Siegelsbach: Was im schriftlichen Urteil steht (12.09.06)
Der Freispruch für Bäckermeister Alfred B. liegt nun Schwarz auf Weiß vor - Auszüge aus dem 175-seitigen Dokument

Das Motiv der Tat sei, dass er den ihm drohenden finanziellen Ruin habe abwenden wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kam die Kammer nicht zu der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung, dass der Angeklagte die vorgenannte Tat begangen hat. (...) Hierbei übersieht die Kammer nicht, dass eine Vielzahl von Umständen für die Täterschaft des Angeklagten sprechen. Gleichwohl verbleiben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. (...)
Die Kammer ist überzeugt, dass der Schwiegersohn des niedergeschossenen Hermann C., der Polizeibeamte P., dem ermittelnden Kriminaloberrat nicht geschildert hat, was Hermann C. ihm berichtet hat, sondern geschildert hat, wie er - P. - sich den Tatablauf vorgestellt hat. Gegenüber dem Kriminaloberrat - hiervon ist die Kammer überzeugt - hat er jedoch klar und deutlich, der Wahrheit zuwider, gesagt, dass er die Informationen über den Sachverhalt von Hermann C. habe. (...)
Beide Sachverständigen haben die Bedenken der Kammer an der Zuverlässigkeit der Aussage des Zeugen C. hinsichtlich der Täterschaft des Angeklagten bestätigt. Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass C. den Angeklagten sicher als Täter erkannt hat. (...) Beiden weiteren polizeilichen Vernehmungen des Zeugen Hermann C. liegt die Sicherheit, den Täter bereits festgenommen zu haben, zugrunde. Ausgangspunkt der Vernehmungen war nicht, abzuklären, ob der Angeklagte als Täter in Betracht kommt, sondern dies wurde als feststehend vorausgesetzt. (...)
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aussagen des Bankmitarbeiters Torsten M. durch Fremdinformationen beeinflusst worden sind, ist sehr hoch. Die durchgeführte Lichtbildervorlage ist vor dem Hintergrund zu bewerten, dass Torsten M. nicht gefragt wurde, ob er den Täter, sondern ob er den Bäcker B. auf den Lichtbildern erkennen würde. (...) Aus dem Umstand, dass Torsten M. nach dem Angeklagten getreten haben will und bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des Angeklagten am 8. Oktober 2004 eine Verfärbung im Bauchbereich festgestellt wurde, lässt sich nicht zwingend schließen, dass die Schilderung des M. so zutreffend ist.
Bluterguss am Bauch des Bäckers beweist Tritt nicht
Dass anlässlich der Durchsuchung des Wohnhauses und der Nebenräume des Angeklagten Bargeld in Höhe von insgesamt 20 527,80 Euro sichergestellt wurde, lässt ebenfalls keinen sicheren Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten zu. Bei der Tat am 7. Oktober 2004 wurden 33 514 Euro entwendet. (...) Bei dem Angeklagten wurden insgesamt 20 527,80 Euro sichergestellt. Ferner zahlte der Angeklagte am 7. Oktober 2004 10 000 Euro (bei der Volksbank) ein. Eine weitere Einzahlung erfolgte am 8. Oktober durch seine Verlobte in Höhe von 4600 Euro. Somit verfügte der Angeklagte am 7. beziehungsweise 8. Oktober 2004 über einen Bargeldbestand in Höhe von 35 127,80 Euro, mithin rund 1600 Euro mehr als die Tatbeute betrug. (...)
Hätte es sich bei dem beim Angeklagten gefundenen Geld um die Tatbeute gehandelt, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen, dass zumindest auf Geldscheinen, die nicht gebündelt waren, Fingerabdrücke des Bankmitarbeiters Kai C. und/ oder Torsten M. gefunden worden wären, nachdem beide einen Teil der erbeuteten Scheine - teils mehrfach - in der Hand hatten. Da aber lediglich bei einem der beim Angeklagten gefundenen Geldscheine eine Handflächenspur von Torsten M., jedoch keine Fingerabdrücke von ihm oder Kai C. gefunden werden konnten, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei dem beim Angeklagten gefundenen Geld um die Tatbeute oder Teile davon handelt.“
URTEIL mündlich
„Dem Angeklagten war es aus zeitlichen Gründen gar nicht möglich, die Tat zu begehen.” Richter Wolfgang Bender in der mündlichen Urteilsbegründung; all die folgenden Zitate ebenso
„Nicht, weil die Kammer allerletzte Zweifel nicht überwunden hat, sondern weil aus Sicht der Kammer seine Unschuld erwiesen ist, ist der Angeklagte freizusprechen.”
„Das Schlimme ist: Die wahren Täter laufen noch frei herum.”
„Es ist nicht Aufgabe eines Angeklagten, seine Unschuld zu beweisen. Natürlich fällt auf, dass die Summe der Beute und das bei ihm gefundene Geld übereinzustimmen scheinen. Der Schein trügt.”
„Nicht geklärt werden konnte auch, wer das Feuer im Wald entfacht hat. Der Angeklagte hatte praktisch den ganzen Nachmittag keine Zeit.”
„Man könnte den Schluss ziehen: Der Angeklagte habe seine Stiefel verbrannt, weil er sie bei der Tat anhatte, was die Spur in der Bank beweist. Das wäre ein klassischer unzulässiger Zirkelschluss.”
URTEIL schriftlich
„Zeitgleich mit dem Pfarrer kam auch der Angeklagte gegen 14.10 Uhr am Waldkindergarten an. Wo er sich seit dem Zeitpunkt, als er vom Zeugen B. um 13.54 Uhr die Hauptstraße in Richtung Ortsausgang fahrend gesehen wurde, bis um 14.05 Uhr aufgehalten hat, konnte nicht sicher festgestellt werden.” Die Schwurgerichtskammer im schriftlichen Urteil, ebenso all die folgenden Zitate
„Nach einer Gesamtwür-digung aller in der Hauptver-handlung festgestellten Tatsachen und nach einer Auseinandersetzung mit allen Umständen und Indizien verbleiben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten.”
„Die Kammer konnte zwar nicht klären, wo das bei dem Angeklagten sichergestellte und von ihm einbezahlte Geld herstammte, die Kammer konnte aber ebenso wenig, ohne dass vernünftige Zweifel verblieben, feststellen, dass es sich bei dem Geld um die Tatbeute gehandelt hat, zumal der Angeklagte wie ausgeführt im Zeitraum vor und nach der Tat über wesentlich mehr Geld als die Beute verfügte.”