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Der Herr vom Efendi

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Mustafa Aydin und sein Döner-Laden am Jörg-Ratgeb-Platz

Tee? Oder lieber ein Bier? Mustafa Aydin an der Theke im Efendi-Kebab in Sontheim. Vor 18 Jahren hat er sich damit selbständig gemacht.Foto: Gertrud Schubert
Tee? Oder lieber ein Bier? Mustafa Aydin an der Theke im Efendi-Kebab in Sontheim. Vor 18 Jahren hat er sich damit selbständig gemacht.Foto: Gertrud Schubert

Heilbronn - Wo man gut lebt und nicht diskrimiert wird, da fühlt man sich zuhause.“ Mustafa Aydin (45) ist im Unterland zuhause. In Sontheim steht er seit 18 Jahren im Efendi Kebab hinter dem Tresen, in Massenbachhausen lebt er mit seiner Familie. Semsik in Kurdistan, im fernen Osten der Türkei, ist ihm im Lauf der Jahrzehnte zu einem Urlaubsort geworden - mehr ist es nicht mehr. Seit 13 Jahren ist Mustafa Aydin Deutscher.

Schweigen „Einer darf bleiben“, hatte der Vater zu seiner Frau und den sechs Kindern gesagt. 1971 packte er die Koffer, um in Deutschland Arbeit und Glück zu finden. Der kleine Mustafa aber kam in die Obhut des Großvaters, sprach mit seinen sechs Jahren eifrig Kurdisch und war wie alle Kurdenkinder in der Schule erst einmal zum Schweigen verurteilt. Denn Türkisch konnten sie noch nicht und ihre Muttersprache war verboten. Erst als sie ihre erste Fremdsprache ein wenig beherrschten, wurden die Kinder wieder gesprächiger. Irgendwie, so sinniert Mustafa Aydin rückblickend, erschien ihnen das alles ganz normal. Normal war, dass es in dem 250-Seelen-Dorf (bis 1982) keinen Strom gab. Normal war, dass nirgendwo ein Fernseher flimmerte. „Wir waren unter uns“, sagt Aydin: „Wir dachten, außer unserem Dorf gibt es nichts auf der Erde.“

Es gab aber die Eltern und die bald sieben Geschwister im nordrheinwestfälischen Gronau. Mit 14 brach schließlich auch das letzte Aydinkind nach Deutschland auf. Wieder musste Mustafa eine Sprache lernen. Und weil das schnell und gut klappte, durfte er nach zwei Berufsbildungsjahren in ein katholisches Internat nach Lippstadt, den Hauptschulabschluss machen.

Freunde Inzwischen kriselte es in der Textilindustrie, in der sein Vater arbeitete. Mustafa erkundigte sich bei den Semsikern, die es nach Heilbronn und Massenbachhausen verschlagen hatte, ob es nicht vielleicht hier Arbeit gäbe. Ab 1981 fertigte der junge Mann in der Kirchhausener Schuhfabrik Esena Kinderschuhe. In dem Familienbetrieb war er hochwillkommen: „Josef und Erika Seiler waren wie Eltern zu mir“.

Wenn man so in der Fremde ist, braucht man Freunde, die einem helfen. Mustafa Aydin fand in Stadtrat Ulrich Stechele und in seinem Esena-Chef Wolfgang Strack unermüdliche Unterstützer, vor allem als er sich 1991 selbstständig machte, die Schuhfabrik kriselte bereits. Efendi - Karl-May-Leser wissen, das heißt Herr - bot ihm seinen Döner-Laden in Sontheim an. Aydin griff zu, „weil ich dachte, da geht es uns noch besser“. Heute sagt er kopfschüttelnd: „Das war ein Fehler.“

Die Selbstständigkeit drückt ihn. Er hat einen Angestellten, Schwester und Frau helfen. Versuche, eine Filiale aufzumachen, hat er aufgegeben: „Nie wieder einen zweiten Laden.“ Das benachbarte Café Spielplatz hat er aber übernommen und ins „Cheri“ verwandelt, damit sich in der Nachbarschaft am Jörg-Ratgeb-Platz keine Konkurrenz etabliert. Studenten kommen gerne, 90 Prozent der Gäste sind deutsch.

Jeden Tag ist der „Efendi“ offen. Ferien kennt Mustafa Aydin nicht mehr. „Ich arbeite fast immer.“ Sonntags ist Familiefrühstück und Efendi Aydin erscheint erst um 17 Uhr im Laden. Der Mittwochnachmittag gehört ihm. Da geht er in die Sauna im Stadtbad.

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