Hinter jeder Wand lauert eine Überraschung
Familie Vettermann saniert mit viel Engagement das älteste Wohnhaus am Ort

So manche Bauherren gehen in Musterhausausstellungen, um sich vorab zu informieren. Die Vettermanns haben sich auch umgeschaut. Ihre Musterhausausstellung war das Freilichtmuseum in Wackershofen. Ihre Immobilie ist eben auch nicht irgendeine. Die Vettermanns sanieren das älteste Wohngebäude in Ellhofen. Über 450 Jahre ist es alt.
Der Besucher kommt. Und tut vor allem eins: Er staunt. Zum Beispiel über die vielen Gänge und Räume − zwölf an der Zahl. Zum Beispiel über das Stroh, das aus dem Lehmputz in den Gefachen herausschaut: Bauhandwerk von anno dazumal. Auch über die vielen Balken, die da an einer Wand lehnen. Überhaupt über das viele, viele Holz in allen möglichen Längen, Stärken und Daseinszuständen: als Staub in der Luft, als Sägespäne zentimeterdick auf dem Boden, bröselig-morsch in manchen Balken oder, wo notwendig, ganz neu und hell: Manche Deckenbalken etwa mussten ersetzt werden, manchmal auch nur Teile davon. "Wir wollen so viel wie möglich erhalten", sagt Claudia Vettermann.
Hier ist eine Wand eingerissen, dort fehlt ein Teil des Bodens. Hier ist ein Balken abgestützt, dort lässt sich nur erahnen, wie die Decke einmal aussehen soll. In diesem Gewirr aus Ziegelsteinen, Putz, Gebälk, Holz, Bauabfall und Dämmmaterial stehen Michael und Claudia Vettermann. Darüber vor allem staunt der Besucher: über die Gelassenheit dieses Ehepaares, das drei Töchter hat, die jüngste im Frühjahr auf die Welt gekommen − zu der Zeit, als die ehemaligen Jagstfelder damit begannen, den denkmalgeschützten Spatzenhof zu sanieren. Wo immer es geht, mit den eigenen Händen.
Traum "Es war schon immer der Traum meines Mannes, ein altes Fachwerkhaus zu restaurieren", sagt Sonderschullehrerin Claudia Vettermann und lächelt. Lange hat das Ehepaar nach einem solchen Haus gesucht. "Wir haben inseriert und bei allen Rathäusern im Unterland angerufen." Die Gemeinde Ellhofen besaß zwar in der Eulenbergstraße mit dem Spatzenhof ein entsprechendes Anwesen, hatte aber zunächst nicht im Sinn, es zu verkaufen. Doch irgendwann waren Vettermanns und Kommune handelseinig. Der Riesenvorteil für den 38-Jährigen und seine 34 Jahre alte Ehefrau: Das Anwesen besteht aus zwei Häusern, und in den zweiten, wesentlich jüngeren Teil konnte die Familie einziehen, nachdem sie einige Dinge gerichtet hatte. Später einmal soll er vermietet werden. Der Weg zur Baustelle, auf der Michael Vettermann seine Urlaubs- und Samstage verbringt, heißt also: raus zur Tür und die nächste gleich wieder rein. Wobei es eigentlich zwei sind: eine mit romanischem Rund-, eine mit gotischem Spitzbogen. Unter anderem wegen der Bögen vermutet Vettermann, dass der Spatzenhof, 1561 erbaut und sieben Ar groß, einst eine "eine Art klösterlicher Hof" war.
Giebel Michael Vettermann macht selbst, was möglich ist. Oder er arbeitet mit den Handwerkern Hand in Hand. Etwa dieser Tage: Der Giebel wird mit Holz verschalt. Von seinem Vater Gerhard Vettermann hat der Leiter der Qualitätssicherung bei der Firma Läpple schon als Junge viel gelernt. "Mein Vater kann fast alles." Dementsprechend oft ist der Opa auf der Baustelle im Einsatz. Auch Schwiegervater Martin Wahl packt kräftig mit an.
Gab es schon mal eine böse Überraschung? Michael Vettermann lacht: Eine? Jedes Mal, wenn eine Wand oder ein Stück Boden freigelegt wird, wird es spannend, was dahinter oder darunter in welchem Zustand zum Vorschein kommt. An das erste Übel erinnert sich der 38-Jährige noch gut. "Ich bin auf einen Balken gestoßen, der war wirklich wie Torf. Da ist mir schlecht geworden." Inzwischen lacht der Familienvater darüber. "Jetzt sind wir einiges gewohnt." Viel Gelassenheit braucht, wer sich an ein solches Projekt wagt, das über die Ortskernsanierung gefördert wird. Er darf andererseits nicht blauäugig sein und muss kalkulieren können.
Die Vettermanns hatten mit Gerd Schäfer von Anfang an einen erfahrenen Bauhistoriker mit im Boot. Vor allem muss man mit Herzblut dabei sein. Das sind die Vettermanns. Sie haben sehr genaue Vorstellungen davon, wie alles einmal aussehen soll. Das spornt sie an. Das Ehepaar ist sicher, sein Ziel erreichen zu können: "Weihnachten 2015 wollen wir hier drin feiern."


Stimme.de