Wenn Quellen plötzlich versiegen
Wasserversorger spürt in extremen Sommermonaten oberflächennah einen Wandel

Wasserversorger Spürt - Serie: Der Klimawandel vor der Haustür
Von unserem Redakteur Carsten Friese
Wasser ist Lebenselixier, einer der wichtigsten Rohstoffe überhaupt. 42 Wasserfassungen − Brunnen bis zu 20 Meter Tiefe und Quelleinfassungen nahe der Oberfläche − betreibt die Heilbronner Versorgungs GmbH (HVG) in und um Heilbronn. Und wenn Geschäftsführer Ataman Turanli auf den Klimawandel angesprochen wird, ist er hin- und hergerissen.
Bei den Tiefbrunnen spüren die Wasserversorger bisher keine Auswirkungen. Die Grundwasserneubildung finde in den Wintermonaten statt, erklärt Turanli, und da fiel bisher immer ausreichend Regen. Bei oberflächennahen Quellen aber erleben die Wasserversorger gerade in sehr trockenen Sommermonaten markante Veränderungen. Aus manchen Quellen läuft deutlich weniger Wasser in die Behälter, einige Quellen fallen vorübergehend sogar ganz trocken. "Vor 20 Jahren", vergleicht Turanli, "haben wir das nicht so gespürt." Einen Rückgang der Gesamtfördermenge von vielleicht fünf Prozent bilanziert er durch zunehmende Hitze und Trockenheit im Gebiet der HVG. "Es ist verkraftbar", sagt er mit Blick auf das System, das etwa 85 Prozent der benötigten Trinkwassermenge von rund acht Millionen Kubikmetern pro Jahr durch Wasser von Bodensee abdeckt.
Verdoppelt Das Thema Klimawandel beschäftigt den Diplom-Ingenieur dennoch. Die Unterschiede, wie Kunden Wasser nachfragen, sind groß. Während ein Wintertag mit rund 17 000 Kubikmetern zu Buche schlägt, können es an einem Hitzetag mit 37 Grad an die 30 000 Kubikmeter sein. "Das ist fast eine Verdopplung", vergleicht der 63-Jährige. Obwohl der Jahresverbrauch durch umweltbewussteres Verhalten der Bürger zurückgehe, "nehmen die Extreme zu". Und genau für diese Extreme muss das System, das zu stark nitrathaltiges heimisches Wasser mit Bodenseewasser mischt, ausgelegt sein.
In der Leitzentrale der HVG zeigt das Schaubild an Computern Häuschen, Becken, Leitungen, Pumpen, viel Blau und einige Zahlen. Die HVG-Mitarbeiter können hier per Knopfdruck die Anlage mit den 42 Wasserzuläufen steuern, Pumpen, Schieber, Fassungen aktivieren. Die Wassermenge, die ankommt, wird automatisch gemessen.
Netzausbau Im Wasserbehälter bei Kirchhausen sprudelt an diesem Septembermorgen ein Quellzulauf aus Massenbachhausen kräftig in ein kleines Becken. Es sei alles in Ordnung, erklärt HVG-Techniker Josef Farkas und zeigt, wo das heimische Wasser in eine 45 Meter lange Kammer mit Bodenseewasser läuft. Kühle acht Grad Celsius hat hier das frische Nass.
Wenn in Zukunft dagegen Tage mit mehr als 35 Grad häufiger werden, wenn Klimaexperten mit ihren Prognosen recht behalten, wird die HVG sich auf extremere Verbrauchsspitzen einstellen müssen. Man müsse die Menschen auch bei 39 oder 40 Grad Hitze mit Wasser versorgen, blickt Turanli voraus. Er kann sich vorstellen, dass die HVG im Ernstfall Behälter, Pumpen- und Leitungsquerschnitte vergrößern muss. Dies werde eine technische Herausforderung, die eine Millionen-Investition bedeuten würde. Turanli hofft, dass die schlimmsten Szenarien nicht eintreffen. Für die nahe Zukunft gibt er aus Trinkwassersicht Entwarnung. In der Region Heilbronn seien die Anlagen so dimensioniert, "dass wir für die nächsten 20 Jahre den Bedarf decken".
Artenwandel: Südlicher Blaupfeil und Feuerlibelle werden heimisch.