Parlamentarier aus der Region sammeln erste Erfahrungen in Stuttgart
Seit Mai ist alles anders: Sechs der 13 Abgeordneten aus der Region sind neu im Stuttgarter Landtag. Sie berichten von ihren ersten Eindrücken.

Im neuen baden-württembergischen Landtag ist die Region gut vertreten. Die Wahlkreise Heilbronn, Eppingen und Neckarsulm haben nach der Wahl im März 13 Abgeordnete nach Stuttgart geschickt.
Für Susanne Bay (Grüne), die CDU-Parlamentarier Isabell Huber und Arnulf von Eyb, Nico Weinmann von der FDP und die AfD-Vertreter Carola Wolle, Rainer Podeswa und Anton Baron ist der Stuttgarter Parlamentsbetrieb vertraut, sie waren schon in der vergangenen Legislaturperiode dabei.
Für eine Politikerin und fünf Politiker aus der Region begann mit der konstituierenden Sitzung am 11. Mai ein ganz neuer Lebensabschnitt. Jetzt sind die Büros weitgehend bezogen, Mitarbeiter eingestellt, der Sitzungsbetrieb ist angelaufen. Hier schildern die Sechs ihre ersten Eindrücke auf dem Stuttgarter Politparkett:
Erwin Köhler, Grüne

Der jüngste grüne Abgeordnete im Landesparlament hat viel zu tun: Gerade richtet Erwin Köhler sein Wahlkreisbüro ein. Montage, Freitage und die Wochenenden sind für die Arbeit vor Ort im Wahlkreis Eppingen reserviert. Für sein Büro in Lauffen hat der 26-Jährige Mitarbeiter eingestellt, Laptops und die Einrichtung bestellt.
An die Gepflogenheiten in Stuttgart hat sich Erwin Köhler inzwischen gewöhnt, zum Beispiel daran, dass Männer im Parlament ein Sakko zu tragen haben, wie er erzählt. Köhler ist Sprecher für Jugendpolitik im Sozialausschuss und Sprecher für Kulturpolitik im Ausschuss für Medienwissenschaft und Kunst, hat wöchentliche Fraktionssitzungen und andere Termine. Und er bleibt Stadtrat in Lauffen: "Ich freue mich tierisch, dass das miteinander vereinbar ist."
Viel Arbeit also, aber eigentlich alles "wie erwartet", sagt Köhler. "Es ist keine Überraschung." Er habe sich vorher informiert, was auf ihn zukommt. Ein bisschen aufgeregt sei er am Anfang trotzdem gewesen. "Die eigene Stimme vertritt wirklich die Bürger", sagt Köhler. "Das ist ein besonderes Gefühl."
Michael Preusch, CDU

"Du sitzt hier nicht nur als Michael Preusch, sondern vertrittst den Wahlkreis" - diesen Merksatz hat der frisch gebackene CDU-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Eppingen in seinem Stuttgarter Büro gut sichtbar platziert. "Das muss man bei jeder Entscheidung bedenken", sagt der 45-Jährige. Er ist "beeindruckt" von dem, was in Stuttgart bislang auf ihn einprasselte. Die Informations- und Interessenflut sieht er nicht als Problem an. "Ich kann gut filtern." Als Oberarzt arbeitet der Kardiologe weiter an der Universitätsklinik in Heidelberg, die Arbeit will er nicht missen. "Es ist wichtig, geerdet zu bleiben." Nur in seinem Umfeld bemerkt Preusch eine gewisse Konfusion. Manche wollten einen medizinischen Rat in der Abgeordnetensprechstunde. "Andere sprechen mich in der Klinik auf politische Themen an."
Preusch, der im März über das Zweitmandat den Sprung nach Stuttgart schaffte, ist unter anderem Mitglied im Wissenschafts- und im Sozialausschuss. Schon bei der Sondierung vor der Regierungsbildung war er dabei. "Man hat hier das Gefühl, Teil von etwas zu sein, das etwas bewegen kann."
Armin Waldbüßer, Grüne

Für Armin Waldbüßer war die Wahl im März der dritte Anlauf nach den vergeblichen Versuchen 2001 und 2016. Diesmal klappte es. Mit 27,4 Prozent für die Grünen holte der Obersulmer das Direktmandat im Wahlkreis Neckarsulm und übertrumpfte CDU-Kandidatin Isabell Huber, die es über das Zweitmandat schaffte und mittlerweile Generalsekretärin der Landes-CDU ist. Die "gute Einarbeitung" lobt Waldbüßer nach den ersten Monaten als Landtagsabgeordneter. Fraktionskollegen und Landtagsverwaltung hätten sich als sehr hilfsbereit erwiesen. Drei bis vier Tage pro Woche ist Waldbüßer nun in Stuttgart. Seinen Bio-Lebensmittelmarkt in Obersulm-Willsbach, den er seit 30 Jahren betreibt, führt Waldbüßer weiter. "Das hab ich meinen Kunden versprochen."
Seinen Wählern hat Waldbüßer versprochen, dass er sich für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen will. Auch Verbraucherschutz ist ein Kernanliegen, bei dem Thema ist der Obersulmer Sprecher seiner Fraktion. Im Petitionsausschuss ist er ebenfalls vertreten, will mit dafür sorgen, dass "ein wichtiges Bürgerrecht" wahrgenommen wird.
Klaus Ranger, SPD

Den Spagat zwischen Mandat und Beruf probt Klaus Ranger. Der Obereisesheimer ist auch nach seiner Wahl in den Landtag, den er über das Zweitmandat für die SPD im Wahlkreis Neckarsulm schaffte, weiter in Teilzeit als Immobilienfachmann der Sparkasse beschäftigt. "Ich komme ja aus einem völlig anderen Bereich in den Politikbetrieb", sagt Ranger. Als Gemeinderat in Neckarsulm, Ortschaftsrat und Vorsitzender des Sportkreises Heilbronn ist ihm freilich Gremienarbeit nicht fremd. "Gut strukturiert und diszipliniert" gehe es im Landtag zu, so sein Eindruck. Um Sportpolitik ging es auch in der ersten Rede, die Ranger im Parlament hielt. "Am Anfang war mir ein bisschen mulmig", schreibt er auf seiner Homepage, "das hat sich dann aber schnell gelegt."
Wenn er nicht in Stuttgart weilt, ist Ranger viel im Wahlkreis unterwegs, macht die Runde mit Bürgermeistern, will bald sein Wahlkreisbüro in Neckarsulm eröffnen. Bei seinem Team konnte Ranger auf Mitarbeiter zurückgreifen, die zum Teil schon für SPD-Landtagsabgeordnete aktiv waren. Das Projekt Landtag, sagt er, "ist sehr spannend".
Catherine Kern, Grüne

Die Geduld der Fraktionsmitarbeiter hat Catherine Kern beeindruckt. "Man meint, die haben alle einen Bachelor in Psychologie, weil sie immer so ruhig bleiben", sagt die Öhringerin, die bei der Wahl das Direktmandat im Wahlkreis Hohenlohe holte. Jeder Neuling habe viele Fragen, beantwortet werden sie von den Mitarbeitern oder von Mentoren, die jeder frisch Gewählte bei den Grünen zur Seite gestellt bekommt. "Man fühlt sich in guten Händen."
Ihre Themen hat Kern besetzt, sie ist etwa stellvertretende Vorsitzende im Arbeitskreis Europa und medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Dass von allen Seiten Interessen an sie herangetragen werden, gehört dazu. "Man wird zu allen möglichen Empfängen eingeladen." Kern sagt, sie nimmt solche Einladungen nur an, wenn es thematisch passt.
Die Abgeordnete möchte vor Ort vernetzt sein. "Die Wahlkreisarbeit ist das Allerwichtigste." Einige Funktionen wird sie nicht mehr wahrnehmen können, sie will aber kommunalpolitisch aktiv bleiben. Kreistag und Öhringer Gemeinderat, sagt sie "will ich weitermachen, wenn ich es zeitlich bewältigen kann".
Georg Heitlinger, FDP

Als Kommunalpolitiker im Eppinger Gemeinderat und Ortsvorsteher hat Georg Heitlinger viel Erfahrung. Einige Besonderheiten sind für ihn augenfällig. "Das ist schon sehr gut organisiert hier." Die Begrenzung der Redezeit findet er sinnvoll, das verhindere abschweifende Ausführungen und sorge dafür, dass Sitzungen pünktlich endeten. Aber noch etwas ist anders. Die Arbeit im Gemeinderat ist meist konsensorientiert, Parteipolitik spielt dort keine so gewichtige Rolle. Im Landtag springen Kollegen schon mal auf, äußern ihren Unmut mit Zwischenrufen. "Die Debattenkultur ist ruppiger", beobachtet der FDP-Politiker, der mit einem guten Ergebnis das Zweitmandat im Wahlkreis Eppingen geholt hat. Ärgerlich aus seiner Sicht: "Die Verwaltung ist auf dem Stand von 1990, alles in Papier, das sind Tausende von Blättern."
Der Eppinger ist agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Das liegt nahe, ist er doch der einzige aktive Landwirt im Parlament. Auf dem heimischen Hühnerhof arbeitet er weiter mit - und stand auch schon nach Landtagssitzungen spät abends in Eppingen an der Maschine, um Eier zu verpacken.