Drei Tote in Albstadt-Lautlingen: Nachbarn sind schockiert und traumatisiert
Am Tag nach der Tragödie mit drei Toten in Albstadt-Lautlingen sind die Nachbarn schockiert. Ein Vater schießt auf seine Familie – dass so etwas hier möglich ist, können die Anwohner kaum begreifen.
Mittagspause bei Mey. Der Unterwäschehersteller ist der größte Arbeitgeber im Albstädter Ortsteil Lautlingen. 1800 Menschen leben hier im hübschen Eyachtal zwischen Heersberg, Ochsenberg und Tierberg. Eine Frau setzt sich am Montag mit ihrem Teller draußen auf die Terrasse. Die Sonne blendet sie. „Natürlich ist es das Gesprächsthema Nummer eins heute“, sagt sie. Sie selbst komme nicht aus Lautlingen. „Aber es ist eine Tragödie.“
Mit es meint sie das Familiendrama, das sich am Tag davor im Lautlinger Eisental abgespielt und bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Der 63-jährige Familienvater soll seinen 24 Jahre alten Sohn und seine 84-jährige Schwiegermutter getötet sowie seine 26-jährige Tochter und seine 59 Jahre alte Ehefrau schwer verletzt haben. Danach hat er sich selbst erschossen.
Infos können Sie im Newsblog vom Tattag nochmal nachlesen.
Mord in Albstadt-Lautlingen: Anwohner leiden auch unter der Tat
Die Schüsse im Kleeweg haben am Sonntag mehrere Nachbarn der Polizei gemeldet. Am Vormittag danach wollen die meisten Menschen über die Tat nicht mehr sprechen, die nach ersten Ermittlungen eine innerfamiliäre Angelegenheit ist. Ein Mann im weißen T-Shirt, der schräg gegenüber wohnt, bringt mit Hausschuhen seinen Müll hinaus. „Sorry“, sagt er kopfschüttelnd. „Meine Familie und ich leiden sehr darunter.“
Sie müssen mitansehen, was sie sonst nur aus dem Kino oder dem Fernsehen kennen. Aus Thrillern und Krimis. Es entsteht in kurzer Zeit ein Wimmelbild. Dutzende Polizeiautos, zwei Hubschrauber, Kranken- und Leichenwagen sowie Polizisten, Beamte des Sondereinsatzkommandos, Kriminaltechniker und Pathologen fluten das Idyll auf der Schwäbischen Alb. Die Nachbarn ängstigt, wie schwer bewaffnete und vermummte Polizisten das Haus umzingeln und den Tatort sichern. „Am Anfang dachten wir, als wir die Schüsse hörten, dass jemand zu laut den Fernseher eingeschaltet hat“, erzählt eine Frau auf der Straße. Aber als die vielen Fahrzeuge und Beamte anrücken, wissen sie, dass es keine Fiktion ist, sondern traurige Realität.
Mord an Familienmitgliedern zerstört Idylle in Albstadt-Lautlingen
Eine Realität, die sich die Nachbarn bis dahin nicht hätten vorstellen können. Nicht hier im Eisental, wo sich ein herrlicher Blick öffnet auf die umliegenden Berge und den Aussichtsfelsen Hörnle, der auf fast 1000 Metern liegt. Und die Straßennamen nach Pflanzen benannt sind. Überall stehen große und sehr große Einfamilienhäuser mit großen blühenden Gärten – jeder für sich könnte eine eigene Gartenschau ausrichten. Rosen duften. Es ist eine Ruhe, eine grüne Abgeschiedenheit, die in der Großstadt kaum noch zu finden sind. Und dann eine so entsetzliche und abscheuliche Tat.
„So was habe ich hier für unmöglich gehalten“, sagt eine Frau, die am Tag danach ihren Rasen mäht, ein Mann schneidet die Hecken. Das Leben geht weiter. Aber für die Nachbarn, die unmittelbar gegenüber dem Tatort leben, ist nichts mehr so wie es vorher gewesen ist. „Meine Frau und ich sind schwer traumatisiert“, sagt ein Mann. Sie brauchen nun selbst Hilfe. In seinem Garten ist ein 3D-Scanner aufgebaut. Der Tatort wird genau vermessen, um den Ablauf zu rekonstruieren. „Ihr macht nur euren Job“, sagt er zum Journalisten. „Aber mir geht das ständige Klingeln an der Haustür auf den Sack.“
Bluttat in Albstadt: Motiv des Täters ist weiterhin unklar
Mit Journalisten wollen die Nachbarn nicht mehr sprechen. Sie haben alles, was sie wissen, schon der Polizei erzählt. Es ist nicht viel. Das Motiv des bisher unauffälligen Familienvaters ist weiter unklar.Auch rätselt die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Hechingen und das Balinger Kriminalkommissariat noch darüber, ob der Tatverdächtige, der Jäger war, mit einer oder mehreren Waffen seine Familie mutmaßlich erschossen hat. Ob er sie legal besessen hat.
Techniker der Polizei sind am Montag noch im Haus beschäftigt, in dem die Toten und Schwerverletzten gefunden worden sind. Ein Polizeiauto versperrt die Zufahrt zum Kleeweg, damit die Beamten in Ruhe arbeiten können. Fotografen und Kameraleute nehmen alles auf. Eine Frau mit Hund, die am Grundstück vorbeiläuft, macht sich Sorgen um die Familie. „Wenn die Mutter und ihre Tochter in das Haus zurückkehren, muss das ja die Hölle für die beiden sein“, sagt sie. Sie nehme das alles sehr mit. Sie habe die Familie nur vom Sehen gekannt. „Wir haben uns gegrüßt, aber ned g‘schwätzt.“
FDP trauert um getöteten Politiker nach Mord in Albstadt
Der baden-württembergische Landesverband der FDP hat am Sonntagabend in seiner Instagram-Story um den Sohn getrauert, der Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen Zollernalb-Sigmaringen war. „Heute haben wir nicht nur einen großen Liberalen und engagierten Europäer verloren“, postet die FDP. „Sondern auch einen herzlichen Menschen, den wir alle sehr geschätzt haben und unfassbar vermissen werden. Unsere Trauer ist tief und unsere Herzen sind schwer. Ruhe in Frieden, Felix.“
An der Tankstelle in Lautlingen unterhalten sich zwei Männer über die Tragödie. Sie diskutieren darüber, ob nicht alle Waffen verboten werden müssen. „Auch für Jäger sollte das gelten“, sagt der eine. Das ist eine andere Geschichte.


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