Einblicke in Schießkeller und Co. beim Polizeipräsidium Heilbronn
Was ist dran am Mythos guter Cop – böser Cop, gezückter Knarre und der ständigen Gefahr im Nacken? Wie sieht Polizeiarbeit wirklich aus? Einblicke gibt das Polizeipräsidium Heilbronn bei der Langen Nacht der Bewerber.

Einmal total cool wie bei „Alarm für Cobra 11“ über die Autobahn brettern und Gangster zur Strecke bringen? Oder doch lieber eher gemütlich wie die Rosenheim-Cops ermitteln, um Verbrechern mit Verstand das Handwerk zu legen? Was ist dran am Mythos guter Cop – böser Cop, gezückter Knarre und der ständigen Gefahr im Nacken? Wie sieht Polizeiarbeit wirklich aus, und welche Karrieremöglichkeiten gibt es?
Knapp über 170 junge Leute haben das jüngst in sechs Stationen bei der Langen Nacht der Bewerber im Polizeipräsidium Heilbronn erfahren.
Bewerberaktion findet zum zweiten Mal in Heilbronn statt
Nachwuchs ist dringend gefragt, nachdem die Pensionierungswelle anrollt und der Fachkräftemangel auch vor der Polizei nicht Halt macht. Nach 2022 findet die Bewerberaktion zum zweiten Mal in Heilbronn statt. Zeitgleich in allen 13 Polizeipräsidien des Landes. Allein für den gehobenen Dienst, sagt Agnes Hartwig, Einstiegsberaterin sowie Referentin für Aus- und Fortbildung: „In diesem Jahr sind 1150 Bewerber eingestellt worden, im kommenden Jahr sollen es noch mal 1300 werden.“
Polizeipräsident Frank Spitzmüller freut sich, dass aus seinem Zuständigkeitsbereich im Stadt- und Landkreis Heilbronn, Neckar-Odenwald, Hohenlohe und Main-Tauber – immerhin der flächenmäßig größte in Baden-Württemberg – so viele gekommen sind. Er versichert: „Ein interessanter Beruf, bei dem einem nie langweilig wird und man mitten im Leben steht.“ Zumal es viele Möglichkeiten gibt, sich weiterzubilden. So hat auch er 1996 nach Beendigung der Ausbildung erst mal als Streifenbeamter angefangen.
Körperliche Fitness, Verfassungstreue und eine weiße Weste sind nur einige Punkte

In 30 Monaten zum Polizeiobermeister im mittleren Polizeivollzugsdienst oder in 45 Monaten das Bachelorstudium zum Polizei- oder Kriminaloberkommissar im gehobenen Polizeivollzugsdienst: Wie das funktioniert, erklärt Reiner Marczinski beim Vortrag. Schulabschluss- und Notenvoraussetzungen, körperliche Fitness, Verfassungstreue und eine weiße Weste sind nur einige Punkte. Gut zu wissen: Wer in seiner dreijährigen Ausbildung und danach durch überdurchschnittliche Leistungen glänzt, kann den Schritt vom mittleren in den gehobenen Dienst schaffen. Dazu gehört auch Paragrafen pauken. Nicht unerheblich: Schon im ersten Jahr als Anwärter im mittleren Dienst gibt es 1350 Euro, im gehobenen Dienst noch mal 50 Euro mehr.
An den weiteren Stationen geht es um das, was in Blockbustern fernsehverträglich aufbereitet ist. Im Polizeipräsidium eben nur in echt. So wartet Familie Schläger im heimischen Wohnzimmer mit Whiskeyflasche und Machete auf. Hier wird Deeskalation geübt. „Die Ausbilder spielen immer die Täter“, macht Miriam Bauer klar.
„Beherrschung ist angesagt, egal, was das Gegenüber macht“
Neben dem großen Außengelände in Neckarzimmern steht in den Heilbronner Räumlichkeiten das Abwehr- und Zugriffstraining an. Nicht in Rambo-Manier, sondern nach genauen Regeln. Auch wenn sich das polizeiliche Gegenüber in freier Wildbahn längst nicht immer daran hält. So beim Training mit dem 600 Gramm schweren Schlagstock. Kopf, Wirbelsäule und Genitalbereich sind absolut tabu.
„Beherrschung ist angesagt, egal, was das Gegenüber macht“, erklärt sie. Sonst könne es bis zu Disziplinarverfahren, Entlassung und Vorstrafe gehen. „Willentliche Körperverletzung wird bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.“
In die Polizeiausrüstung schlüpfen
Die Gefahr, nicht zu wissen, was einen erwartet, ist immer da. Deshalb steht der Selbstschutz ganz oben. Dazu gehören auch Gürtel, Holster, Handschließen, Pfefferspray und der 1,6 Kilogramm schwere Helm. Ömer Faruk Ucar traut sich, die komplette Ausrüstung anzuziehen. Der 19-jährige Johann-Jakob-Widmann-Schüler, der die Fachhochschulreife anstrebt, verwandelt sich in zwei Minuten in einen einsatzfähigen Polizisten. „Fühlt sich gut an“, urteilt er.
Warum er sich neben schulischen Voraussetzungen und Interesse vorstellen kann, Polizist zu werden? „Ich kann gut mit Stress umgehen“, versichert er. Über Kontakte hat er von der langen Bewerbernacht erfahren und will sich rechtzeitig für 2025 informieren.
Einblicke in den Schießkeller
Im Schießkeller erklärt Manfred Schmötzer das Training mit der Waffe für fertig ausgebildete Kollegen. 40 Stunden jährlich mit den Schwerpunkten Schießen, Abwehr- und Zugriff, Amok und erste Hilfe sind für den Streifendienst Pflicht. Allerdings ganz klar in der Hoffnung, „dass man die Waffe nie braucht“ und Schießen als absolut letzte Lösung.
Gar nicht so einfach ist in seinem Quiz, herauszufinden, welche der Waffen echt oder nur Fake ist. Im Einsatz auch für Polizisten nicht. Deshalb sein eindringlicher Hinweis: „Bitte nicht mit Anscheinswaffen draußen herumspazieren.“ Das könnte schnell ins Auge gehen.
Kriminaltechnik immer wichtiger

Während die Polizisten der Prävention die Interessenten per Simulationsbrille die Volltrunkenheit am eigenen Leib erfahren lassen, legen ihre Kollegen von der mit rasant zunehmenden Möglichkeiten immer wichtiger werdenden Kriminaltechnik eine heiße Spur. Eine Teilnehmerin tritt mit dem Schuh auf eine Holzplatte. Nichts zu sehen. Trotzdem wird die Schülerin als potentielle Räuberin überführt. Ein spezielles Licht und die Abnahme per Folie machen es möglich.
Bilder von echten Fällen haben die Autobahnfahnder dabei, die im Auto oder auf dem Motorrad zumeist am Weinsberger Kreuz auf ihre Klientel warten. Die in Ermangelung von Fluchtmöglichkeiten meist einsichtig und geständig ist, wie Nathalie Prediger und Lukas Pfeifer betonen.
Koks, Marihuana oder Kabelstücke im Kofferraum

Jede Menge Koks, Marihuana oder Kabelstücke im Kofferraum, geklaute Smartphones in der Rückenlehne, Riesensummen zur Geldwäsche oder Kamera-T-Shirts für Führerscheindummies. Auch bei den mitgebrachten Gegenständen gibt es nichts, was es nicht gibt. Goldene Ringe, die am Schnürchen schnell zum Schlaggerät werden oder, für geneigte Drogenkonsumenten, der Fake-Penis mit Fremdurin zum Umschnallen.
„Spannend“, findet Jessica Nennstiel aus Bad Wimpfen. Für die 13-Jährige, die von Mutter Diana begleitet wird, steht nach der langen Bewerbernacht umso mehr fest: In ein paar Jahren wird es der Polizeiberuf sein.
Gut zu wissen
Weitere Möglichkeiten, den Polizeiberuf kennenzulernen, gibt es bei Informationsvorträgen jeweils ab 17 Uhr in den Polizeirevieren Eppingen (13. November), Tauberbischofsheim (27. November) und Mosbach (4. Dezember). Ein Tag bei der Polizei steht am 25. April 2024 beim Girl’s und Boy’s Day an. Infos unter www.girls-day.de.
Eine Praktikumswoche bei der Polizei ist im Rahmen von BORS/BOGY sowie persönliche Beratungsgespräche bei vorheriger Terminabsprache unter Telefon 07131 104-1212 oder E-Mail heilbronn.berufsinfo@polizei.bwl.de möglich.

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