bürgergeldes würde für viele Arbeitnehmer den Anreiz nehmen, in Vollzeit zu arbeiten. Dieser Argumentation schließt sich Palmer auf den sozialen Medien nun weitestgehend an. 

Tübinger Oberbürgermeister Palmer: Höhe des Bürgergeldes sei „unsozial“

Boris Palmer dürfte kaum von Armut bedroht sein - als Oberbürgermeister von Tübingen liegt sein monatliches Gehalt jenseits der 10.000 Euro. Dennoch habe er sich auf dem Internetportal des Wohlfahrtsverbandes Caritas ausrechnen lassen, was seine Ehefrau und er an Bürgergeld bekommen würden, sollten sie in die Arbeitslosigkeit gehen. Palmer hat zwei Kinder. 

Dabei kam er auf ein Ergebnis von 3868 Euro im Monat, wie er auf seiner Facebook-Seite per Screenshot mitteilte. „Aber wenn ich Alleinverdiener wäre, müsste ich schon um die 4500 brutto heim bringen, um dasselbe zu erreichen“, resümiert Palmer unter seiner Mitteilung. 

Ein Bürgergeld in dieser Höhe sei „unsozial“ gegenüber jenen, die ihr Leben mit Arbeit finanzieren. Es würden rund vier Millionen erwerbsfähige Menschen in Deutschland leben, die sich von der Gemeinschaft finanzieren lassen. Währenddessen würden die Betriebe im Niedriglohnbereich dringend nach neuen Beschäftigten suchen, so Palmer. 

Palmer kritisiert Bürgergeld: Rechnung der Ampel gehe nicht auf

Palmer empfindet das Gegenargument „Arbeit lohne sich immer“ als unwahr, wie er schreibt. Eine Rechnung der Ampel-Regierung habe gezeigt, dass man mit einer Kündigung „besser da steht“. Andere häufig durchgeführte Berechnungen würden wiederum zeigen, dass für viele Arbeitnehmer durch eine Vollerwerbstätigkeit am Monatsende nur „300 Euro mehr in der Tasche“ bleiben. 

„Ja, genau, und das soll sich lohnen? 170 Stunden arbeiten für 300 Euro mehr, das ist ein Nettolohn von zwei Euro die Stunde“, echauffiert sich Palmer. Die Bürgergeld-Erhöhung würde die Leistungskraft der deutschen Volkswirtschaft schmälern, anstatt diese zu stimulieren. „Ich habe große Sorgen, dass der Sozialstaat noch viel härtere Einschnitte verkraften muss, wenn wir nicht wieder dafür sorgen, dass die Wirtschaft läuft und Arbeit sich lohnt“, zeichnet Palmer ein negatives Zukunftsbild.

Miete falsch berechnet? Palmer erntet auch Kritik für Bürgergeld-Rechnung

Manche Nutzer auf den Sozialen Medien wollten die Rechnung von Palmer allerdings nicht so stehen lassen: „Und ich erwähne es nochmals, Miete einrechnen mit irgendeiner Summe hinkt, wo doch jeder eine andere Höhe zahlen muss“, heißt es in den Kommentaren unter Palmers Beitrag. „Die Höhe des Bürgergelds hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Basis. Und das ist gut so“, schreibt ein Nutzer. 

Doch Palmer wehrt sich: „Auf Twitter ist mein Name mal wieder in den Trends weit oben. Nur weil ich einen Bürgergeldrechner der Caritas mit den Daten meines Haushalts gefüttert habe. Was dabei rauskommt, empört viele.“ Er wisse zwar nicht genau, wie der Caritas-Rechner zu seinem Ergebnis komme, aber die Größenordnung solle stimmen. 

„Der unmittelbar gültige Satz sind 506 + 506 + 390 + 357 Euro = 1759“, rechnet Palmer für einen Haushalt mit vier Personen vor. Dazu kämen noch 959 für die Kaltmiete einer Tübinger Wohnung von 90 Quadratmetern. Ein Verdienerhaushalt müsse sogar eher mit 1100 Euro rechnen, führt Palmer weiter aus. Obendrauf kämen noch Nebenkosten von rund 350 Euro und „Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket oder Vergünstigungen für den ÖPNV.“ Der Tübinger Landrat Joachim Walter habe vor kurzem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen „Shitstorm“ erhalten, weil er bei einer ähnlichen Rechnung 3200 Euro als Ergebnis vorgelegt haben soll. „Sind Sie empört über die Wahrheit“, fragt Palmer abschließend. 

Boris Palmer wird für seine Politik in Tübingen oft gefeiert, aber auch für seine grenzüberschreitenden Äußerungen kritisiert. Nach seinem Austritt bei den Grünen im vergangenen Sommer möchte er künftig für die Freien Wähler ins Rennen gehen. 

 

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