Der Turm der Kilianskirche- Ein Stück Renaissance in Heilbronn
Der Westturm der Kilianskirche ist zwar nicht mehr das höchste Gebäude der Stadt, aber in Sachen handwerklicher Qualität und historischer Bedeutung steht er in Heilbronn keinem Bauwerk etwas nach.

Egal ob man vom Kiliansplatz oder von Rathausplatz aus auf die Kilianskirche zu läuft, der Anblick ist beeindruckend. Das wohl bedeutendste Baukunstwerk der Stadt Heilbronn ist nach dem irischen Wanderbischof St. Kilian benannt. Das Prunkstück der Kirche ist der im Jahr 1529 vollendete Westturm der Kirche. Mit knapp 64 Metern Höhe war er damals das höchste Gebäude der Stadt Heilbronn und überragte zum damaligen Zeitpunkt sogar das Ulmer Münster.
Bekannt ist der Kirchturm als der erste mit Renaissanceelementen nördlich der Alpen, außerdem ist er geschmückt mit karikierenden Figuren, mit denen Architekt Hans Schweiner auf die religiösen Missstände seiner Zeit aufmerksam machen wollte.
Aufstieg mit Überraschungen
Betritt man den Kiliansturm, trennen einen 204 Stufen von der offiziellen Besucherplattform. Für eine Gebühr von 2,50 Euro schließen Mitarbeiter des gegenüber liegenden Weltladens die Tür zum Aufgang auf. Begibt man sich allerdings gegen eine freiwillige Spende auf eine der öffentlichen Kirchenführungen, bekommt man auf dem Weg zur Aussichtsplattform noch einige Überraschungen und Details des Kirchturms erklärt und gezeigt.
Die ersten beiden Plateaus, die aus dem Treppenhaus herausführen, dienen völlig unterschiedlichen Zwecken. „Hier spielt regelmäßig der Posaunenchor“, erzählt Kirchen- und Stadtführer Chris Männicke mit Blick auf die erste Plattform. Kommt man bei der Zweiten an, gerät man durchaus ins Staunen: Es summt und brummt aus den Bienenstöcken, die dort aufgestellt sind. „Diese Bienen machen den Kirchenhonig, den man dann im Weltladen kaufen kann“, verrät Männicke.

Das einzigartige Glockenspiel der Kilianskirche
Nimmt man an einer der Themenführung teil, erhält man auch Einblick in das Glockenspiel der Kirche. Neun Glocken sind es an der Zahl, und jede von ihnen hat ihren eigenen Zweck. Eine der Glocken verkündet eine Hochzeit, eine andere, dass jemand verstorben ist, und wieder eine andere die Aufnahme eines neuen Mitglieds in die Kirche. „Das war früher so etwas wie heute die Telekom: ein Mitteilungsservice“, zieht Chris Männicke einen Vergleich. Jeden Samstag um 15 Uhr vereinen sich acht der neun Glocken zu einem klangvollen Zusammenspiel. Die Neunte hat allerdings eine besondere Funktion: Sie ist nur am 4. Dezember um 19.20 Uhr zu hören, um an die Luftangriffe auf Heilbronn an jenem Tag im Jahr 1944 zu erinnern, als die Kilianskirche beinahe vollständig zerstört wurde.

Eine lohnenswerte Aussicht
Ohne weitere Zwischenstopps geht es dann auf die 32 Meter hohe offizielle Aussichtsplattform. Spätestens jetzt hat sich der Aufstieg gelohnt. Egal ob der Blick auf die mit Details bestückte Turmspitze fällt oder über die 47 Kilometer weite Fernsicht schweift, dem Auge ist einiges geboten. Die Stadt nimmt, mit Aussicht auf die Dächer, einen anderen Charakter an als im Vorbeilaufen an den Häusern auf der Straße. Zu sehen ist in der Ferne der Wartberg inmitten der grünen Weinberge, der Stiftsberg und auch die Sternwarte der Experimenta.
Wer die Turmspitze umrundet, sieht die von Hans Schweiner angebrachten Statuen, die alle einen besonderen biblischen Hintergrund haben. Zu sehen ist unter anderem Adam, der einen Apfel isst, und „Hochmut vor dem Fall“, dargestellt von einem Mann, der von seinem Pferd fällt.
Ganz nach oben geht es nicht
Weiter hinauf als auf die mit Antirutschplatten ausgestattete Plattform geht es im Rahmen einer offiziellen Führung nicht. Die steil nach oben führende Spindeltreppe hat den Zweiten Weltkrieg überlebt und ist im Gegensatz zum Rest des Turms nicht ausreichend für Besucher gesichert. Diejenigen, die mit Höhenangst zu kämpfen haben, werden diesen zusätzlichen Höhenmetern allerdings ohnehin nicht nachtrauern.
Dem Landsknecht auf der Spitze des Turms, genannt „Männle“, ganz nah waren 1921 die beiden Elektromonteure Willi Schöller und Leo Wörner. Im Rahmen einer Wette mit 500 Bürgern der Stadt begaben sich die beiden in schwindelerregende Höhen, die sich bei einer Führung des Westturms der Kilianskirche nur erahnen lassen. Für diejenigen, die aber etwas über die Historie der Stadt Heilbronn und ihr vielleicht bedeutendstes Bauwerk lernen möchten, die werden bei einer Führung der Kirche sicher auf ihre Kosten kommen.