Baden-Württemberg vereinfacht Corona-Regeln
Nach der Kritik an den vielen Corona-Regeln hat Baden-Württembergs Landesregierung nun die zentrale Corona-Verordnung überarbeitet. Unter anderem sind im Freien wieder Ansammlung von bis zu 20 Personen erlaubt.

Nach zähen Verhandlungen haben sich Grüne und CDU auf eine neue, zentrale Corona-Verordnung geeinigt. Sie soll das Chaos bei den Vorgaben beenden und für mehr Klarheit sorgen. Hier die wichtigsten Themen aus dem Konzept:
Was ist das Ziel?
Grün-Schwarz hat die neue zentrale Corona-Verordnung des Landes neu aufgelegt. In dieser sind Ge- und Verbote aufgestellt, die Freiheiten des Einzelnen einschränken. Die Umsetzung der Regelungen erfolgt zum einen in Eigenverantwortung der Bürger, zum anderen durch die zuständigen Behörden.
Was gilt für die Abstandsregeln?
Sind keine Infektionsschutzvorrichtungen vorhanden, muss der 1,5-Meter-Mindestabstand weiter eingehalten werden. Im öffentlichen Raum ist dessen Einhaltung Pflicht. Ausgenommen sind Ansammlungen von Verwandten oder zugehörigen des eigenen Haushalts. Auch in Schulen und Kitas gelten die Abstandsregeln nicht.
Wer muss künftig eine Maske tragen?
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Eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung muss getragen werden im ÖPNV, in Passagierflugzeugen, Fähren, Taxen, an Bahn- und Bussteigen, in Bahnhöfen und in Flughäfen. Das Gleiche gilt weiter für Friseur-, Massage-, Kosmetik-, Nagel-, Tattoo- und Piercingstudios und in medizinischen und nicht medizinischen Fußpflegeeinrichtungen, in Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe und der Heilpraktiker sowie in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in Einkaufszentren und Ladengeschäften.
Auch Mitarbeiter in Freizeitparks, Vergnügungsstätten, Beherbergungsbetrieben und im Gaststättengewerbe bei direktem Kundenkontakt müssen die Maske tragen. Keine Pflicht besteht für Kinder bis sechs Jahre und für Personen, denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht zumutbar ist sowie für Beschäftigte, sofern sich an deren Einsatzort keine Kunden und Besucher aufhalten.
Müssen weiter Daten aufgenommen werden, um Infektionsketten nachverfolgen zu können?
Müssen Kontaktdaten erhoben werden, sind diese weiter nach vier Wochen wieder zu löschen. Dies betrifft zum Beispiel die Gastronomie, aber auch öffentliche Einrichtungen und Veranstaltungen. Gespeichert werden dürfen Vor- und Nachname, Anschrift, Datum und Zeitraum der Anwesenheit und Telefonnummer oder E-Mail-Adresse. Die Daten sind auf Verlangen der zuständigen Behörde zu übermitteln, sofern dies zur Nachverfolgung von möglichen Infektionswegen erforderlich ist.
Eine anderweitige Verwendung ist unzulässig. Wer die Angaben nicht macht, der darf Gebäude nicht betreten – oder an Veranstaltungen nicht teilnehmen. Wer in den vergangenen 14 Tagen in Kontakt mit Corona-infizierten Personen war oder selbst typische Erkrankungssymptome hat, dem darf ebenfalls der Zutritt verweigert werden.
Was gilt beim Arbeitsschutz?
Arbeitgeber müssen die Infektionsgefährdung von Beschäftigten minimieren und diese umfassend informieren. Möglichkeiten für Handdesinfektion und zum Händewaschen müssen ausreichend vorhanden sein, am Arbeitsplatz eingesetzte Utensilien müssen regelmäßig desinfiziert werden und den Beschäftigten soll in ausreichender Anzahl Mund-Nasen-Bedeckungen bereitgestellt werden. Menschen, die zur Risikogruppe zählen, dürfen nicht für Tätigkeiten mit vermehrtem Personenkontakt und nicht für Tätigkeiten eingesetzt werden, bei denen der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann.
Wie geht es weiter mit Ansammlungen von Menschen?
Künftig sind öffentliche Ansammlungen von bis zu 20 Personen erlaubt. Bislang galt die Regelung für zehn Personen. Ausgenommen sind Treffen von Verwandten sowie Personen des eigenen Haushalts. Das Verbot gilt nicht für Ansammlungen, die der Aufrechterhaltung des Arbeits-, Dienst- oder Geschäftsbetriebs oder der sozialen Fürsorge dienen. Demos sind erlaubt, insofern die Vorgaben eingehalten werden können. Ist dies nicht der Fall, können sie verboten werden.
Welche Regelungen gelten künftig für Veranstaltungen?
Bis zum 31. Juli 2020 sind Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmenden verboten. Veranstaltungen mit über 500 Teilnehmenden sind bis 31. Oktober 2020 nicht erlaubt. Allerdings gibt es eine Neuregelung: Bis zum 31. Juli können Veranstaltungen mit 250 Personen durchgeführt werden, wenn allen Personen für die gesamte Dauer der Veranstaltung feste Sitzplätze zugewiesen werden und wenn die Veranstaltung einem vorher festgelegten Programm folgt.
Diese Vorgaben gelten nicht für Veranstaltungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege oder der Daseinsfürsorge oder -vorsorge. Insbesondere für Veranstaltungen und Sitzungen der Legislative, Judikative und Exekutive. Ab dem 1. September 2020 dürfen auch Messen mit mehr als 500 Personen wieder stattfinden.
Was bleibt geschlossen?
Geschlossen bleiben müssen weiterhin Clubs, Diskotheken und auch Bordelle.
Wie geht es weiter?
Die neue Corona-Verordnung des Landes gilt ab 1. Juli. Als Nächstes müssen nun die Ministerien ihre Zuständigkeiten überarbeiten und an die neue Verordnung anpassen. Dann werden die Regelungen konkret. Bestehen bleibt die Pflicht von kommunalen Behörden, regionale Maßnahmen umzusetzen, wenn es zu einer erhöhten Zahl infizierter Personen kommt.
Kommentar: Führung nötig
Mit der Vereinfachung der Corona-Verordnungen geht das Land einen Schritt in die richtige Richtung. Sei es bei der Gastronomie, bei Veranstaltungen, Freibädern oder auch bei den Schulen und Kitas – die grün-schwarze Regierung hat mit ihren Vorgaben in den vergangenen Wochen für reichlich Unmut bei Behörden, bei der Bevölkerung oder auch bei Unternehmen gesorgt. Viele Regelungen mussten zwar wegen aktueller Entwicklungen mit heißer Nadel gestrickt werden, etliche Vorgaben waren aber auch deswegen schwer verständlich, weil sich die beiden Koalitionspartner nicht einigen konnten – oder zu wenig die Interessen der Betroffenen im Blick hatten.
Mit der neuen, zentralen Corona-Verordnung hat sich dies geändert. Klare Vorgaben – so lautet das Motto. Alles andere funktioniert auch gerade in einer Phase nicht mehr, in der wegen rückläufiger Infektionszahlen alle Gesellschaftsbereiche wieder hochgefahren werden. Denn im Gegensatz zum Lockdown im März, bei dem es wegen der Angst vor einem schweren Verlauf der Pandemie einen breiten Konsens in der Gesellschaft gab, sind die Meinungen beim Wiederhochfahren vielfältig – und jede Gruppe hat vor allem ihre eigenen Interessen im Blick. In einer solchen Zeit muss die Politik Führungsstärke beweisen – und mit klaren Regeln den Kurs vorgeben.



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