Heilbronn war ihr zu spießig und zu klein
Der Berlinale-Star Sibel Kekilli hat sein erstes Interview gegeben ›05 "Gegen die Wand"-Filmstart am 11.
Der Berlinale-Star Sibel Kekilli hat sein erstes Interview gegeben. Erst war sie strahlender Star unter den Berlinale-Gewinnern, zwei Tage später wurde sie von der Bild-Zeitung als "Porno-Star" auf der Titelseite geoutet. Kaum ein Tag vergeht seither, an dem nicht über sie berichtet wird. Schlagzeilen: "Eltern verstoßen sündige Film-Diva", "Uschi Glas steht sündiger Filmdiva mutig bei" - oder dass sie heimlich verheiratet war.
In einem Interview mit der angesehenen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) hat sich Sibel Kekilli erstmals öffentlich zu ihrem Lebensweg geäußert. Auf die Frage, ob sie nicht damit gerechnet habe, dass über ihre Hardcore-Pornofilme berichtet wird, antwortet der Berlinale-Star: "Natürlich habe ich damit gerechnet, aber dass Bild so eine große Sache draus macht, dass sie es auf die Titelseite nehmen, so riesig, so schmutzig, das hätte ich nicht gedacht." Und gefragt, warum sie Pornofilme gedreht habe, lautet Kekillis Antwort: "Aus Geldmangel. Ich hatte immer mehrere Jobs - ich habe zum Beispiel Obst und Gemüse verkauft, gekellnert, als Türsteherin gearbeitet, ich war sogar mal für einen Monat Geschäftsführerin eines Nachtclubs - es war wirklich so, wie es immer heißt: Ich war jung und brauchte Geld. Und dass ich diese Filme gemacht habe, das war vielleicht auch eine Art Rebellion."
Über ihre Eltern sagt Sibel Kekilli: "Erst einmal möchte ich sagen, dass meine Eltern ziemlich modern und offen sind. Aber insgesamt wären sie wahrscheinlich ganz froh, wenn ich weiterhin im Heilbronner Rathaus als Verwaltungsfachangestellte arbeiten würde, vielleicht verheiratet mit einem türkischen Mann." Dass ihre Eltern, zu denen sie keinen Kontakt mehr habe, sie verstoßen hätten, könne sie verstehen. Aber sie werde sich für ihre Vergangenheit bei niemandem entschuldigen: "Ich habe niemandem weh getan, ich habe nichts Illegales getan, ich habe keinem Menschen geschadet - außer mir selber, wenn überhaupt. Meine Eltern schämen sich jetzt wahrscheinlich für mich. Sie denken wahrscheinlich, die Leute zeigen mit den Fingern auf sie und sie können niemandem mehr in die Augen gucken. Das tut mir wirklich leid, aber es ist nun mal passiert, und ich kann und ich möchte es nicht ändern. Und ich bin darüber auch niemandem eine Rechenschaft schuldig. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, ich bin 23, meine Vergangenheit war vielleicht etwas heftiger, aber so ist das nun mal, und ich kann es auch nicht auslöschen, es gehört zu mir."
Die Bild-Zeitung hatte geschrieben, dass Sibel Kekilli mit einem deutschen Musiker verheiratet sei - stimmt das? "Das stimmt nicht, aber ich wollte vor fünf Jahren meinen damaligen deutschen Freund heiraten. Das Aufgebot stand, wir hatten sogar ein großes Fest. Die Trauung verzögerte sich aber, weil es Schwierigkeiten mit meinen Papieren aus der Türkei gab, und schließlich heirateten wir nicht." Und dann erzählt Sibel Kekilli in ihrem FAS-Interview, dass sie 1980 in Heilbronn geboren sei, ihr Vater Arbeiter und ihre Mutter Putzfrau seien. Sie habe in Heilbronn die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen. Danach habe sie im Heilbronner Rathaus als Verwaltungsfachangestellte, zuständig für den Müll, gearbeitet. Während ihrer Rathaus-Zeit habe sie auch schon Porno-Filme gedreht. Und warum verließ sie Heilbronn? "Ich wollte da nicht kleben bleiben, es war mir irgendwie zu spießig, zu klein." Was sagt sie dazu, dass sie jetzt von ihrer Vergangenheit eingeholt wird? "Natürlich ist es jetzt für die Bild-Zeitung interessant, was ich alles schon gemacht habe, aber diese Aufregung? "Filmdiva" haben sie mich genannt! "Filmdiva" und "Pornostar". Hallo? Ich war eine kleine Pornodarstellerin und mehr nicht. Und als das mit der deutschen Filmdiva irgendwie nicht gezogen hat, anscheinend, da sind sie dann plötzlich die türkische Schiene gefahren, dann hieß es plötzlich: die junge Türkin."
Glaubt Sibel Kekilli, dass der ganze Rummel um ihre Person eine Auswirkung auf den Berlinale-Sieger-Film "Gegen die Wand" hat, der am 11. März ins Kino kommt? "Ich glaube, dass da jetzt mehr Leute reingehen werden. Ich würde das den Leuten auch empfehlen: Bevor sie mir gegenüber irgendwelche Vorurteile haben, sollten sie sich den Film erst mal ansehen. Dann können sie immer noch über mich urteilen, aber sie sollten ihn sich erst mal angucken. Ich meine, wir haben mit diesem Film den Goldenen Bären geholt - für Deutschland das erste Mal seit achtzehn Jahren und für die Türkei zum ersten Mal überhaupt. Das sollte man auch nicht ganz vergessen."