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Ein Seitensprung kann kein Kündigungsgrund sein

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Eine Landkreisgemeinde will ein außereheliches Verhältnis eines Mitarbeiters mit einer Kollegin nicht dulden und den Mann fristlos entlassen

Von Steffen Becker

Von Steffen Becker

„Sie haben in diesem Fall strengere Sittenmaßstäbe angelegt, als es die katholische Kirche in ihren Arbeitsverträgen tut“, stellt Arbeitsrichter Stefan Fiebig in Richtung des Bürgermeisters fest. Dieser hatte einem Mitarbeiter gekündigt, weil er ein außereheliches Verhältnis mit einer jüngeren Kollegin eingegangen war und dabei auch die treibende Kraft gewesen sein soll. Der Mann ist Mitte 40, die Frau Anfang 20. Ein solches Verhalten wollte die Gemeinde in ihren Reihen nicht hinnehmen. Dazu hatte sie aber keinerlei rechtliche Grundlage, wie Richter Stefan Fiebig gleich zu Anfang klar machte.

Das Arbeitsrecht lässt nicht zu, dass eine Gemeindeverwaltung päpstlicher ist als der Papst. Eine Beziehung unter erwachsenen mündigen Bürgern ist deren Privatsache. Sie gehört in die vom Grundgesetz geschützte Intimsphäre. „Solange sie nicht gegen Gesetze verstoßen, dürfen die Leute nach ihrer Façon glücklich werden.“ Dass ein Arbeitgeber dieses Prinzip in einer solchen Weise verletze, sei ihm bisher noch nicht untergekommen, sagt Fiebig.

Der Gekündigte klagte daher auch sofort gegen die vergangenen Monat ausgesprochene fristlose Kündigung aus Verhaltensgründen. Zuvor hatte er sich schon geweigert, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Seine Stelle in dem Ort will er allerdings nicht wiederhaben. Ihm geht es um eine Abfindung. Auch die Gemeinde will die Sache nun schnell vom Tisch haben. Öffentlich will der Bürgermeister die Angelegenheit nicht kommentieren.

Bereits im Vorfeld des Gütetermins am Arbeitsgericht hatten beide Seiten einen Vergleich vereinbart. Kein Wort mehr von Seiten der Gemeinde, dass der Kläger Fachvorgesetzter seiner Freundin war und außerdem seine Arbeitspflichten verletzt habe, weil er im Dienst SMS an sie verschickte und sie in einer Pause umarmt hatte. Diese Argumentation hätte laut Fiebig ohnehin nichts gefruchtet. „Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen mögen problematisch sein, verboten sind sie jedoch nicht.“ Und eine Verletzung von Arbeitspflichten in diesem Ausmaße rechtfertige allenfalls eine Abmahnung.

Der Kläger konnte aufgrund dieser Sachlage bei der Abfindung das Doppelte des üblichen Abfindungssatzes für sich herausholen. Er bekommt ein Bruttomonatsgehalt pro Jahr seiner Tätigkeit. Die Gemeinde verpflichtet sich darüber hinaus, die fristlose in eine betriebsbedingte Kündigung umzuwandeln. Und schließlich muss ihm der Bürgermeister laut Vergleich ein wohlwollendes Zeugnis für seine Arbeit ausstellen. Richter Fiebig diktierte im Gerichtssaal schon mal die genauen Formulierungen. Eine davon wird lauten: „Sein Verhalten war stets einwandfrei.“

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