Einschläge bei Gewitter: Wo Blitze wahrscheinlicher niedergehen als anderswo
In manchen Gegenden Deutschlands ist die Blitz-Häufigkeit höher als in anderen – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden? Andere Begleiterscheinungen von Unwettern bergen eine größere Gefahr.

Im Landkreis Esslingen stirbt ein Mensch nach einem Blitzeinschlag, zwei weitere schweben in Lebensgefahr. Kempten im Allgäu ist Blitzhauptstadt Deutschlands 2022. Das sind zwei aktuelle Nachrichten. Doch was macht es wahrscheinlicher, dass ein Blitz niedergeht? Und gibt es Regionen, in denen Menschen eher gefährdet sind?
"In einer kräftigen Gewitterzelle, wie am Sonntag über der Schwäbischen Alb, kommt es zu mehreren Tausend Blitzen im Zeitraum von einer halben Stunde", sagt Thomas Schuster. Wie viele davon den Boden erreichen, also zu für Mensch und Technik potenziell gefährlichen Erdblitzen werden, lasse sich nicht sagen. Doch dass es zuletzt einige Gewitter mit "hoher Blitzintensität" gab, kommt nicht von ungefähr. "Die Luftmasse ist energetischer als vor fünf, sechs Jahren", sagt der Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. Das hänge auch mit dem Klimawandel zusammen. "Generell gibt es mehr Wärme, mehr Feuchtigkeit – das führt zu kräftigeren Gewittern und Entladungen."
Siemens-Blitzatlas: Kempten ist die Blitz-Hauptstadt 2022
"Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen", sagt auch Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt von Wetterkontor.de. "Von Anfang/Mitte März bis Ende Oktober ist bei uns die Hauptgewitterzeit." Regionale Unterschiede gibt es durchaus. Laut des Siemens-Blitzatlas ist Kempten die Blitzhauptstadt Deutschlands 2022 – dank einer Blitzdichte von 2,4 Einschlägen pro Quadratkilometer. Auf den Rängen folgen die Kreise Ostallgäu und Garmisch-Partenkirchen. "Das Allgäu ist ein sehr, sehr gewitterträchtiges Gebiet", sagt Schmidt. Überhaupt lägen die Schwerpunkte häufig in der Mitte und im Süden Deutschlands. "An die Küste gelangt weniger gewitterträchtige Luft aus dem Mittelmeerraum."
Dieser Mittelmeereinfluss macht sich dieser Tage durch "sehr schwüle Luft" bemerkbar, wie Schuster sagt. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz erschlagen zu werden, sagt er: "Die Wahrscheinlichkeit ist bei einem Unwetter größer, von Teilen eines Baumes erschlagen zu werden, dessen Äste abbrechen." Auch andere Begleiterscheinungen wie etwa Überflutungen seien gefährlicher. Laut des Ausschusses für Blitzschutz und Blitzforschung, angesiedelt beim Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, kam es in Deutschland im Schnitt der Jahre 2000 bis 2018 zu 110 Verletzten pro Jahr. In diesem Zeitraum zählt der Ausschuss durchschnittlich vier bei Blitzunfällen ums Leben gekommene Personen pro Jahr. Die genannten Zahlen seien als Mindestwerte anzusehen, heißt es.
"Extreme Dürre": 2022 mit vergleichsweise wenigen Blitzen
Mit dem Blitzatlas analysiert Siemens seit 1991 das Geschehen und sendet Warnhinweise. Demnach gingen 2022 in Deutschland insgesamt 242.000 Erdblitze zu Boden, rund 50 Prozent weniger als im Vorjahr. Es ist insofern ein ungewöhnliches Jahr. "2022 verzeichnete die niedrigsten Blitzereignisse der letzten 30 Jahre. Im Sommer herrschte teilweise extreme Dürre bei hohen Temperaturen über 35 Grad. Doch die Niederschlagsmenge lag deutlich unter dem Sollwert. Für Gewitter braucht es aber beides – Feuchtigkeit und heiße Temperaturen", sagt Stephan Thern, Leiter des Biltz-Infomationsdienstes bei Siemens.
Rund ein Viertel aller 2022 gemessenen Erdblitze wurden in Bayern registriert, bei der Blitzdichte steht Baden-Württemberg noch vor Bayern. Bei den Landeshauptstädten führt München (1,5) die Liste der Blitzdichte, also Einschläge pro Quadratkilometer, an. Stuttgart (1,1) liegt an Position drei. Der Stadtkreis Heilbronn bringt es auf einen Wert von 0,46, bei einer Fläche von fast genau 100 Quadratkilometern entspricht das 46 gemessenen Erdblitzen 2022. Im Hohenlohekreis liegt der Wert bei 0,54 bei 422 gemessenen Ereignissen, im Landkreis Heilbronn bei 0,61 bei 675 gemessenen Ereignissen. 2022 lag der Durchschnittswert für Baden-Württemberg bei 1,0, der für Deutschland bei knapp 0,7 registrierten Blitzeinschlägen pro Quadratkilometer. Im Vorjahr waren es 1,4.
Am Alpenrand gelegene Städte und Landkreise, wie jetzt Kempten im Allgäu, liegen beim Blitzatlas meistens auf vorderen Plätze. "Im Gebirge selbst ist die Lage nicht mal so dramatisch, es geht eher ums Vorland. Dort trifft Feuchtigkeit auf Wärme, weil es viele Seen gibt, aus denen die Feuchtigkeit aufsteigt", heißt es dazu von Siemens. Dazu passt, dass in Baden-Württemberg der Bodenseekreis (1,73) bei der Blitzdichte vorne liegt.
Weitere Gewittergefahr in Baden-Württemberg
Jürgen Schmidt weist in Bezug auf die Häufigkeit von Blitzereignissen auf einen weiteren Punkt hin. "Es werden immer mehr Informationen geteilt, Videos von Blitzen oder Unwetterschäden. Früher wurden nur die extremsten Unwetter weitergegeben, jetzt sieht man Tausende Bilder von überall." In diesen Tagen könnten noch ein weitere dieser Bilder hinzukommen. "Bis einschließlich Donnerstag haben wir eine gewitterträchtige Phase in Baden-Württemberg."