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Schutz gegen Untreue: Am Anfang steht der Schokolade-Test

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Heilbronn - Rund 13 Jahre nach Aufdecken des Heilbronner Rathaus-Skandals werden durch dreiste Machenschaften eines Ulmer Stadtmitarbeiters Erinnerungen wach. 580.000 Euro Wohngeld hat der Ulmer aus der Stadtkasse über Jahre auf das Konto seiner Geliebten transferiert. Welche Schutzmechanismen hat Heilbronn nach den bitteren Erfahrungen im Rathaus-Skandal aufgebaut, als ein Mitarbeiter der Büromaterialstelle Anfang der 90er Jahre fast drei Millionen Euro veruntreute?

Von Carsten Friese
„Wir haben ein System geschaffen, das funktioniert.“
          C. Britzke
„Wir haben ein System geschaffen, das funktioniert.“ C. Britzke
Heilbronn - Rund 13 Jahre nach Aufdecken des Heilbronner Rathaus-Skandals werden durch dreiste Machenschaften eines Ulmer Stadtmitarbeiters Erinnerungen wach. 580.000 Euro Wohngeld hat der Ulmer aus der Stadtkasse über Jahre auf das Konto seiner Geliebten transferiert. Welche Schutzmechanismen hat Heilbronn nach den bitteren Erfahrungen im Rathaus-Skandal aufgebaut, als ein Mitarbeiter der Büromaterialstelle Anfang der 90er Jahre fast drei Millionen Euro veruntreute?

Zum Anti-Korruptionsbeauftragten ist Rechtsamtsleiter Jörg Keidel damals ernannt worden. Seit 1996 hält er jedes Jahr ein bis zwei Seminare für Rathaus-Angestellte ab, weist Mitarbeiter und Amtsleiter auf die Regeln hin. „Meine Aufgabe ist nicht, durchs Rathaus zu schleichen und Spuren zu suchen“, sagt Keidel. Man müsse ein Klima erzeugen, damit keine Korruption vorkomme.

1998 hat die Stadt eine Dienstanweisung herausgegeben, in der ein „Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete“ exakt erläutert wird.

Bei den Seminaren legt Keidel immer Schokoladen-Tafeln mit Goldrand auf die Plätze und fragt dann: „Merken Sie, was diese Kleinigkeit bei Ihnen bewirkt?“ Von Firmeneinladungen zu einem Ausflug mit Produktpräsentation rät Keidel ab. Und selbst bei Einladungen zu Messen lautet das Prinzip: wenn eine Teilnahme, dann auf Stadt-Kosten.

Für die Geld-Kontrolle ist das Rechnungsprüfungsamt zuständig. Alle fünf Jahre wird jeder Bereich durchleuchtet, auch Volkshochschule, Kammerorchester, Eigenbetriebe. Bereiche mit starken Geldbewegungen wie Bau- oder Sozialamt sind in kürzeren Abständen dran. Dort gibt es heute zudem eigene Controller. 15 Mitarbeiter hat das Rechnungsprüfungsamt, 2500 Mitarbeiter die Stadt. „Wir können nicht jede Rechnung prüfen“, sagt Amtsleiter Dieter Hohenstein. Stichproben gibt es, Abläufe und Gesamtsummen werden kontrolliert.

Aber auch unangemeldete Tagesprüfungen der Stadtkasse gehören zum Repertoire. Das Vier-Augen-Prinzip in den Ämtern, nach dem jede Rechnung von zwei Mitarbeitern geprüft werden muss, gilt schon lange. Zudem hat jedes Amt heute die Pflicht, Sachvermögen wie Mobiliar und Geräte schriftlich zu dokumentieren und alle drei Jahre Inventur zu machen. Hohenstein: „Wichtig ist, dass die Dinge auch gelebt werden.“ Ein Fall wie in Ulm „muss auffallen“, ist er überzeugt.

Richtiges Maß

Laut Rathaus-Sprecher Christian Britzke hat die Stadt ein umfassendes Kontrollsystem geschaffen, „das funktioniert“. Gleichzeitig verweist er auf das richtige Maß. Es solle ja „keine Atmosphäre der Angst“ erzeugt werden.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt: Für die zurückliegenden Jahre kann man sich „weder an einen größeren noch einen kleineren Fall“ von Untreue oder Unterschlagung im Heilbronner Rathaus erinnern.
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