Alles ist ganz normal
Seit zehn Jahren gehen Kinder mit Behinderung in die Ludwig-Pfau-Schule

Heilbronn - Mitten im Schuljahr feierten die Ludwig-Pfau-Schule und die Paul-Meyle-Schule ein großes Jubiläumsfest: zehn Jahre Außenklassen. Was anfangs skeptisch beobachtet wurde – Kinder mit Behinderung gehen in eine ganz normale Grund- und Hauptschule – ist längst selbstverständlicher Schulalltag geworden. Schüler, Eltern und Lehrer sind stolz und glücklich darüber.
Alltäglich miteinander Keine Schule in Baden-Württemberg hat mehr Außenklassen als die Ludwig-Pfau-Schule (LPS). Zurzeit sind es 17 Meyle-Schüler in drei Klassen. Sie haben eigene Zimmer und Partnerklassen. Zwei bis fünf Stunden jede Woche sind sie mit ihren Partnern zusammen. Meist treffen sich die Schüler im gestalterischen und praktischen Unterricht, zu Projekten, im Sport. Und im gewöhnlichen Schulalltag: in der großen Pause, beim Brötchendienst, in der Teestube. „Nichts wird verzwungen“, sagt der Rektor der Paul-Meyle-Schule, Wolfgang Heck. Die Sonder- und Hauptschullehrer denken sich Projekte aus, bei denen Schüler mit geistig und körperlicher Behinderung ihren Beitrag leisten können.
Die Festbeiträge auf der Bühne machen das Miteinander anschaulich: Szenen vom Pausenhof, selbst erfundene Raptänze mit anrührenden Texten, Videofilme von neuen und längst Geschichte gewordenen Projekten und selbstverständlich die belegten Brötchen und der Sektausschank. Wolfgang Heck beschreibt die Atmosphäre so: „Jeder weiß seinen Beitrag gewürdigt.“
Deshalb sind Verena (20) und ihre Mutter Ruth Egner-Walter von den Außenklassen auch so begeistert. Die Teilhabe am Alltag, die Normalität tut gut. Im Privaten, sagt Ruth Egner-Walter, sei ihre Tochter doch auch integriert. In der Schule soll es nicht anders sein. Verena liebt den Musikunterricht, das gemeinsam Kochen. Selbstverständlich wird sie mit den Neunern auf die Abschlussreise nach München gehen.
Und nach der Schule? Im letzten Jahr wurde die erste Außenklasse verabschiedet. Zum Jubiläum sind Steffen Kinbacher (21) und Jürgen Krainski (20) wieder gekommen. Sie strahlen und sind glücklich in ihrer Schule. Kinbacher arbeitet in der Schreinerei der Beschützenden Werkstätten, Krainski in der Buchbinderei in Kirchhausen.
Start in Klingenberg Wie aber hat alles angefangen? 1994 in Klingenberg. Da nahm Rektorin Magda Haug nach und nach fünf Kinder mit Behinderung auf. „Im Kindergarten ging es gut, warum“, so hatte sie sich gefragt, „soll es bei uns in Schule nicht gehen?“ Es ging. Gut sogar. Bloß war es sehr schwierig, eine Anschlussschule zu finden. Ein Jahr wurde überbrückt. Dann plötzlich sagten Rektor Peter Bezner und das LPS-Lehrerkollegium ja, Ute Derradji ist seitdem tragende Säule in der Kooperation.
Auf der anderen Seite steht mit ihren Kollegen die Sonderschulpädagogin Melanie Thiel. Als sie anfing, machte sie sich Sorgen: „Können wir unsere Kinder genügend fördern?“ Inzwischen findet sie die Kooperation genial: Die Hauptschüler lernen zu tolerieren, dass jeder so ist, wie er ist. Sie unterstützen und helfen, gegenseitige Wertschätzung ist zu spüren. „Die Schüler mit Behinderung sind akzeptiert und eben nicht gettoisiert.“ Und die Sonderschüler lernen die Selbstverständlichkeiten des Alltags. Sie sind viel selbstständiger und bringen sich mehr ein, weil sie das bei den anderen Schülern sehen. Und sie können sich besser orientieren. Alles ist wie normal. Und darauf kommt es an.