Die Vermessung der Stadt - Digitale Pläne von Heilbronn entstehen
Heilbronn - Sie sind neugierig, technikbegeistert - und sie betreten Neuland. Denn was sie tun, hat es vorher noch nicht gegeben: Etwa ein Dutzend Freiwilliger vermisst seit ein paar Monaten Heilbronn und seine Umgebung.

Heilbronn - Sie sind neugierig, technikbegeistert - und sie betreten Neuland. Denn was sie tun, hat es vorher noch nicht gegeben: Etwa ein Dutzend Freiwilliger vermisst seit ein paar Monaten Heilbronn und seine Umgebung. Mit den Daten legen die Hobbykartographen Pläne an, die für jedermann kostenlos in weltweiten Computernetzwerken verfügbar sind. Ziel: eine Karte der Welt, vollständig, exakt, ohne Lizenzgebühren.
Das Mitmachprojekt hat System. Weltweit bilden sich zurzeit diese sogenannten Open-Street-Map-Gruppen (OSM), die übers Internet vernetzt sind und in Foren miteinander kommunizieren. Ziel ist es, kommerziellen Anbietern wie Google ein Schnippchen zu schlagen. Wer darin etwas Anarchistisches, Subversives vermutet, hat nicht ganz unrecht. Tatsächlich wollen die Freizeitforscher à la Alexander von Humboldt ein unbeschränktes Allgemeingut schaffen. Ein Stück weit ist das Opposition zur Kommerzialisierung des Planeten. Denn was gibt es heute noch umsonst?
Neue Wege
Doch es gibt noch viel mehr Gründe, mit einem GPS-Gerät durch die Lande zu ziehen und mit den gesammelten Geodaten dann im Computer die Pläne zu zeichnen. Peter Grombach zum Beispiel ist Marathonläufer und wandert gern. Er vermisst gute Karten aus dem Unterland für seinen Sport. Jetzt dreht der 45-jährige Heilbronner seine Joggingrunden mit einem kleinen GPS-Gerät am Handegelenk und markiert die Routen. „Die Karte ist für mich ein Abfallprodukt. Ich gehe einfach gerne neue Wege.“ Gerd M. Hofmann ergeht es ähnlich. Der Heilbronner Journalist ist Radler und mag weiße Flecken auf Landkarten prinzipiell nicht. Da es davon jede Menge in den Open-Street-Maps von Heilbronn gab, beschloss der „positiv Verrückte“ (Hofmann über Hofmann) ähnlich gestrickte Leute zu suchen.
Er wurde fündig. Seitdem trifft sich ein buntes Trüppchen regelmäßig im Wilhelm-Waiblinger-Haus in Heilbronn und legt im Computer Karten an. Darunter Rentner, die viel Zeit und etwas gegen fehlerhafte Bezeichnungen von Straßen und Wegen in herrkömmlichen Plänen haben. Mit dabei ist auch Friedhelm Schmidt, ein 50-jähriger Kaufmann und Hobby-Segelflieger.
Unter den „Mappern“ wie sich die Kartenmacher nennen, ist er ein Exot. Denn er vermisst die Welt aus der Luft. Ans Ende einer Tragfläche des Segelfliegers hat er eine Digitalkamera geklebt, die pro Minute sechs Bilder schießt. Diese Fotografien sind die Grundlage für die Landkarten, in die die Kollegen Straßen, Wege, Flüsse, Häuser und mehr einzeichnen. „Jeder darf mappen, was er will“, sagt Friedhelm Schmidt. „Das hängt von den Interessen ab.“ Dass manche sogar die Wasserstellen von Friedhöfen markieren, hält Gerd M. Hofmann zwar für „Kappes“. Erlaubt ist trotzdem was gefällt.
Keine Frauen
In das Universum dieser freiheitsliebenden und korrekten Menschen hat bisher noch keine Frau einen Weg gefunden. „Die befassen sich weniger mit dem Technikkram“, erklärt sich Gerd M. Hofmann dieses Phänomen. Er hofft, dass sich vielleicht noch mehr Personen für das Projekt engagieren - egal ob Mann oder Frau. Denn mitmachen kann wirklich jeder, auch ohne GPS-Gerät und Navigationskenntnisse.
Die Idee, nach dem Prinzip des Internet-Lexikons Wikipedia eine freie Weltkarte zu schaffen, an der jeder mitmachen kann, entstand vor fünf Jahren in England. Bis heute sind etwa 250.000 Orte in ganz Europa erfasst. In Heilbronn sind mittlerweile 95 Prozent der Straßen in der Karte verzeichnet. Unter der Adresse http://wiki.openstreetmap.org/wiki/OSM-Treff_Heilbronn kann man sich die Pläne anschauen. Kontakt zur Heilbronner Gruppe: Gerd M. Hofmann, Telefon 07131/574401 oder E-Mail an gmhofmann@t-online.de.