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Jeder Schritt ist ein Stück Therapie

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Heilbronn - Wäre das Messer nicht an einer Rippe hängen geblieben, wäre Bert Simon tot. Nur knapp entging der 38-Jährige vor zwei Jahren dem Mordversuch einer Stalkerin. Sie hatte ihn und seine Verlobte verfolgt und terrorisiert. Jetzt wandert der gebürtige Waiblinger von Stuttgart, Baden-Württemberg, nach Stuttgart, Arkansas. 5000 Kilometer, um mit seiner Geschichte weiter fertig zu werden. Und um als Botschafter für den Weißen Ring auf die Anliegen von Kriminalitätsopfern aufmerksam zu machen. Gestern war das Heilbronner Rathaus Station seiner Reise.

Von Nicole Amolsch
„Sie hat viel zu viel von meinem Leben genommen, sie bekommt keinen Zentimeter mehr.“
          Bert Simon
„Sie hat viel zu viel von meinem Leben genommen, sie bekommt keinen Zentimeter mehr.“ Bert Simon
Heilbronn - Wäre das Messer nicht an einer Rippe hängen geblieben, wäre Bert Simon tot. Nur knapp entging der 38-Jährige vor zwei Jahren dem Mordversuch einer Stalkerin. Sie hatte ihn und seine Verlobte verfolgt und terrorisiert. Jetzt wandert der gebürtige Waiblinger von Stuttgart, Baden-Württemberg, nach Stuttgart, Arkansas. 5000 Kilometer, um mit seiner Geschichte weiter fertig zu werden. Und um als Botschafter für den Weißen Ring auf die Anliegen von Kriminalitätsopfern aufmerksam zu machen. Gestern war das Heilbronner Rathaus Station seiner Reise.

„Es ist wichtig, dieses Thema stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken“, sagt Heilbronns Ordnungsbürgermeister Harry Mergel. „Ihre Geschichte soll den Opfern Mut machen.“ Denn es gibt auch harte Stalkingfälle in der Käthchenstadt, weiß Viola Scheffler-Pfneisl von der Heilbronner Polizei. „Gerade Internet, E-Mails und SMS machen es den Tätern einfach.“

Mit einem Besuch bei der ARD-Talkshow von Reinhold Beckmann fing es bei Bert Simon an. Seine Verlobte war dort zu Gast. Sie sprach über ihr Leben mit einer transplantierten Lunge. Vor dem Fernseher in Bayern saß eine Frau, die sich in die Partnerin des 38-Jährigen verliebte und Kontakt zu dem Paar aufnahm. Sie zog von Bayern in die Nähe der beiden, nach Hannover. Immer wieder sei sie dann an Orten aufgetaucht, wo sich Simon und seine Verlobte aufhielten – wählte denselben Zahnarzt und saß wie zufällig in der Kneipe.

Der Stalking-Terror gipfelte in unzähligen SMS, bis zu 60 Anrufen am Tag, 2500 E-Mails und seitenlangen Liebesbriefen ohne Punkt und Komma: „Für dich würde ich sterben, für Bert hoffe ich, dass er es tut.“ Die Polizei war machtlos, Stalking war damals noch kein Straftatbestand.

Am 3. August 2006 stand die Frau vor Simons Tür. „Zweieinhalb Jahre hatte sie uns da schon gejagt“, erzählt er. Dennoch öffnete er. Nach zwei Stunden wollte er sie zur Tür bringen. Er drehte sich um und sie schlug zu. Der Hammer traf ihn auf den Hinterkopf. Er versuchte, sich mit letzter Kraft zu wehren, und schleppte sich nach draußen. Dort zog die Stalkerin ein Messer, „es war abartig groß.“ Sie stach ihm in den Oberschenkel, in die Brust und die Arme. Ein Nachbar rettete Simon. Direkt nach der Tat war der Weiße Ring für ihn da, kümmerte sich um Therapien und eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Deshalb engagiert er sich für die Organisation.

Nicht verstecken

Acht Jahre Freiheitsstrafe gab es für die Täterin. In einem zweiten Verfahren wurde die Strafe aufgrund eines Rechtsfehlers halbiert. Angst vor ihrer Entlassung? „Ja, dass sie es noch einmal versucht und es nicht schafft. Dafür hätte ich keine Kraft mehr.“ Auch wenn Resignation in seinen Worten zu liegen scheint, gibt er sich kämpferisch. Er werde sich nicht verstecken. „Sie hat schon viel zu viel von meinem Leben genommen, sie bekommt keinen Zentimeter mehr.“



Stichwort: Stalking

Stalking ist vom englischen Verb „to stalk“ abgeleitet, was so viel bedeutet wie anschleichen, sich anpirschen . Es bezeichnet das beharrliche Verfolgen, Belästigen oder Terrorisieren eines Menschen. Das Zentralinstitut für seelischen Gesundheit Mannheim schätzt, dass in Deutschland jeder zwölfte einmal in seinem Leben gestalkt wird. In mehr als 80 Prozent sind die Opfer Frauen. Informationen im Internet unter www.zi-mannheim.de, www.stalkingforschung.de, www.weisser-ring.de . nia


Wichtige Tipps für Opfer

Kein Kontakt:
Dem Stalker einmal deutlich klar machen, dass ein Kontakt unerwünscht ist, und ihn konsequent ignorieren.
Öffentlichkeit schützt: Umfeld, Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen informieren.

Notruf: Bei einer akuten Bedrohung die Polizei alarmieren.

Dokumentation: Genau mit Tag und Uhrzeit festhalten, was der Stalker tut oder schickt: Besuche, Anrufe, Briefe, Geschenke .

Anzeige: Eine Anzeige bei der Polizei zeigt meistens Wirkung.

Hilfe holen: Es gibt Einrichtungen, die Opfern helfen.

Maßnahmen: Sich bei der Polizei über Platzverweis und Annäherungsverbot informieren.
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