Baden-Württemberg hat rund 35 Millionen Jodtabletten im Vorrat
Nach dem Brand auf dem Gelände des ukrainischen AKW Saporischschja nimmt die Angst vor einem AKW-Anschlag im Krieg zu. Käme es auch in Deutschland zu radioaktiver Strahlung, muss der Katastrophenschutz vorbereitet sein. Ein Blick nach Baden-Württemberg.

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Welche Folgen könnte eine Nuklearkatastrophe in der Ukraine haben? Nach dem Feuer auf dem Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja hat auch der baden-württembergische Katastrophenschutz das Szenario im Blick.
Wie reagiert Baden-Württemberg bei einer hohen Strahlenbelastung nach einer Nuklearkatastrophe?
Das Land hält für die Bevölkerung rund 35 Millionen Jodtabletten bereit. Der Bestand soll ausgegeben werden, falls es zu einer nuklearen Katastrophe mit einer entsprechenden Luftbelastung kommt.
Wie soll die Bevölkerung informiert werden?
Nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums wird die Bevölkerung aufgefordert, bei einem bestimmten Szenario Jodtabletten einzunehmen. Informiert werden soll über Rundfunk- und Fernsehanstalten, Zeitungen, Onlinedienste oder auch die Warn-App Nina.
Was passiert bei einer Nuklearkatastrophe?
Wird ein Kernkraftwerk angegriffen, kann es zur Freisetzung von radioaktiven Stoffen kommen – darunter radioaktives Jod. Dieses wird in der Schilddrüse gespeichert und kann Schilddrüsenkrebs verursachen. Kinder sind laut Experten besonders gefährdet.
Warum helfen Jodtabletten?
Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände kann durch die Einnahme von Jod in hoher Dosierung die Speicherung von radioaktivem Jod verhindert werden. Wichtig ist: Die Tabletten sollen nur dann eingenommen werden, wenn staatliche Behörden die Bevölkerung dazu auffordern. Wird das Medikament eingenommen, schützt dieses allerdings nur davor, dass die Schilddrüse radioaktives Jod aufnimmt. Werden die Tabletten zu früh oder zu spät eingenommen, verfehlen sie ihre Wirkung. Käme es zu einem Horrorszenario mit dem Einsatz von Nuklearwaffen, sind die Jodtabletten jedoch nicht hilfreich. "Sie schützen nicht vor den Folgen der Aufnahme anderer Radionuklide in den Körper, die bei einem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen freigesetzt werden", sagt eine Sprecherin des Innenministeriums.
Wer soll die Tabletten einnehmen?
Die Dosis für Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsenen bis zu 45 Jahren beträgt in der Regel einmalig 130 Milligramm Kaliumiodid. Das entspricht 100 Milligramm Jod. Kindern wird eine geringere Dosis empfohlen. Personen, die über 45 Jahre alt sind, sollen keine hochdosierten Jodtabletten einnehmen.
Wie sollen die Tabletten in Baden-Württemberg verteilt werden?
Die Jodtabletten sollen im Katastrophenfall über die vier Regierungspräsidien in die Kommunen verteilt werden. Für die Verteilung haben die Südwest-Regierungspräsidien ein Konzept mit den Stadt- und Landkreisen erarbeitet.
Sollen Jodtabletten präventiv genommen werden?
"Apotheker raten von der selbständigen Einnahme von Jodtabletten, um sich vor einer vermeintlichen Belastung mit radioaktivem Jod zu schützen, dringend ab" sagt Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. "Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen", erklärt er. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände erklärt, es sei wegen der Entfernung zur Ukraine nicht damit zu rechnen, dass Jodtabletten im Notfall eingenommen werden müssen.
Sind Jodtabletten auch in den normalen Apotheken zu kaufen?
Ja. Es gibt zunächst verschieden dosierte Jodtabletten. Laut Frank Eickmann, Sprecher des Landesapothekerverbands, helfen bei Nuklearkatastrophen nur die hochdosierten Tabletten. Da die eigenmächtige Einnahme des Medikaments sehr heikel sei, entscheide jede Apotheke individuell und nach einem Gespräch, ob sie die Tabletten an Kunden verkaufen. "Viele Apotheken raten den Kunden vom Kauf ab", so Eickmann, der auf den Katastrophenschutz des Landes verweist. Allerdings würden wegen der Lage in der Ukraine immer mehr Kunden versuchen, Jodtabletten zu kaufen. "Wir haben eine erhöhte Nachfrage", sagt Eickmann. Auch eine Sprecherin der Landesapothekerkammer erklärt, dass die Nachfrage in den Südwest-Apotheken zunimmt. Generell seien genügend Jodtabletten vorhanden. Eickmann: "Es macht keine Sinn, die Tabletten zu Hause einzulagern."