„Man fühlt sich frei wie ein Vogel“
Bad Wimpfen Viele Besucher ließen sich am Wochenende auf dem Talmarkt die Nerven kitzeln

Bad Wimpfen - So viel Strom wie die halbe 7000-Einwohner-Stadt verbraucht, so viel benötigt auch der Wimpfener Talmarkt täglich, weiß Marktmeister Jochen Großkopf. Die größten Stromfresser sind die Fahrgeschäfte. Schneller, höher und nochmal schneller: Am Wochenende suchten in Skater, Frisbee und Co. wieder unzählige Besucher den Kick.
Die Kraft, die eben bei bis zu 120 Stundenkilometern auf Sven Jakob gewirkt hat, war so groß wie das Fünffache seines Körpergewichts. So fühlt sich der 28-jährige Sinsheimer nach der Fahrt im No Limit XXL auch. „Das ist nichts für schwache Nerven. Oben habe ich lieber die Augen zugemacht.“ Oben - das war in 54 Metern Höhe. Gleich nochmal rein? Lieber nicht. „Mein Magen muss sich erst beruhigen.“ Der Sinsheimer ist keiner, der oft in Fahrgeschäfte steigt.
Anders Sally (17) und Silke (19) Kellermann aus Heilbronn. Sie lieben es, wenn die Bügel herunterklappen und die kunterbunten Ungetüme leuchten, heulen, blinken und Fahrt aufnehmen. „Der Adrenalinkick“ ist es, der sie begeistert. Jedoch: No Limit XXL, erstmals auf dem Talmarkt vertreten, ist Silke Kellermann denn doch zu heikel. Ihrer Schwester Sally nicht. „Das war ein Traum“, sagt sie nach der Fahrt. „Als ob man fliegt. Man fühlt sich frei wie ein Vogel.“ Fünf Euro hat sie dieser zweiminütige Traum gekostet. Etwa 60 Euro gibt sie auf dem Talmarkt aus.
Zum Beispiel auch für den Skater. Wenn der nach oben fährt, sich dreht und die Leute in Schräglage und über Kopf wirbelt, sieht er aus wie eine Windmühle. Das 350-Kilowatt-Fahrgeschäft muss direkt an ein Trafohäuschen angeschlossen werden. „Sonst funktioniert es nicht“, sagt Marktmeister Großkopf, der während des Talmarkts auf maximal fünf Stunden Schlaf pro Nacht kommt. Mit der bisherigen Besucherresonanz ist er recht zufrieden. Sascha Kaiser, Junior-Chef der Familie, die den Skater betreibt und damit europaweit unterwegs ist, ist sicher: „Was wir an den sechs Tagen an Strom brauchen, braucht ein mehrstöckiges Hochhaus im Jahr nicht.“ Übrigens: Dass sich jemand übergeben muss, sei selten. „In Wimpfen ist es noch nie passiert.“ Für den Fall der Fälle liegt ein Wasserschlauch bereit. Damit die Sitze der 120-Tonnen-Anlage wieder sauber werden.
Sieben bis zehn Volksfeste im Jahr, darunter das Oktoberfest in München, besucht Großkopf, um neue Attraktionen aufzuspüren. Selbst fährt er auf dem Talmarkt wenig. Er kennt ja fast alles. Etwa Frisbee. „Sei’n Sie dabei, steigen Sie ein“, tönt es aus den Boxen. Drei Männer und ein Kran brauchen zwei, drei Tage, bis das Ungetüm steht, weiß Betreiberin Hilde Goetzke. Wie ein Pendel schwingt es 27 Meter weit hin und her und bringt die Leute in einer sich drehenden Scheibe zum Kreischen. Hinter Verkleidungen sorgen zehn Tonnen Wasser dafür, dass das Fahrgeschäft standhaft bleibt. Benjamin Nußbaum aus Schefflenz hat eben den Nervenkitzel hinter sich. Schwindelig? „Nein. Es war klasse.“ Barbara Willems sieht es mit gemischten Gefühlen. „Man fühlt sich etwas hilflos.“
Der 1042. Talmarkt geht am morgigen Dienstag zu Ende. Um 22.30 Uhr beginnt das große Feuerwerk.