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Auf der Bühne unschlagbar

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Mannheim - Auf ihrer Abschiedstour wecken die Scorpions Erinnerungen an die 80er Jahre und beeindrucken die gealterte Fangemeinde mit routiniertem Rock. Fazit: Auf der Bühne waren die Scorpions all die Jahre eine Macht, unschlagbar.

Von Andreas Gugau
Es war irgendwann in den späten 80er Jahren, da habe ich mich aufgemacht, mein erstes Rockkonzert anzuschauen. Die Scorpions standen auf der Bühne und ich - gerade irgendwie vom Kind zum Jugendlichen geworden - war mächtig beeindruckt. Mehr als 20 Jahre später stehen die Scorpions am Freitagabend letztmals auf der Bühne der SAP-Arena in Mannheim. Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und die Generalabrechnung zu machen.

Die Band, die sich da vor ausverkaufter Halle präsentiert, ist solide wie ein Brett, nach mehr als 40 Jahren Bühnenerfahrung erfrischend professionell und so gar nicht im Rentenalter. Ist das wirklich die Band, die mehr als 15 Jahre lang musikalisch herumeierte, sich mit einem Experiment nach dem nächsten immer weiter von der Rockmusik und ihren Fans entfernte? Die wegen ihrer Balladen nur noch belächelt wurde und auch sich selbst auf „Wind of Change“ reduzierte, wobei letzteres auch am Freitagabend am heftigsten bejubelt wurde?

Sie ist es und die Hannoveraner geben die Antworten auf drängende Fragen auch selbst. Drei Stücke vom aktuellen Album „Sting in the Tail“ stehen auf der Setlist. Eines weniger als von ihrem Album „Love at first sting“ von 1984, auf dem sich Klassiker wie „Rock you like a Hurricane“, „Big City Nights“ und „Still loving you“ finden. Die Scorpions brennen in Mannheim nicht nur allerlei Knall- und Feuerwerkseffekte ab, sondern eine Show, die des Anlasses würdig ist. Noch mal das Beste aus 40 Jahren Bandgeschichte, wobei die letzten 15 Jahre Gott sei Dank unter den Tisch fallen.

Beeindruckende Videosequenzen

Es waren doch die 80er- und 90er-Jahre, in denen sich die Scorpions in den Gehörgängen festsetzten. Als zum neuen Stück „Raised on Rock“ auf den drei großen Videoleinwänden Sequenzen von der Doku „World Wide Live“ von 1985 zu sehen sind, macht sich bei den Konzertbesuchern, viele im fortgeschrittenen Alter, Glanz in den Augen breit. Sie ist wieder da, die große Zeit des Hardrocks. Und darum geht es, waren doch schon beim Intro Szenen aus dem San Bernadino Valley zu sehen, wo 1983 rund 300 000 Menschen beim US-Festival dem Co-Headliner Scorpions zujubelten.

„Sting in the Tail“ macht den Auftakt, Schlag auf Schlag folgen „Make it Real“ und „Bad Boys Running Wild“. Bei „The Zoo“ gibt’s eine kleine Verschnaufpause, bevor dann auch Sänger Klaus Meine für das Instrumentalstück „Coast to Coast“ zur Gitarre greift. Publikum und Halle sind heiß wie ein Schnellkochtopf. Keine Längen, keine überflüssigen Ansagen. Die Stimmung sprudelt schnell über. Klaus Meine bedankt sich beim siebten Titel, verkündest, dass die Band noch einige Ziele hat, bevor sie die Segel streicht, erinnert an das „Monsters-of-Rock-Festival“ auf dem Mannheimer Maimarktgelände 1986, als die Scorpions als letzte Band auf die Bühne stiegen – nach Ozzy Osbourne, Def Leppard und Bon Jovi.




Schlagzeuger James Kottak trommelt nicht nur einfach ein Solo herunter, er zelebriert 40 Jahre Scorpions, hinter ihm flimmern Videosequenzen, in denen er sich mit viel Selbstironie in die Plattencover der Band eingebaut hat. Fast zehn Minuten lang trommelt er – und muss dabei auch irgendwo Teile der Mikrofonanlage am Schlagzeug demontiert haben. Denn als „Blackout“ folgt, kreischen die Gitarren, Gitarrist Rudolf Schenker hat die verbogenen Gabeln des Albumcovers im Gesicht, aber der Schlagzeuger ist kaum zu vernehmen. Irgendwann taucht ein Techniker auf und dann wird’s auch wieder besser. Kleiner Wermutstropfen, denn eigentlich ist der Sound gut, die Setlist mit einem Balladen-Teil am Ende der ersten Hälfte clever gewählt. Nur Schlagzeugsolo – „Blackout“ - Gitarrensolo von Matthias Jabs, das funktioniert in dieser Reihenfolge nicht, kalte Dusche. Zum Glück ist schon nach zwei Minuten Schluss. „Big City Nights“ folgen, „Still loving you“, „Rock you like a Hurricane“. Das haben sie, gerockt, fast zwei Stunden lang.

Schlussstrich

Und dann ist es Zeit für die Addition unter dem Schlussstrich. Was bleibt? Alternde Männer standen da. Rudolf Schenker zieht manchmal ein Gesicht, als sei er Edvard Munchs Bild „Der Schrei“ entstiegen. Ja und? Die alten Herren hatten etwas dabei, das sich gelohnt hat: 20 Jahre tolle Musik, viele Jahre nicht so tolle Musik haben sie über Bord geworfen. Eine Best-of-Show, die den Namen verdient hat, ein gewaltiges Konzert zum Schluss. Ich habe in Mannheim die Band gesehen, die mich vor 20 Jahren zu ihrem Fan machte. Auf der Bühne waren die Scorpions all die Jahre eine Macht, unschlagbar.


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