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Kaffeespezialitäten sind mehr als nur Wachmacher. Was steckt hinter dem Kult um den Kaffee, der auch in Heilbronn an zwei jungen Orten eine Heimat gefunden hat?

Von Marie-Luise Schächtele
Katharina und James eröffnetem vor Kurzem das Lokal "Erstmal Kaffee" für Kaffeefans. Fotos: Mario Berger
Katharina und James eröffnetem vor Kurzem das Lokal "Erstmal Kaffee" für Kaffeefans. Fotos: Mario Berger

Katharina Mansouri und James Rausi haben gerade zugemacht und räumen auf. Ihr Café, das „Erstmal Kaffee“, befindet sich als Shop im Shop im Geschenkeladen „Tipi“. „Speciality Coffee“ wird der Kaffee, den sie verkaufen, genannt. Anbauprozess und Ernte erfüllen besonders hohe qualitative Standards. Auch die Röstereien rösten langsam und aufwendig. Die „Speciality Coffee Association“ legt die Standards fest. 

Katharina und James arbeiten mit Gaströstereien zusammen, damit die Besucher immer neue Sorten probieren können. Zwei verschiedene Bohnen werden im „Erstmal Kaffee“ angeboten. „Gerade verwenden wir eine süße, vollmundige brasilianische und eine floralere und fruchtigere äthiopische Bohne“, erklärt Katharina. Im Café mahlen Katharina und James die Bohnen für jeden Kaffee frisch, dann bereiten sie ihn zu.

Bewusstsein

Die Bohnen des Kaffees werden in der Biedermanngasse gemahlen.
Die Bohnen des Kaffees werden in der Biedermanngasse gemahlen.

„Das Endprodukt in der Tasse ist von so vielen Faktoren abhängig“, erklärt Katharina. Eines ihrer beliebtesten Getränke ist der Flat White, ein doppelter Espresso mit feinporiger Milch. Das „Erstmal Kaffee“ bietet außer espressobasierten Getränken aber auch Filterkaffee und im Sommer Cold Brew und andere Kaffeedrinks an. Beim Cold Brew handelt es sich um kalt gefilterten Kaffee, der 18 bis 24 Stunden ziehen muss. 

Die Blume aus Milchschaum beherrscht der 29-Jährige im Schlaf.
Die Blume aus Milchschaum beherrscht der 29-Jährige im Schlaf.

Auf zahlreichen Reisen haben sich Katharina und James durch die Coffeeshops europäischer Hauptstädte probiert, Barcelona, Rom, Amsterdam, London, Budapest. Aber auch in der größeren Umgebung Süddeutschlands, in Frankfurt, Heidelberg und Stuttgart, bestellten sie sich durch die Karten. Das Paar, das vorher in Valletta auf Malta lebte, verbindet die Liebe zum Kaffee. Die 26-jährige Katharina hat im Marketing gearbeitet, der 29-jährige James ist Barista und in der Gastronomie aufgewachsen. Vor drei Jahren hatten beide die Idee, ein Café zu eröffnen.

Was bedeutet Kaffee für sie, die Cafébesitzerin? „Entschleunigung“ und eine „Kunst und Wissenschaft für sich“, überlegt Katharina. Er mache Spaß, wenn man sich darauf einlasse.  Katharina will eine Sensibilität für Kaffee wecken, ein Bewusstsein. Kommt die Liebe zum Kaffee in Heilbronn überhaupt an? „Es gibt auf jeden Fall Coffee-Nerds in Heilbronn“, verrät Katharina. 

Genussmittel wie Wein

 Foto: Birkenstock Fotografie

Für Richard Petrick ist Prag eine der europäischen Kaffeehauptstädte. Mit vier anderen Studenten gründete er im vergangenen Sommer das „Kaffee und Kippe“ im Hof des Mobilat im alten Industriegebiet. Kaffee werde beim Spezialitätenkaffee als Genussmittel verstanden wie Wein und Craft Beer, erklärt der 28-Jährige. Der Kaffee werde als Frucht interpretiert. Denn die Kaffeebohne ist eigentlich der Samen der Kaffeepflanze und befindet sich in der Kaffeekirsche. 

Flat White, Cold Brew, Filterkaffee, Ice Latte und Cascara-Eistee: Viele Kaffeedrinks und -cocktails haben die Studenten im vergangenen Sommer für ihre Gäste zubereitet. Auch das „Kaffee und Kippe“ hat den Besuchern wechselnde Sorten angeboten. 

Aromen

„Kaffee hat mehr Aromen als Wein“, erklärt Richard. Er arbeitet seit viereinhalb Jahren auch in der Stuttgarter Spezialitätenkaffee-Rösterei Mókuska, bei der das „Kaffee und Kippe“ seinen Kaffee bezieht, ist dort Quality Manager und Head Barista. Der gelernte Bankkaufmann entdeckte so seine Leidenschaft für Kaffee. Er studiert außerdem Weinmarketing und Management. Sein Praxissemester hat er bei einer Prager Naturweinhandlung verbracht. Nebenher hat er in zwei Röstereien gearbeitet. 

„Kaffee und Wein ähneln sich sehr“, sagt Richard. Der Anbau, aber auch die Verkostung, das Schlürfen. „Speciality Coffee“ komme aus je einem Anbaugebiet oder sogar von einem Bauern, erklärt er. Sonst wird Kaffee, der aus verschiedenen Anbaugebieten kommt, häufig gemischt. Statt auf großen Plantagen wird der Spezialitätenkaffee von kleinen Parzellenfarmern angebaut. „Der Röster hält engen Kontakt zu den Farmern“, sagt Richard.  Er will möglichst ohne Zwischenhändler an den Rohkaffee kommen. Der Geschmack der Frucht, der von Böden, Höhen, Klima und den Tag-und-Nacht-Schwankungen abhängig ist, soll erhalten bleiben so wie beim Wein. 

Neue Kaffee-Wellen

Die Zubereitung von Kaffee ist sehr unterschiedlich.
Die Zubereitung von Kaffee ist sehr unterschiedlich.

Man spricht bei der Konsumhaltung, hochqualitativer Kaffee anzubieten und zu trinken, auch von der dritten Kaffeewelle. Als erste Welle wird die Zeit verstanden, als Kaffee zur Massenware wurde. „Zweite Welle“ wird die Zeit genannt, als sich Coffeehops wie Starbucks mit dem Anspruch ausbreiteten, Kaffee als Genussmittel anzubieten. Bei der dritten Welle wird Wert auf „Direct Trade“ gelegt.

Im vergangenen Sommer kam der Kaffee der Studenten bereits gut an. Und auch für diesen Sommer hatten sie viele Pläne, zum Beispiel, wer hätte es gedacht, ein Kaffee- und Wein-Tasting. Man kann gespannt sein, was sich die Heilbronner Kaffeekünstler noch einfallen lassen.

 




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