Wie sieht Prostitution in Heilbronn heute aus?
War früher die Gegend um den Rathenauplatz für die ansässige Rotlicht-Szene bekannt, so hat in der Zwischenzeit in kleinerem Maße eine Verlagerung in die Hafenstraße stattgefunden. Neu ist, dass Wohnungsprostitution floriert.

Es ist im September 1998, als das Bordell H 7 in der Hafenstraße eröffnet wird. Es gibt Champagner und Häppchen. Die ehemals sündige Meile auf der Sontheimer Straße, wo die Bordelle S 3 bis S 7 beheimatet waren, gehört damit nach 25 Jahren endgültig der Vergangenheit an.
Die Neueröffnung hat mehrere Gründe. "Die Firma Knorr war damals noch bedeutender. Es gab Bestrebungen, bordellartige Betriebe dort wegzubekommen", sagt Helmut Semenass, Leiter des städtischen Amtes für Liegenschaften und Stadterneuerung.
Im Vergleich zu den Zeiten auf der Sontheimer Straße spielt das Rotlichtmilieu im Stadtleben heute eher eine untergeordnete Rolle. Das H 7 mit seinen zwölf Zimmern bedient die Nachfrage nach käuflichem Sex bei Weitem nicht. Eine geduldete Wohnungsprostitution hat sich in der Stadt und der Region breit gemacht.
"Verallgemeinernd können wir sagen, dass in den Bebauungsplänen für die Innenstadt jeweils geregelt ist, dass Bordelle und ,Dirnenunterkünfte jeder Art’ unzulässig sind", sagt Anton Knittel, Pressesprecher der Stadt Heilbronn. Bei der Verwaltung seien stets zwischen fünf und zehn Verfahren im Jahr zu baurechtswidrigen Terminwohnungen anhängig.
Wo kein Kläger, da kein Richter, scheint sich so mancher Wohnungseigentümer zu denken. Fälle, in denen die Besitzer die Appartements an vier und mehr Frauen gleichzeitig vermieten, werden bekannt. Die Verwaltung spricht von bordellartigen Betrieben. Anzeigen, in denen erboste Nachbarn die Ämter informieren, häufen sich in den vergangenen Jahren. Unterschriftenlisten gegen Prostitution in Wohnungen in der Innenstadt finden den Weg ins Rathaus. Laut Knittel gehen jährlich rund fünf Beschwerden bei der Baurechtsbehörde ein. Die Zahl sei seit Jahren konstant. "Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass im innerstädtischen Gebiet keine Bereiche existieren, in denen gewerbliche Prostitution in Wohnungen zulässig ist."
Auf einschlägigen Internetseite floriert das Angebot von Prostituierten dennoch. Für Polizei und Steuerfahnder sind die Anzeigen eine ergiebige Quelle. Erstere prüfen, ob Frauen beispielsweise gegen ihren Aufenthaltsstatus verstoßen oder ob gegen diese strafrechtlich Relevantes vorliegt. Mitarbeiter des Finanzamts treiben bei den Frauen Steuern ein. Mit Kontrollen auf dem Straßenstrich tun sich Finanzbeamte schon schwerer. Die Finanzbeamten sagen, die Frauen seien kaum greifbar.
Auf der Heilbronner Hafenstraße hat sich in den vergangenen Jahren ein boomendes Sex-Geschäft etabliert
Die Prostituierten kommen nahezu ausnahmslos aus Südosteuropa. Abend für Abend stehen sie nach dem H 7 abwärts entlang der Hafenstraße. Oft auch schon tagsüber. Gewerbetreibende beschweren sich bei der Stadt. Ihre Kundschaft fühle sich durch die Anwesenheit der Sexarbeiterinnen gestört. Die Verwaltung begrenzt den Strich auf die Abend- und Nachtstunden. Gebietsansprüche tragen konkurrierende Zuhälter mit Macheten und Schreckschusswaffen aus. Die Polizei muss eingreifen.
Steuern einzutreiben ist das eine. Die persönliche Situation der Frauen auf dem Straßenstrich das andere. Gleich zwei Vorfälle beschäftigen die Fahnder in der Region. Im Juli 2013 verschwindet die bulgarische Prostituierte Atanaska Dimitrova Vasileva spurlos. Knapp zwei Jahre später wird ihre skelettierte Leiche in einem Waldstück bei Neuenstadt gefunden. Der Fall ist bis heute ungeklärt.
Der nächste Kriminalfall lässt nicht lange auf sich warten. Drei Monate nach dem Verschwinden Vasilevas nimmt ein Mann eine Prostituierte im Auto mit, fährt mit ihr nach Bad Friedrichshall, schlägt und vergewaltigt sie. Ihr gelingt die Flucht, der Täter ist bis heute nicht gefasst.
Unterdessen wächst der Straßenstrich auf der Hafenstraße kontinuierlich. Mehr und mehr Frauen vornehmlich aus Bulgarien und Rumänien kommen nach Heilbronn. Oft vom eigenen Familien-Clan zum Anschaffen nach Deutschland geschickt. Zunächst bieten die Frauen auf der Straße stehend ihre Dienste an. Zuhälter stellen Wohnwagen auf, in denen Frauen vor Wind und Wetter geschützt werden sollen. Außerdem wollen sie vermeiden, dass Prostituierte den Ort verlassen müssen. Die Verwaltung untersagt die Aufstellung der Wohnwagen im vergangenen Jahr.


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