Eindeutige Anti-Nazi-Symbole nicht strafbar
Durchgestrichene Hakenkreuze und andere verfremdete Nazi-Symbole dürfen öffentlich gezeigt werden, wenn sie unmissverständlich gegen den Nationalsozialismus gerichtet sind. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden

Das Landgericht Stuttgart hatte ihn wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu 3600 Euro Geldstrafe verurteilt, obwohl seine Ablehnung der Nazi-Ideologie außer Zweifel stand. Der BGH korrigierte das Urteil: Wenn die Symbole „in offenkundiger und eindeutiger Weise“ die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck brächten, dann dürfe deren Gebrauch nicht bestraft werden, sagte der Senatsvorsitzende Walter Winkler bei der Urteilsverkündung. Das Urteil stieß auf einhellige Zustimmung. (Az: 3 StR 486/06 vom 15. März 2007)
Nach den Worten Winklers muss Paragraf 86 a Strafgesetzbuch, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft ahndet, einschränkend ausgelegt werden. Dies gebiete auch die Meinungsfreiheit, die den Protest gegen nationalsozialistische Bestrebungen schütze.
Der Vorsitzende verdeutlichte aber, dass Anti-Nazi-Symbole nur dann nicht strafbar seien, wenn die Nazi-Gegnerschaft für jeden Beobachter auf Anhieb erkennbar sei. Diese Eindeutigkeit sei wichtig, weil sonst eine Lockerung des Paragrafen von der rechtsextremen Szene missbraucht werden könne. „Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern“, sagte Winkler. Denn Rechtsextremisten würden sich schwer tun, Symbole mit einer klaren Anti-Nazi-Aussage zu verwenden, weil sie dies als Verhöhnung ihrer „geheiligten Zeichen“ empfinden würden.
Vertreter aller Parteien begrüßten das Urteil. Die baden- württembergische SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt sprach von einem „Sieg der Demokratie über juristische Griffelspitzerei“. Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, sagte, angesichts des Höchststandes von rechtsextremen Straftaten hätten „Polizei und Justiz wirklich anderes zu tun, als Menschen nachzustellen, die mit friedlichen Mitteln gegen alte und neue Nazis aktiv sind“. Der FDP- Rechtspolitiker Jörg van Essen (FDP) begrüßte es, dass nun Rechtssicherheit bestehe. Der DGB-Landesvorsitzende Rainer Bliesener forderte eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen DGB-Chef Michael Sommer, der vergangenes Jahr bei einer Kundgebung einen Button mit durchgestrichenem Hakenkreuz getragen hatte.
Der Angeklagte Jürgen Kamm aus dem baden-württembergischen Winnenden hatte die Artikel über seinen Online-Shop „Nix Gut“ vor allem innerhalb der Punk-Szene verkauft. Das Landgericht sprach ihn im September 2006 schuldig, weil solche Symbole - ob durchgestrichen oder nicht - möglichst weitgehend aus dem öffentlichen Raum verbannt werden sollten, um einen Gewöhnungseffekt zu vermeiden. Die Bundesanwaltschaft hatte vergangene Woche Freispruch beantragt. (lsw)
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