„Ein Gericht ist eine Dauerbaustelle“
Amtsgerichtspräsident Harald Heydlauf ist seit März im Amt – Ein Generalist, der mit falschen Vorstellungen aufräumen möchte

Heilbronn Inzwischen begegnen Harald Heydlauf kaum noch unbekannte Gesichter auf den Fluren der Wilhelmstraße 2-6. Seit März ist der 52-Jährige der neue Präsident des Heilbronner Amtsgerichts. Er hat die erste Zeit genutzt, die knapp 250 Mitarbeiter kennenzulernen und sich die Strukturen des Gerichts genau anzusehen. Sein Urteil nach etwas mehr als einem halben Jahr: „Das Amtsgericht ist in einem guten Zustand. Und wir bearbeiten die Fälle in einer angemessenen Zeit, damit können wir uns sehen lassen.“
Vergleichsmöglichkeiten hat der gebürtige Stuttgarter einige. Unter anderem war er Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart und zuletzt fünf Jahre Direktor des Amtsgerichts Ludwigsburg. Mit seiner Berufswahl ist er in die Fußstapfen seines Vaters getreten, ein Bezirksnotar. Und vielleicht machen es ihm seine beiden Kinder ja ebenfalls nach. Zumindest der Sohn: „Er kann spitzfindig argumentieren und ist ein Generalist wie ich.“ Breit aufgestellt sollte ein Jurist in seinen Augen sein. Das zeigt sich bei ihm auch in seinem Musikgeschmack: Klassik und Beats aus „der prägenden Zeit“, den 60er und 70er Jahren.
Was ihn an seinem Beruf als Richter fasziniert? „Gerade am Amtsgericht spielt das pralle Leben.“ Da geht es um Verkehrsdelikte, Vertragsstreitigkeiten oder Familienrecht. In vielen Fällen seien Kommunikationsprobleme der Auslöser für ein Treffen vor Gericht: „Die Leute reden zu wenig miteinander.“
Ihm selbst bleibt in seinem neuen Amt nicht mehr allzu viel Gelegenheit, Recht zu sprechen. Auch zum Lesen kommt er nach vollen Tagen kaum noch. „Beim Häuten der Zwiebel“ von Günter Grass liegt angelesen auf dem Nachttisch. Die Verwaltungsaufgaben nehmen den Großteil seiner Zeit ein. Das ist es aber, was dem 52-Jährigen gefällt „Die Zweigleisigkeit macht mir Spaß. Ein Richter schaut zurück. Und in der Verwaltung stellt sich die Frage: Wie gestalte ich die Zukunft?“
Optimieren Natürlich gebe es ständig Anlässe, die Strukturen eines Gerichts zu optimieren: „Ein Gericht ist eine Dauerbaustelle.“ Doch Heydlauf macht deutlich: „Der Rahmen steht fest, wir erfüllen gesetzliche Aufgaben und können das Rad nicht neu erfinden.“ Aber planen, wie die Abläufe am besten sind, wer welche Aufgabe übernimmt. Außerdem steht die Umstellung auf ein neues Computersystem an und bis 2018 sollen die gerichtlichen Aufgaben der staatlichen Notariate von den Amtsgerichten übernommen werden.
Die Aufgaben eines Amtsgerichtspräsidenten sind vielfältig. Und Heydlauf hat in seinen Augen noch eine weitere: Er möchte mit ein paar falschen Vorstellungen aufräumen, die viele Fernsehsendungen erwecken: „An die gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten werden manchmal überhöhte Erwartungen geknüpft. Ein Richter kann nur über Beweismittel versuchen, sich eine Überzeugung zu verschaffen. Er war nicht selbst dabei.“
Und: „Wir leben nicht in noblen Büros, haben keine teuren Dienstwagen und können uns nicht mit aller Zeit der Welt einem einzigen Fall widmen.“ Das macht er mit ein paar Zahlen deutlich: Im Jahr 2007 bearbeitete das Amtsgericht Heilbronn beispielsweise rund 5100 Zivilrechts-, 2800 Familienrechtsfälle, 5100 Straf- und Bußgeldsachen sowie etwa 15 800 Fälle im Bereich der Zwangsvollstreckung. „Nebenbei bemerkt, der einzige Dienstwagen, der der hiesigen Justiz zur Verfügung steht, ist ein Opel Vectra.“