Kriegt Heilbronn ein Queeres Zentrum?
Die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn und die LGBTQIA+ Organisation Cheers Queers wünschen sich ein Queeres Zentrum für Heilbronn. Aber wer steckt überhaupt hinter der Organisation? Stimmt!-Schreiberin Lilli fasst alle Infos zusammen.
Der Monat Juni ist traditionell Pride Monat. Eine Feier des Fortschrittes, der Liebe und der Toleranz. Doch gerade in einer Zeit, in der Homosexualität noch immer in 66 Staaten verboten ist, braucht es in diesem Monat nicht nur Feste und Paraden, sondern auch ernste Gespräche. Vor allem braucht es aber Queere Gemeinschaft. Stimmt!-Schreiberin Lilli hat sich mit der Heilbronner LGBTQIA+ Organisation Cheers Queers unterhalten und schreibt über ihre Eindrücke.
Im Juni leuchten an vielen Orten auf der Welt die bunten Farben des Regenbogens. Es ist Pride Monat. Eine Zeit der Akzeptanz, des Respektes und der Unterstützung gegenüber der LGBTQIA+ Community und ein Monat, in dem Liebe und Vielfalt gefeiert werden. Doch die Rechte, die Probleme und die Geschichten queerer Menschen sind nicht nur im Juni wichtig, sondern das ganze Jahr über. Um all diesen Themen einen Raum zu geben, gründete sich im September 2022 die Gruppe “Cheers Queers”, welche seit ihren Anfängen von der Antidiskriminierungsstelle Heilbronn unterstützt wird, jedoch in Zukunft auf eigenen Beinen stehen soll.

Das möchte Cheers Queers in Heilbronn erreichen
Das Ziel des Kollektivs ist es, einen sicheren und geschützten Ort für Mitglieder und Unterstützer der LGBTQIA+ Community zu schaffen. In offenen Treffen können sich Menschen begegnen, die ähnliche Geschichten erlebt haben, die Gedanken, Gefühle und Sorgen teilen. Obwohl sich die Situation homosexueller und transgeschlechtlicher Menschen vor allem in den letzten Jahren stark verbessert hat, sind Mitglieder der queeren Community noch immer täglich Gewalt ausgesetzt. Stimmt! Schreiberin Lilli stellt die LGBTQIA+ Organisation Cheers Queers Heilbronn vor. Ein Appell an die Liebe in all ihren Facetten.
Laut offiziellen Zahlen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat kam es allein im Jahr 2022 in Deutschland zu insgesamt 1422 Hassverbrechen mit den Motiven der geschlechtlichen und sexuellen Orientierung. Genau deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass es Gruppen wie Cheers Queers gibt, um Betroffenen einen Ort zu geben, an dem sie sich öffnen und ganz authentisch sie selbst sein können. Auf die Teilnehmenden wird geachtet, Inhalte werden, wenn nötig, mit Warnhinweisen versehen, Einzelgespräche über Themen wie psychische Gesundheit, die in der queeren Community eine große Rolle spielen, werden angeboten und bei Bedarf werden die Betroffenen an Beratungsstellen weitergeleitet. Niemand bekommt das Gefühl, mit den eigenen Problemen allein zu sein, und darauf kommt es doch an.
Mit dem klassischen Familienbild aufräumen
Die Gemeinschaft kann jedoch auch ein Ort sein, an dem jeder die eigene Identität noch genauer und tiefer erforschen darf. In den Treffen können die Teilnehmer neue Pronomen ausprobieren, alle Beteiligten bekommen die Chance, sich selbst genauer kennenzulernen und gleichzeitig auch sich und andere weiterzubilden, beispielsweise über geschlechtsneutrale Sprache, Feminismus oder Geschlechterrollen. Die Gruppe erlaubt sich gegenseitig Fehler zu machen und dazu zu lernen. Denn niemand ist perfekt und es ist völlig in Ordnung, sollte einem mal die falsche Anrede herausrutschen oder Ähnliches. Was zählt ist, wie mit einem solchen Fauxpas umgegangen wird. Einfach entschuldigen, weitermachen und versuchen, den Fehler nicht zu wiederholen.
Denn anders als viele denken, ist es nicht das Ziel der LGBTQIA+ Community, Menschen für ihre Unwissenheit bloßzustellen, sondern vielmehr, sie zu bilden und so für eine offenere und gerechtere Welt zu sorgen. Auch eine Welt, in der die klassische Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter, Kind, nicht die einzig mögliche Lebensform ist. Beziehungen und Liebe können ganz anders funktionieren, als es in den meisten Büchern, Serien oder Filmen dargestellt ist. Und diese Vielfalt macht die Welt doch viel bunter. Themen wie diese werden in den Meetings von Cheers Queers besprochen.
Jeder kann dabei sein
Doch es wird nicht nur ein Raum für Mitglieder der queeren Community geschaffen, jeder ist herzlich eingeladen. Auch sogenannte Allies, also heterosexuelle und cisgeschlechtliche Menschen, die gewillt sind dazuzulernen und die LGBTQIA+ Bewegung unterstützen möchten. Doch wie kann man ein Ally, also ein Verbündeter, sein? Als erstes ist es unglaublich wichtig, Betroffenen zuzuhören und offen auf sie und ihre Geschichten zuzugehen. Genauso relevant ist es aber auch, zu akzeptieren, dass queere Personen aufgrund ihrer Identität und der strukturellen Diskriminierung, die sie erfahren, eine völlig andere Lebensrealität haben.
Was auf heterosexuelle Personen völlig absurd wirkt, ist für queere Menschen Alltag. Es gibt beispielsweise extra queere Reiseführer- und büros, weil ein schwules oder lesbisches Paar in viele Länder nicht reisen kann, da Homosexualität dort strafbar ist. Allies sollten zudem eine gute Portion Zivilcourage mitbringen. Queere Menschen sind nur Menschen, Sie brauchen keine spezielle Behandlung und müssen auch nicht auf ein Podest gestellt werden. Und trotzdem tut es gut zu wissen, dass man unterstützt wird, sollte man in der Öffentlichkeit blöd angepöbelt werden. Es tut gut zu wissen, dass man nicht allein damit fertig werden muss. Am wichtigsten ist beim Unterstützen der LGBTQIA+ Community aber eigentlich ganz einfach Respekt und Nächstenliebe, denn alles andere kommt dann von allein.
Ein queeres Zentrum für Heilbronn?
Cheers Queers steht gerade erst am Anfang und doch bekommt die Gruppe schon jetzt viel positives Feedback, was noch mehr zeigt, wie hoch der Bedarf an einem queeren Safespace in Heilbronn war. Und es geht weiter: Die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn und Cheers Queers wünschen sich ein Queeres Zentrum für Heilbronn, so wie es schon in anderen deutschen Städten existiert. Gemeinsam denken sie darüber nach, wie ein solches Zentrum umgesetzt werden könnte. Cheers Queers ist auch mit einem Infostand am 28. Juni im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Sommer der Vielfalt” vertreten. Für alle Kulturinteressierten gibt es am 30. Juni einen Poetry Slam in der Maschinenfabrik Heilbronn und am 15. Juli findet das nächste offene Treffen der Gruppe statt, zu dem herzlich eingeladen wird. Für alle Informationen können sich Interessierte einfach an die Instagram-Seite der Gruppe @queers_hn oder speziell für jüngere Menschen an 4 young Queers (@4youngqueers_hn) wenden und sich informieren.
Es sind Organisationen wie Cheers Queers, die ganz lokal zeigen, wie wunderschön und unterschiedlich Menschen sind und wie vielfältig und farbenfroh die Welt sein kann, wenn wir lernen, die Andersartigkeit anderer und unsere eigene zu akzeptieren und bedingungslos zu lieben. Wenn wir mit Empathie und Verständnis aufeinander zugehen und laut sind für Toleranz und Nächstenliebe. Wenn wir nie aufhören zu lernen und uns weiterzuentwickeln, weil es uns wichtig ist, dass sich unsere Mitmenschen wohlfühlen. Denn völlig egal ob nichtbinär, trans, lesbisch, bisexuell oder schwul: Am Ende des Tages sind wir doch alle nur Menschen, die sie selbst sein wollen. Die den Wunsch haben, akzeptiert zu werden und sich selbst akzeptieren zu können. Wenn wir im Juni also auf die Straße gehen, dann tun wir das für die Liebe und wir werden so lange für sie laut sein, bis aller Hass besiegt ist.
Ein kleines queeres Lexikon
LGBTQIA+ Community / LSBTQIA+ Community: Hierzu gehören all die Menschen, die sich nicht als heterosexuell oder cis-geschlechtlich identifzieren. L steht hier für lesbisch, G für gay, also schwul, das B beinhaltet bisexuelle Menschen, T steht für transgeschlechtlich, I für Intersexualität (Personen, deren biologische Geschlechtsmerkmale nicht klar in männlich oder weiblich kategorisiert werden können), A steht für Asexualität, also Menschen die kein Interesse an Sexualität verspüren.
Queer: Queer ist alles, was nicht der mehrheitsgesellschaftlichen Norm entspricht, also Menschen, die nicht heterosexuell oder cis-geschlechtlich sind.
Cis/ Cisgeschlechtlich: Cis beschreibt eine Person, die sich mit dem Geschlecht identifiziert, das ihm/ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. Das Gegenteil von cis ist trans.

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