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Mythos Licht-Luft-Bad: Einer Legende auf der Spur

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Heilbronner Geheim-Ort, der nicht ausgeschildert ist, den man nur vom Hörensagen kennt und wo die Zeit stehen geblieben ist

Von Franziska Feinäugle
Mundpropaganda: Anette Harst weiß von ihrer Schwester Susanne Gumbrecht, „dass es hier schön ist“. Die wiederum kennt das Bad durch Kolleginnen.
Mundpropaganda: Anette Harst weiß von ihrer Schwester Susanne Gumbrecht, „dass es hier schön ist“. Die wiederum kennt das Bad durch Kolleginnen.

Von Franziska Feinäugle

Ist es Legende, ist es Wirklichkeit? Seit elf Jahren hört die Zugezogene in Heilbronn immer wieder vom „Licht-Luft-Bad“, und jedesmal sind es dieselben Fragen, die sich ihr aufdrängen. Badet man dort in Licht und Luft? (Und wenn ja, warum bliebt man dann nicht gleich zuhause auf dem Balkon oder im Garten?) Handelt es sich um eine Art Freibad ohne Bad, um ein institutionalisiertes „Des Kaisers neue Kleider“, um etwas Nichtvorhandenes, das einem als vorhanden vorgespiegelt und verkauft wird?

Ja: Existiert es überhaupt, denn auch ein Schild, das ihr den Weg dorthin weisen würde, hat die Zugezogene in all den Jahren noch nie gesehen… Der Dritte, den sie beim Trappensee fragt, ist der Erste, der den Weg kennt, und seine Wegbeschreibung spricht Bände: Im Kreisverkehr beim Pfühlpark links hoch, einige Straßen weiter wieder links, und dort, wo die Straße in einen Feldweg übergeht, „ist es dann schon ausgeschildert“. Schon.

Aber tatsächlich, an der beschriebenen Stelle steht ein Schild, wahrscheinlich das einzige in ganz Heilbronn, „Licht-Luft-Bad“ und ein selbstbewusster Pfeil geradeaus, auch wenn man sich an der nächsten Weggabelung im Naturschutzgebiet wieder ganz auf die Intuition verlassen muss, um richtig links abzubiegen. Da schimmert schon ein weißer Sonnenschirm durch die alten Bäume, und tatsächlich: Das Licht-Luft-Bad existiert. Hier ist es.

Am Eingang die Aufforderung, Eintritt zu zahlen, „sofern Sie die Wiese nutzen möchten“. Drinnen aber, am anderen Ende der friedlichen, einladenden Grasfläche, doch ein Becken: Wassertiefe 65 Zentimeter, steht auf einem Schild, das sichtlich noch aus den 60er, 70er Jahren stammt. Wie sehr vieles auf dem von alten Bäumen gesäumten Gelände. Überhaupt ist es auf angenehme Weise so, als sei die Zeit stehen geblieben hier im Licht-Luft-Bad. Nicht nur strahlen die robusten Spielgeräte aus lackierten Eisenstangen den spröden Charme vergangener Jahrzehnte aus, auch sonst ist nichts von der Hektik des 21. Jahrhunderts zu spüren.

„Die Kinder kommen zum Baden, die Eltern zum Sonnenbaden“, erklärt ein 64-Jähriger, wie es ist und wie es immer war. „Die Ruhe vor allen Dingen“ schätzt er, und dass „immer welche da sind, die Tischtennis spielen, in meiner Altersgruppe“. Seinen Namen mag er nicht sagen, dafür erzählt er, dass er heute die Wiese gemäht hat hier in seiner „zweiten Heimat“. Er ist treues Mitglied des Vereins für Gesundheitspflege, dem das Bad gehört. Ins 1903 gegründete und seit 1937 an dieser Stelle befindliche Licht-Luft-Bad kommt er quasi schon immer: „Seit meiner Geburt“, sagt er und erzählt von Fotos, die ihn als Einjährigen hier im Gras sitzend zeigen.

Damals waren die 30 000 Liter im Becken noch „eine dunkelgrüne Brühe“, in der man, vom Gesundheitsamt unbehelligt, einfach badete. Heute überwacht Wasserwart Peter Bernhardt zweimal am Tag, an heißen Tagen auch viermal, dass beim PH- und beim Chlorwert „alles nach DIN-Vorschriften ist“. Im Häuschen neben dem Becken sind die Pumpstation für den Grundwasserbrunnen, eine Umwälz- und eine Wasserentkeimungsanlage.

Hannelore Klausmann (62) hat ihre eigene Tischdecke mitgebracht und trinkt ihren am Kiosk bestellten Kaffee „wie früher“ am Plastiktisch auf der Liegewiese. Ihre Enkel Chrishan und Leonie spielen im Gras, ihr Sohn Holger, heute 35 Jahre alt und abwesend, ist „hier draußen groß geworden“, erzählt sie.

Damit dieses Familiäre erhalten bleibt, machen die Kioskbetreiberinnen Ursula und Hannelore Schröter extra keine Werbung. „Unsere Gäste finden uns, und unsere Gäste empfehlen uns weiter“, sagt Ursula Schröter. „Man kennt sich.“

Die 64-Jährige, die sich zu Hannelore Klausmann gesellt, ist Heide Wolf, eine Bekannte von früher, als hier alles wie eine Großfamilie war. Mit 18 war sie zum ersten Mal hier, durch ihren Mann, der „so ziemlich das älteste Mitglied“ im Verein ist. Und wie zum Beweis zieht sie ein Schwarz-Weiß-Foto aus ihrem Geldbeutel: Es zeigt ein Kleinkind, vielleicht ein Jahr alt, im Gras…

Baden, nicht nur in Licht und Luft: 65 Zentimeter tief ist das Becken.
Baden, nicht nur in Licht und Luft: 65 Zentimeter tief ist das Becken.
Das Tack-Tack-Tack der Plastikbälle gehört zum typischen Ambiente des Licht-Luft-Bads. Jenseits von Becken und Liegewiese locken zwei Tischtennisplatten vor allem Ältere zum sportlichen Kräftemessen. (Fotos: Andreas Veigel)
Das Tack-Tack-Tack der Plastikbälle gehört zum typischen Ambiente des Licht-Luft-Bads. Jenseits von Becken und Liegewiese locken zwei Tischtennisplatten vor allem Ältere zum sportlichen Kräftemessen. (Fotos: Andreas Veigel)
Der damals Einjährige ist heute 64 und immer noch täglich im Bad.
Der damals Einjährige ist heute 64 und immer noch täglich im Bad.
Joel (4) und Michel (9) Weigelt genießen die schattige Schaukel.
Joel (4) und Michel (9) Weigelt genießen die schattige Schaukel.
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