Postpassage hat immer noch Fans
Heilbronn - Aziz Tolu wäre am liebsten unter der Erde. Der Mann vom Schlüsseldienst hat in der Postpassagen-Unterführung zwar mehr Miete bezahlt als in seinem neuen Domizil an der Synagogengasse. "Doch die Postpassage hatte wenigstens einen Namen", trauert er den alten Zeiten nach.

Heilbronn - Aziz Tolu wäre am liebsten unter der Erde. Der Mann vom Schlüsseldienst hat in der Postpassagen-Unterführung zwar mehr Miete bezahlt als in seinem neuen Domizil an der Synagogengasse. "Doch die Postpassage hatte wenigstens einen Namen", trauert er den alten Zeiten nach. Ein Jahr, nachdem die Stadtverwaltung den Fußgängertunnel mit seinen Geschäften ein für allemal geschlossen hat, versteht der Expressschuster immer noch nicht so recht, warum er weichen musste. Eines hat er aber schon festgestellt: "Meine Kundschaft ist weniger geworden, hier oben verläuft sich das mehr, unten gab es mehr Laufkundschaft." Es passiere auch, dass Menschen in seinen Laden kommen und nur nach dem Bus oder der Toilette fragen.
Ein paar Meter weiter sieht die Einzelhändlerwelt aber schon wieder ganz anders aus. Hussein Ismail hat zwar in seinem Allee-Shop während der monatelangen Umbauphase gelitten, in der die Bushaltestellen an der Allee angelegt wurden. "Aber jetzt ist es besser als früher." Nach dem Abriss der Eingänge zu den Unterführungen "wirkt mein Laden viel heller, man sieht ihn schon von weitem." Die Kundenfrequenz nehme weiter zu.
Zankapfel 
Auch auf der Innenstadtseite der Süd-Allee haben sich die Wogen, die das Aus der Unterführung geschlagen hatte, ein wenig gelegt. Die Toto-Lotto-Annahmestelle − früher Postpassage, dann Allee − war das Zentrum des Protestes. Die neue Pächterin Ursula Dofek steht erst seit vier Wochen hinter der Kiosktheke und möchte sich noch kein Urteil bilden. Die Kunden könnten zwar ruhig zahlreicher in ihr Geschäft kommen, meint sie. Doch die relativ geringe Frequenz schreibt sie nicht dem Standort, sondern der Ferienzeit zu. Selbst das neue grüne Klohäuschen in unmittelbarer Nähe, früher der Zankapfel schlechthin, "ist für uns nicht so gravierend. Der Blick aus unserem Schaufenster ist ja frei."
Das kann Beate Herrmann-Pohl nicht behaupten. Die öffentliche Toilette steht genau vor ihrem Friseursalon Haar-Spezial. Entsprechend groß war ihr Unmut. Jetzt, Monate später, "habe ich es aufgegeben, mich aufzuregen, ich kann ja eh nichts ändern". Der Umsatz sei "gleich geblieben". Ihr Fazit: "Ich habe mich an das Toilettenhäuschen gewöhnt." Die Postpassagen-Unterführung würden ihre Kunden unabhängig davon vermissen.
In der Metzgerei Wirth hat sich der Ärger mittlerweile auch gelegt. "Nachdem es keine Baustelle mehr gibt, kommt die Kundschaft auch wieder, zum Beispiel Ältere und Menschen mit Gehhilfen", sagt Filialleiterin Elke Rüger. Wirth stellt jetzt erstmals Tische und Stühle auf den breiten Gehweg, wo die Kunden mittags essen. Elke Rüger: "Das konnten wir früher nicht."
Kein Schutz 
Auch die Fahrgäste der Busse sind sich uneins. "Die Unterführung war besser", sagt Ursula Henkel (74). Die Glasdächer der Haltestellen böten keinen Schutz gegen Regen. "Alles wird hier nass." An den vielen Ampeln, die es jetzt auf der Allee gebe, stünden die Autos im Stau. Das genaue Gegenteil vertritt Regina Hetzel (21). Sie lebt zwar noch nicht so lange in Heilbronn und kennt darum die alte Postpassage nicht, "aber ich finde die Umgebung der Bushaltestellen an der Allee schön". Bei Regen "wird man hier nicht nass".

 Stimme.de
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