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Wie der Trollinger den Weg in den Füller fand

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Neuerdings gibt es Tinte zu kaufen, die aus Wein gemacht ist und auch danach riecht

Von Franziska Feinäugle
So sieht es aus, wenn man mit Trollinger-Tinte schreibt.Fotos: Franziska Feinäugle
So sieht es aus, wenn man mit Trollinger-Tinte schreibt.Fotos: Franziska Feinäugle

Heilbronn - Wein lesen kann man jetzt nicht mehr nur im Herbst in den Weinbergen. Wein lesen kann man jetzt das ganze Jahr über im buchstäblichen Sinne: in schön geschwungenen Zeilen auf Papier, wahlweise in den Tönen Trollinger, Lemberger oder Riesling. Seit einigen Tagen gibt es in Heilbronn Tinte zu kaufen, die aus Wein gemacht ist.

Eigentlich wollte das Heilbronner Schreibwarenfachgeschäft Seel schlicht eine „Heilbronn-Tinte“ machen lassen, bei der es sich um gewöhnliche Tinte in ungewöhnlichen, nämlich mit Heilbronn-Motiven verzierten Gläschen handelt. Ganz nebenbei jedoch „haben wir entdeckt, dass es diese Wein-Tinten gibt, und die ausgesucht, die für die Gegend passen“, berichtet Uwe Borst, Prokurist und leidenschaftlicher Füllfederhalterschreiber.

Sinnlich Im Geschäft am Wollhaus liegen neuerdings Testfüller für Neugierige aus, die wissen wollen, wie sich Trollinger oder Riesling auf dem Papier so liest. Der Riesling-Ton geht ins Grünliche, und der Trollinger wird gewissermaßen spätestens dann zum trockenen Rotwein, wenn die Trollinger-Tinte getrocknet und vom kräftigen ins gedämpftere Rot übergegangen ist. Uwe Borst spricht von „Schreiben mit allen Sinnen“: Beim Öffnen entströmt dem zierlichen Tintengläschen unverkennbarer Weinduft. Die naheliegende Frage stellt ein Kunde, der sich soeben über die Wein-Tinte aufklären lässt: „Wird man besoffen davon?“

Wird man nicht. Dazu fehlt der aus konzentriertem Wein bestehenden Tinte etwas Entscheidendes: der Alkohol. Tintenmacher Franz-Josef Jansen musste ihn dem Wein entziehen, denn Alkohol „würde den Füller zerstören und die Tinte am Fließen hindern“. Überhaupt hat der Rheinland-Pfälzer eine ganze Weile experimentiert, bis die Erfindung der Wein-Tinte ganz ausgereift war.

Die Idee stammte von einem seiner Kunden aus Esslingen. „Der sagte mir: Er habe einen schönen Dornfelder. Könnte man aus dem Tinte machen?“ berichtet der 55-jährige gelernte Maschinenbauer, der sich vor einigen Jahren ganz aufs Tintenmachen verlegt hat. „Ich sagte: Das dürfte kein Problem sein. Ist aber dann doch ein Problem geworden.“ Denn: Wer mit Wein schreibt, hat hinterher alles andere als rote Farbe auf dem Papier. Grau wie Rotweinflecken waren die ersten Ergebnisse - bis Jansen der Wein-Tinte nach langem Knobeln ein Aktivat zusetzte, das die Farbe verstärkt. Würde man etwa die Riesling-Tinte ganz stark verdünnen, prophezeit der Experte, „kommt man wieder auf die ursprüngliche Weinfarbe“.

Problem Nummer zwei: Wein, dem man den Alkohol entzieht, „würde unweigerlich anfangen zu schimmeln“. Ein Anti-Oxidationsmittel musste deshalb auch in die Tinte. Sie ist, wie Jansen sicherheitshalber dazusagt, „nicht zum Verzehr geeignet“.

Unsinn Und genau das ist der Punkt, warum der Heilbronner Wengerter Hermann Able von Trollinger- und Lemberger-Tinte nichts hält, obwohl er mit einer poetischen Ader gesegnet und dem Schreiben keinesfalls abgeneigt ist. „Wein gehört ins Glas“, sagt Able und denkt dabei weder an ein Tinten- noch an ein Marmeladenglas. Seit 62 Jahren trägt er mit dazu bei, dass in den Heilbronner Weinbergen Trauben wachsen, und er findet, „dass man Weintrauben am besten zu Wein verarbeitet: Ich kann mir nicht vorstellen, dass einen die Tinte inspiriert - eher das Viertele, das man beim Schreiben trinkt.“

Der Wein in diesen Gläschen ist hochkonzentriert - und alkoholfrei.
Der Wein in diesen Gläschen ist hochkonzentriert - und alkoholfrei.
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