Weihrauch ist alles andere als dicke Luft
Über das schöne Gerücht, in der Sontheimer St.-Martinus-Kirche werde allzu gern geräuchert
O je, mir schwant Schlimmes", dachte Pfarrer Kai Vogelmann, als der Chor am Ostersonntag in der St.-Martinus-Kirche das Credo anstimmte. Das Kreuz! Vor lauter Weihrauch war es schier nicht zu sehen. Das ist natürlich arg übertrieben. Aber tüchtig geräuchert haben die Ministranten schon."Bei uns versticksch in der Kirch'", behaupten die Sontheimer und lachen vergnügt dabei. So schlimm kann's also auch wieder nicht sein. Ihr Pfarrer nennt es knitz ein Gerücht, dass er eine leidenschaftlichere Beziehung zum Räuchern pflege als seine Kollegen andernorts. "Das haben die Minis in der Hand." Sie "heizen" das Weihrauchfass, sie löffeln die bunten Harzperlen auf die glühende Kohle, sie laden nach.Dass sie an Ostern vielleicht ein bisschen übertrieben haben, will der Pfarrer gar nicht abstreiten. Schließlich hatten die eifrigen Rauchjungen ihm schon während des Gottesdienstes leis' und heimlich und mit einem breiten Grinsen zugeflüstert, wie sie das allenthalben riech- und sehbare Wunder vollbracht haben: "Wir haben auch ein bisschen Weihrauch unter die Kohle gelegt." Daher wehte also der Rauch.Vor dem Gottesdienst setzen die Ministranten in der Sakristei - unter den Augen der Messnerin - das Weihrauchfass in Betrieb. Zuerst bringen sie auf einer Miniherdplatte die Kohletablette mit der Vertiefung zum Glühen. Die legen sie in das silberne Fass, streuen ein, zwei Teelöffel Weihrauch drauf und - gleich raucht es. Die Ministranten sind startklar.Pontifikal heißt der Sontheimer Weihrauch. Kai Vogelmann schwört auf seine Qualität: "Da wird's den Leuten nicht schlecht." Sicher, es gäbe immer welche, die, kaum sehen sie das Weihrauchfass, demonstrativ zu hüsteln beginnen. Und er gesteht lachend: "Wir haben uns auch schon verschluckt daran." Da spürt er dann, was die Leute denken: "Ha, der Pfarrer verträgt es selber net."Wovon selbstverständlich keine Rede sein kann. Ausgezeichnet bekommt dem Sontheimer Pfarrer der Weihrauch. "Von einer belebenden Wirkung, also manche sagen, er könnte einen antörnen", hat er indes noch nichts bemerkt. "Aber wenn ich Halsweh habe, merke ich, das tut mir gut. Das befreit irgendwie. Es ist auf jeden Fall was Gutes."Das wussten schon die vornehmen Leuten in der Antike. Sie ließen Sklaven mit Rauchpfannen vor sich einherwandeln, der gute Duft sollte alles Übelriechende übertönen. Die Reichen wollten nur Gutes riechen. Und weil es so kostbar war, wurden Rauchopfer auch den antiken Göttern dargebracht, erklärt der Pfarrer. Erst um 800 sei in der weströmischen Kirche der Weihrauchbrauch wieder aufgekommen.Dreimal raucht's im katholischen Gottesdienst und jedesmal aus gutem Grund. Beim Einzug werden Altar und Kreuz beweihräuchert, "um Christus die Ehre zu bringen". Bei der Verkündigung des Evangeliums interpretiert Kai Vogelmann den Rauch gleich dreimal symbolisch: Er breitet sich aus wie das Wort Gottes, er demonstriert, wie wertvoll das Evangelium ist, und durch den Rauch kann man spüren und schmecken, was da verkündigt wird. Bei der Eucharistie enthebt der Rauch die Gaben der Welt, sie werden zu etwas Besonderem. Genauso geht es der Gemeinde, wenn der Weihrauch über sie zieht: "Ihr seid wichtig", heißt das, "ohne euch ist keine Gemeinde. Der Rauch macht Unsichtbares sichtbar, sagt Vogelmann: "So wie der Rauch durch jede Ritze dringt, so ist Gott überall, so steigt unser Gebet hoch zum Himmel."Was aber ist, wenn zu viel Rauch aufsteigt? Der Pfarrer lacht. "Glaube muss mit allen Sinnen erfahren werden, und er muss Freude machen." Wer will denn fröhlich entfachten Rauch ersticken? Kai Vogelmann denkt gar nicht daran.