Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

412 085 Fiat-Karossen liefen hier vom Band

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Das Heilbronner Kapitel der Geschichte des italienischen Autobauers begann vor 75 Jahren mit einem Umweg über Neckarsulm

Der Weg der Italiener nach Heilbronn führte über Neckarsulm: Kräftige wirtschaftliche Turbulenzen der NSU Vereinigte Fahrzeugwerke AG zwangen die Generalversammlung des Unternehmens 1928 zu einschneidenden Maßnahmen: Neben einem Kapitalschnitt und der Ausgabe neuer Aktien, die zum Teil vom Turiner Fiat-Konzern übernommen wurden, ging das Heilbronner NSU-Werk auf Fiat über. Am 5. Januar 1929 ist das erst ein Jahr zuvor errichtete Heilbronner Werk der Neckarsulmer Fahrzeugfabrik unter Führung von Fiat die NSU Automobil AG umgewandelt wurde. Das Werk sollte künftig als deutsche Fiat-Montagestation dienen.

Etwa 5000 Chassis hat Fiat damals den Neckarsulmern abgenommen: Die NSU-Modelle wurden fortan also unter der Regie von Fiat gebaut. Ab 1932 gab es dann nur noch die Namensverbindung zur Neckarsulmer NSU, aber keine technische Zusammenarbeit mehr.

Als erster echter Fiat wurde in Heilbronn der Balilla montiert, eine Mitte der Dreißiger Jahre einsetzende Motorisierungswelle brachte auch dem Montagewerk und der deutschen Vertriebsgesellschaft neuen Auftrieb. Im Jahr 1938 übernahm Fiat die Karosseriewerke Weinsberg und bauten damit einen zweiten Montagestandort auf.

Der Zweite Weltkrieg beendete die friedliche Motorisierung und damit auch die geplanten Fahrzeugmontagen in den Heilbronner Werkhallen. Die zivile Fahrzeugmontage musste eingestellt, dafür auf Weisung eine Luftwaffenfabrikation aufgenommen werden.

Als sich 1947 die allgemeine Situation nach den Kriegsereignissen wieder zunehmend normalisierte, startete Fiat von Heilbronn wieder neu: Die ersten Fahrzeuge - allerdings aus italienischer Produktion - wurden verkauft, der Sitz des Unternehmens von Berlin nach Heilbronn verlegt und die "Deutsche Fiat-Automobil-Verkaufsaktiengesellschaft" in Fiat Automobil AG umbenannt - und schließlich die Produktion wieder aufgebaut.

Montiert wurden in Heilbronn speziell auf den deutschen Markt zugeschnittene Modelle, die das Angebot aus Turin ergänzten. Motoren, Fahrwerks- und Karosserieteile wurden von Turin geliefert.

Das noch dünne Händlernetz sowie ein Produktionsprogramm, das sich vorwiegend auf das Modell 500 Kombi stützte, ließen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre keine überragende Entwicklung zu. Ein großer Sprung nach vorne auf dem deutschen Markt gelang erst 1955 getragen vom Fiat 600. Dieses Modell war mit über 170 000 Einheiten auch größter Volumenträger in den Heilbronner Montagehallen.

Bis ins Jahr 1965 wurde für die Heilbronner Modelle das irritierende Markenzeichen "NSU / Fiat" verwendet, danach bekamen die von Fiat hier gefertigten Modelle den Beinamen "Neckar". Nur acht Jahre später wurde die Fiat-Produktion in Heilbronn dann eingestellt. Zuletzt rollten die Modelle 125 und 128 von den Bändern, auf denen insgesamt 412 085 Fahrzeuge montiert worden sind.

Seit 1973 ist die deutsche Fiat-Tochter eine reine Vertriebsgesellschaft. Nachdem über Jahrzehnte alle Aktivitäten von Heilbronn aus gesteuert worden waren, bezog die Firma 1996 in Frankfurt eine neue Zentrale. Außer der Erinnerung ist Heilbronn der rechtlicher Sitz des Unternehmens geblieben - und etwa 450 Arbeitsplätze, die ohne Fiat nicht hier wären.

Vom Fiat-Glanz alter Tage ist im Heilbronner Industriegebiet nicht mehr allzu viel übrig: Ende 1999 verkaufte die Fiat Automobil AG das rund 139 000 Quadratmeter große Areal an der Salzstraße an die Mosolf-Gruppe, die einen Großteil der Flächen mittlerweile weiterverkauft hat. Heute stehen dort, wo früher Autos produziert wurden, ein Selgros-Großmarkt, der Haustechnik-Fachgroßhändeler Pfeiffer und May sowie eine Filiale von Autoteile Unger.

Mit der Mosolf Motoren Technik MMT arbeitet auf dem Heilbronner Areal außerdem eine Tochtergesellschaft des Investors, die durch die Übernahme der ehemaligen Fiat-Motorenaustauschwerkstatt entstanden ist. (red)

Alles Handarbeit: Dieser Blick in die Heilbronner Schleiferei von NSU / Fiat zeigt deutlich, wie sehr sich die Automobilproduktion in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
 
Nach oben  Nach oben