Von der Würde eines weitsichtigen Politikers
Wissenspause über den ehemaligen Unterländer Bundestagsabgeordneten und SPD-Minister Erhard Eppler

"Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben." Ob mit diesem abgewandelten Gorbatschow-Wort wohl die politische Karriere eines Erhard Eppler umschrieben werden könnte, wollte Stadtarchiv-Direktor Christhard Schrenk gestern am Ende der Wissenspause im Heilbronner Deutschhof wissen. "Wer gar nicht kommt, den bestraft das Leben erst Recht," stellte derweil einer der diesmal nur 100 Zuhörer fest, die trotz Regenwetter unter Sonnenschirmen ausharrten und damit ein Glanzlicht der Veranstaltungsreihe über die 1960er Jahre in Heilbronn mitverfolgen konnten.
Der ehemalige Heilbronner Prälat Paul Dieterich und der einheimische Journalist Gerhard Schwinghammer beleuchteten in 45 Minuten einen "Politiker mit überregionaler Strahlkraft": Erhard Eppler. Der heute 90-jährige SPD-Politiker war, bis ihn Kanzler Helmut Schmidt fallen ließ, 1968 bis 1974 Bundesentwicklungsminister, lange SPD-Landeschef und fuhr 1968 und 1972 in seinem Wahlkreis Heilbronn für die SPD "sensationell hohe Ergebnisse" von rund 50 Prozent ein, wie Schwinghammer berichtet. Als damals junges SPD-Mitglied wusste der spätere Stimme-Redakteur auch, dass Eppler bei den Heilbronner "Platzhirschen", allen voran bei den Brüdern Großhans, gar nicht willkommen war: ganz einfach, weil er ihnen zu links war.
Visionär Doch beim Wähler kam Eppler, obwohl er weder "Festlesabgeordneter" noch "Geldeinsammler" war, gut an: wohl weil er den beliebten Kanzler Willy Brandt bei etlichen Heilbronn-Gastspielen an seiner Seite hatte und "unser Minister" war, vor allem aber, weil er als bekennender Christ durch und durch glaubwürdig wirkte − ohne Populist zu sein, im Gegenteil. Er habe, so Dieterich, "bei Zeiten Dinge gesagt, die uns heute alle angehen und beschäftigen", die man im damaligen politischen Betrieb aber nicht hören wollte: von Fragen des Umweltschutzes bis hin zur Flüchtlingsproblematik. "Wenn wir den Hungernden in der Dritten Welt nicht helfen, kommen sie in Scharen zu uns", zitierte ihn Dieterich. Er kennt den unbequemen Visionär seit seiner seiner Zeit als Dekan in Schwäbisch Hall. Nach wie vor hält er zu ihm Kontakt. Anlässlich seines 90. Geburtstags schrieb er gar eine Eppler-Biografie. Weil der "Vorläufer der Grünen" (Schrenk) "zu früh dran war", habe ihn das Leben, respektive die Politik, gewissermaßen bestraft. Er habe darunter gelitten, aber trotz allem nie resigniert, betonte Dieterich. So avancierte der Schwabe in den 1980er Jahren zu einer Galionsfigur der Friedensbewegung und demonstrierte auch auf der Heilbronner Waldheide gegen die Nachrüstung − und damit gegen die offizielle SPD-Linie, erinnerte Schwinghammer.
Zukunftspläne Wie vielerorts war Eppler in Heilbronn bis ins hohe Alter ein oft gesehener Redner. Und: Er hat noch Zukunftspläne. Wie Dieterich berichtete, habe ihm der "hellwache Kopfe" jüngst gesagt, es sei an der Zeit ein Buch "Über die Würde der Politik" zu schreiben.
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