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Asylbewerber
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Abschiebungen verlaufen selten reibungslos

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Polizisten des Polizeipräsidiums vollstrecken abgelehnte Asylanträge und bringen die Menschen zum Flughafen

Die Abschiebegruppe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg sorgt dafür, dass abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen oder an die Landesgrenze gebracht werden. Dort übernimmt die Bundespolizei.
Foto: dpa
Die Abschiebegruppe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg sorgt dafür, dass abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen oder an die Landesgrenze gebracht werden. Dort übernimmt die Bundespolizei. Foto: dpa  Foto: Julian Stratenschulte

Einfühlungsvermögen ist notwendig. „Es ist eine Ausnahmesituation für die Person, die abgeschoben wird“, sagt Bjoern Haug. Deshalb reden die Polizisten, gehen auf die Person ein, geben ihr ausreichend Zeit und legen auf der Fahrt zum Flughafen oder an die Landesgrenze auch mal eine Raucherpause ein. Haug ist Leiter der Abschiebegruppe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Er und seine zehn Kollegen und Kolleginnen sind auch für die Region Heilbronn zuständig. 

1600 Aufträge im vergangenen Jahr bearbeitet

Bjoern Haug, Leiter der Abschiebegruppe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg.
Foto: Jürgen Kümmerle
Bjoern Haug, Leiter der Abschiebegruppe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Foto: Jürgen Kümmerle  Foto: Kümmerle, Jürgen

Haug sagt, es sei eine besondere Arbeit, die nicht jedem gefalle. „Das ist nicht mit dem Alltagsgeschäft eines Polizisten vergleichbar.“ Das fange schon bei den Arbeitszeiten an. Manchmal müsse ein abzuschiebender Asylbewerber frühmorgens zum Flughafen nach München, Leipzig, Berlin, Düsseldorf, Köln oder zum Baden-Airport gefahren werden. „Die Kollegen müssen dann manchmal mitten in der Nacht aufstehen.“ Im vergangenen Jahr bearbeitete die Abschiebegruppe 1600 Aufträge. In diesem Jahr fällt die Zahl vermutlich höher aus. 

In mehr als 90 Prozent seien es Männer, die Deutschland verlassen müssen. Entschieden haben dies die oberste Ausländerbehörden des Landes, das Regierungspräsidium Karlsruhe, abgestimmt mit dem Bundesamt für Migration. Es seien Menschen, die keine Aufenthaltstitel bekommen haben oder die nicht aus einem Kriegsgebiet kommen oder in Deutschland vom Sozialstaat lebten, erklärt der 50-Jährige. Einige von ihnen hätten nie die Absicht gehabt, den Lebensunterhalt in Deutschland selbst zu verdienen, erklärt Polizeihauptkommissarin Yvonne Schächtele (43) von der Pressestelle des Ludwigsburger Präsidiums.

Länder nehmen ihre Landsleute nicht mehr auf

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Ist das Herkunftsland eines Asylbewerbers sicher, droht ihm keine Verfolgung aus politischen Gründen oder aus Gründen der sexuellen Orientierung oder wurde der Mensch straffällig, sind das Abschiebegründe. Haug erklärt: „Erst wenn die Identität geklärt ist, kann man die Abschiebung einleiten.“ Dabei gebe es Länder, die für ihre Landsleute keinen Pass ausstellten. Oder Länder nehmen ihre abgeschobenen Bürger erst gar nicht wieder auf. 

Unerwartet kommt eine Abschiebung nicht. „Die Menschen wissen das zum Teil bereits Jahre im Voraus, dass sie gehen müssen. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass wir da sind, um das jetzt durchzuziehen“, sagt Polizeihauptkommissar Haug. Trotzdem treffen sie nur jeden Zweiten an.

Abschiebungen wie aus dem Musterbuch seien selten

Haug und seine Kollegen informieren die Beamten der Polizeireviere vor Ort. Ein Koffer, Wertsachen und Dokumente darf der Auszureisende mitnehmen. Dann fahren die Beamten der Reviere zur Abschiebegruppe nach Ludwigsburg. Diese begleiten die Person zum Flughafen oder an die Landesgrenze. Weiter nicht. Von da ab übernehmen Beamte der Bundespolizei. Sie bringen die Person zum Flugzeug und begleiten sie auch mal bis in die Heimatländer. Oder Kollegen eines europäischen Nachbarlandes übernehmen an der Grenze, wenn der Auszureisende einen Aufenthaltstitel dieses Landes hat oder sogar deren Staatsbürger ist.

Auch das komme vor. Es gebe auch die Fälle, in denen eine Abschiebung abläuft wie aus dem Musterbuch. „Wir hatten auch schon einen Fall, da stand die Person mit gepacktem Koffer da und hat auf uns gewartet“, sagt der 50-Jährige. Die Regel sei das nicht.

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Stemmen sich Asylbewerber gegen eine Ausreise in einem Linienflug, begleiten sie beim nächsten Mal mehrere Bundespolizisten. Scheitert auch diese Maßnahme, wird extra ein Flugzeug gechartert. Auf den Flug sind mehrere ausreisepflichtige Asylbewerber gebucht. Auch diese Flüge begleiten Bundespolizisten. Etwa 100 Extra-Maschinen seien es im vergangenen Jahr gewesen, erklärt Haug. Dafür fallen Kosten an. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe koste ein Charterflug zwischen 60 000 und 400 000 Euro. Je nach Zielland, Saison oder Größe der Maschine.

Fond und Fahrgastbereich sind abgetrennt

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Die Fahrt zum Flughafen oder an die Landesgrenze findet in einem umgebauten Mercedes Vito statt. Eine Wand trennt Fond und Fahrgastbereich ab. Damit die Beamten überprüfen können, ob mit der Person während der Fahrt alles in Ordnung ist, ist der Bereich videoüberwacht. „Wir prüfen natürlich im Vorfeld, was für eine Person transportiert wird. Ist sie gewalttätig oder ist Drogenkonsum bekannt?“, sagt Haug. Dementsprechend treffe man Vorkehrungen.

Damit sich die Personen nicht selbst verletzten, werden sie bei Bedarf mit Handschellen, Fußfesseln, Bauchgurt und Kopfschutz transportiert. Selbstverletzungen seien nicht unüblich. Je nach Schwere kommen die Menschen ins Krankenhaus, was die Abschiebung verzögert. „Renitente Personen versuchen alles, um der Ausreise zu entgehen“, sagt Haug. Sie koteten sich ein, spuckten oder griffen Beamte an. „Das alles führt nicht dazu, dass die Abschiebung abgebrochen wird“, sagt Haug. Problemlos seien hingegen verurteilte Straftäter. „Mit ihnen haben wir keine Schwierigkeiten. Wenn sie in ihrem Land ankommen, wird die Haftstrafe in Deutschland erlassen.“

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