Kinder lernen mit "Faustlos" ganz neue Verhaltensweisen
Bürgerstiftung Heilbronn setzt ein Großprojekt zur Gewaltprävention in Gang
Mit 170 000 Euro hat die erst im Sommer gegründete Bürgerstiftung schon ein kleines Vermögen zusammengetragen. Das wirft natürlich noch nicht genügend Zinsen ab, um schon im nächsten Jahr - so bald wie möglich - das umfassende Präventionsprojekt zu starten. Doch mit Spenden sieht sich Otto Egerter vom Stiftungsvorstand gut gewappnet, den gestern in der AOK versammelten Rektoren und Sozialpädagogen nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen. Die Stiftung zahlt Material und die Fortbildung der Lehrkräfte. Alle Grundschulen, Förder- und Sonderschulen und die Kindergärten in Heilbronn können mitmachen. Schon Anfang 2005.
Es ist ja nicht so, dass es Sozialtraining in Heilbronner Schulen bisher noch nicht gäbe. Schon 90 dritte Klassen haben seit 2002 die fünf Doppelstunden mit "Echt stark" erlebt. Und in sechs Grundschulen ist finanziert vom Jugendamt der Stadt Heilbronn Benni mit seinem Sozialtraining für Erst- und Zweitklässler zuhause. Das soll auch so bleiben. Elke Laber-Steiner vom Staatlichen Schulamt Heilbronn will nicht das eine Programm mit dem anderen ausgetauscht wissen. Ihre Kollegin Sonja Buss-Mostofian sagt es so: "Es sollen Schulen bevorzugt werden, die noch kein solches Projekt haben."
Dr. Andreas Schick vom Heidelberger Präventionszentrum erklärt, wie "Faustlos" funktioniert. Es geht von der Frage aus: Warum sind Kinder aggressiv, "was fehlt ihnen?" Drei Defizite zählt der Psychologe auf: Sie können sich nicht in andere hineinversetzen, sie haben kein Einfühlungsvermögen. Sie reagieren meistens impulsiv, es fehlt eine ausgewogene Impulskontrolle. So beschreibt Andreas Schick, was von außenstehenden Erwachsenen oft als Überreaktion empfunden wird. Sie können, das ist das dritte Manko, mit Ärger und Wut nicht konstruktiv umgehen, es bleibt nur verbale oder körperliche Auseinandersetzung.
Im Umkehrschluss entstanden aus dieser Defizit-Liste die drei Bausteine von "Faustlos". Schick betont, dass der Ablauf der 51 Lektionen wirklich eingehalten werden muss. Sie bauen aufeinander auf.
Basis ist die Förderung des Einfühlungsvermögens. Die Kinder lernen ihre eigenen Gefühle zu beschreiben und in Rollenspielen die Perspektive anderer wahrzunehmen. Impulskontrolle wird eingeübt. Etwa über "lautes Denken", damit werden mögliche Verhaltensweisen reflektiert. Gemeinsam sammeln die Kinder Ideen, wie man besonnen reagieren könnte und lernen so andere Verhaltensmöglichkeiten überhaupt erst kennen. Ärger und Wut will "Faustlos" nicht "wegerziehen", betont Andreas Schick: "Es kommt darauf an, was man daraus macht."
Die Lektionen sind kurz. Manchmal sind es bloß 20 Minuten. Von Klasse 1 bis 3 wird "Faustlos" eingeübt. Dann kann sich für Viertklässler "Echt stark" anschließen. An nur einem Fortbildungstag informieren sich die Lehrer über "Faustlos". Sie führen das Projekt allein durch.
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