Passagen sind passé
Heilbronn - In den 70ern feierten die Stadtväter Fußgänger-Unterführungen und heute schütten sie sie zu. Damals sollten die Fußgänger in den Untergrund verbannt werden, damit die Autos freie Fahrt haben.
Heilbronn - Alle reden von Nachhaltigkeit, auch im Städtebau. Für das genaue Gegenteil stehen, respektive standen, die Fußgängerunterführungen in der Heilbronner Allee. Sie waren zwischen 1971 und 1982 installiert worden: weil die Stadtväter meinten, für eine Großstadt gehöre es sich, Autos freie Fahrt zu ermöglichen und Fußgänger in den Untergrund zu verbannen. Der damalige Oberbürgermeister Hans Hoffmann sprach "von einem Beitrag zur modernen Regional-Metropole". Inzwischen denken die Verantwortlichen anders, von zwischenzeitlich vier Unterführungen in der Allee ist heute nur noch eine übrig: die Theaterpassage.
Harmonie I: Vor genau 40 Jahren, am 29. Juni 1971, wurde zwischen Harmonie und Hafenmarktpassage die erste unterirdische Furt eingeweiht, und mit ihr die ersten sechs Heilbronner Rolltreppen unter freiem Himmel. Die Baukosten für das 55 Meter lange und sechs Meter breite Bauwerk fielen mit 1,7 Millionen Mark relativ bescheiden aus. Den Eintritt ins Schwabenalter verpasste diese Passage knapp: Dieses Frühjahr begannen Bagger im Zuge des Ausbaus der Allee zur Stadtbahntrasse mit dem Rückbau. Geschlossen worden war sie aber bereits 2005. Anlass dazu gab ein Brand, aber auch die Tatsache, dass allein die Rolltreppen monatlich 3000 Euro Reparaturkosten verschlangen. Eine schon 2002 ins Spiel gebrachte Idee, dort eine Bar einzurichten, ging unter.
Harmonie II: Wenige Wochen nach der ersten sollte unter der Kreuzung Allee-Kaiserstraße-Moltkestraße eine zweite Passage folgen. Zehn Millionen Mark steckte die Stadt in den Hohlraum. Er war halb so groß wie ein Fußballplatz und mit allerhand Läden, "Stadtschenke", Kiosk, Rampen, Rolltreppen, einem Zugang zur Harmonie-Tiefgarage und mit öffentlichen Toiletten ausgestattet − die zum Drogentreff verkamen. 1999 wurde das Ganze für 1,4 Millionen Mark zugeschüttet, weil die Decke die nahende Stadtbahn nicht getragen hätte. Weil sie sich 1993 mit 820 000 Mark an einer 3,3 Millionen Mark teuren Sanierung beteiligt hatte, forderte die Volksbank von der Stadt Geld zurück − und unterlag nach einem verbissenen Rechtsstreit, bei dem die Bank am Ende 166 000 Euro verspielte, die ihr die Stadt im Falle eines Vergleichs freiwillig gegeben hätte. Dies nur am Rande.
Postpassage: 1980 wurde für 8,5 Millionen Mark die Postpassage gebaut: aus Gründen der Verkehrssicherheit, hieß es. Schließlich trafen auf der zur Stadtautobahn mutierten Allee an dieser Stelle täglich 20 000 Fußgänger auf 40 000 Autos. Von 1830 Quadratmetern wurden 615 von Läden und von der "Frankenstube" genutzt. Doch trotz der Mieteinnahmen schrieb die Stadt rote Zahlen, vor allem wegen hoher Wartungsarbeiten für die Rolltreppen. Nach dem Schließungsbeschluss wurde lange über alternative Nutzungen diskutiert. Doch ein Investor fand sich nicht. 815 000 Euro flossen 2008 in den Rückbau der Zugänge, der Hohlraum besteht noch.
Theaterpassage: Mit dem Theaterneubau entstand 1982 unter dem Berliner Platz eine Tiefgarage. Parallel zur östlichen Zufahrt verläuft die Theaterpassage, ihre Kosten liegen inzwischen im Dunkeln. Fußgänger trifft man in dem 35 langen und sechs Meter breiten Schlauch auch kaum noch.

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