Wo Treue als Wert hoch im Kurs steht
Das erste halbe Jahr im Cap-Markt ist gut über die Bühne gegangen

So etwas wie Alltag, morgens aus dem Haus gehen, den Tag bei der Arbeit verbringen und am Monatsende ein Gehalt auf dem Konto, das hatten Roland Pava und Michael Hildmann schon lange Zeit nicht mehr. Der Neckarwestheimer Cap-Markt ist für die beiden Männer nach Jahren wieder die erste Anlegestelle auf der langen Durststrecke der Arbeitslosigkeit.
Am 24. Mai 2006 war die Premiere: Der Cap-Markt, zentral in Neckarwestheim neben dem Rathaus gelegen, öffnete seine Türen - der Vorgänger-Laden Ums Eck hatte dicht gemacht. Ohne die Heilbronner Aufbaugilde, die den Laden betreibt, hätten die Neckarwestheimer ihren einzigen Vollsortimenter verloren.
Ein halbes Jahr ist vergangen, das auch für Judith Grünberg spannend war. „Marktleiterin im Neckarwestheimer Cap-Markt gesucht“, so begann für sie das neue Kapitel. „Diese einmalige Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen“, erinnert sich die 25-Jährige und wechselte vom Gemminger Markt nach Neckarwestheim. Die Verantwortung ist groß, der Umgang mit den Kunden will geübt sein. Wer noch dazu mit Geduld ausgestattet ist, bringt für diesen Job eine gute Voraussetzung mit, denn es muss viel erklärt werden. „Im Großen und Ganzen läuft es ganz gut“, fällt für Judith Grünberg die Bilanz positiv aus. Das siebenköpfige Team hatte Zeit zusammenzuwachsen.
Für die Neckarwestheimer hat sich seit Mai nicht nur die Optik des Ladens verändert. Alles ist umgeräumt, das Sortiment verbessert und für Kunden will man ein offenes Ohr haben. Der Cap-Markt hat einen Bring-Service von Lebensmitteln im Programm.
Kunden, die einen ansprechen und etwas wissen wollen, daran hat sich Roland Pava erst gewöhnen müssen, nicht nur weil er 20 Jahre lang mit Ohrenschützern gearbeitet hat und sein Gegenüber in der Druckerei eine Maschine war. Der alte Job ging eines Tages aus Gesundheitsgründen nicht mehr. Und dann das: Mit 47 einen neuen Job suchen? In dem Alter? Bewerbungen? Arbeitsagentur? „Aussichtslos“. Dann kam der Neustart, und das „Daheimhocken“ hatte eine Ende.
Die Heilbronner Aufbaugilde und der erste Arbeitstag am 4. Dezember im Neckarwestheimer Cap-Markt verfrachteten Roland Pava glücklicherweise wieder in so etwas Ähnliches wie Alltag. Der 1,50-Euro-Jobber hat einen Jahresvertrag bekommen.
Sein Kollege Michael Hildmann ist schon länger dabei. Seit Juli des vergangenen Jahres trifft man ihn immer wieder an der Kasse im Cap-Markt an. Bei ihm war es ein Unfall, der gesundheitliche Spuren hinterlassen hat. Seine Schulter ist kaputt, mit dem Gehen hat er Mühe und schwere Dinge kann er gar nicht mehr heben. Der 40-Jährige ist momentan der einzige Gehandicapte im Neckarwestheimer Team. „Ein Kaufmann mit Leib und Seele“ sei er und würde gerne noch mehr arbeiten. Im Moment ist der Mann aus Bad Rappenau auf 400-Euro-Basis tätig.
Gut ein Jahr war der 40-Jährige zuvor arbeitslos. Diese Situation, sich immer wieder zu bewerben, mal eine Absage zu bekommen, dann gar keine Antwort, das hat „irgendwo frustriert“.
Michael Hildmann kommt gerne zum Arbeiten in den Cap-Markt: „Jeder ist für jeden da“, sagt er. In den Räumen werde der persönliche Draht zur Kundschaft gepflegt. „Man hört ihnen zu und versucht ihnen zu helfen“, berichtet der Einzelhandelskaufmann. Für einige ältere Menschen sei der Laden oft die einzige Möglichkeit, mit jemandem zu reden.
Das Team hat sich eingespielt: „Wir ergänzen uns, was der eine nicht weiß, weiß der andere“, sagt Roland Pava. Elfride Drotleff und Franziska Bergmann haben schon im Vorgänger-Laden mitgearbeitet. „Jetzt kommen wieder mehr Leute“, weiß Elfride Drotleff und spricht etwas an, das sich mittlerweile geklärt haben dürfte: „Manche Leute haben sich das mit dem Cap-Markt schwieriger vorgestellt als es ist.“ Auch Neckarwestheims Bürgermeister Mario Dürr ist zufrieden: „Es läuft besser als vorher, was nicht heißt, dass es nicht noch besser sein könnte.“
