Stimme+
Heilbronn
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Die unbekannte Kilianskirche

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Das berühmteste Bauwerk der Stadt besitzt auch versteckte und selten gezeigte Räume – ein 360-Grad-Panoramafoto gewährt besondere Einblicke.

Von unserem Redakteur Helmut Buchholz

Keine Frage: Die Kilianskirche ist das bekannteste und berühmteste Bauwerk der Stadt. Der 1529 vollendete Turm von Hans Schweiner gilt als eines der ersten Renaissancebauwerke nördlich der Alpen. Das Gotteshaus ist ein Wahrzeichen Heilbronns. Doch es ist wie so oft mit den Dingen, die man häufig sieht und darum gut zu kennen glaubt: Viele Schätze des imposanten Baus entziehen sich dem Betrachter, selbst wenn er das Motiv nicht nur auf der Postkarte, sondern auch aus der Nähe betrachtet. Diese versteckten Ecken und Räumen zeigen selbst die Kirchenführer nicht unbedingt jedem Besucher.


Wer hätte zum Beispiel gewusst, dass der Kiliansturm das wahrscheinlich höchste Plumpsklo der Stadt beherbergt? Zwar hat hier vermutlich seit Jahrzehnten niemand mehr sein Geschäft erledigt. Doch der Donnerbalken leistete den Steinmetzen und Arbeitern beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gute Dienste. Turm und der Landsknecht auf dessen Spitze hatten dem verheerenden Bombenangriff im Dezember 1944 standgehalten. Allerdings war das über 63 Meter hohe Gebäude in seinem Innern zusammengebrochen, musste also wieder instandgesetzt werden. Der Bautrupp richtete sich in luftiger Höhe einen Aufenthaltsraum ein, den es heute immer noch im Original gibt – inklusive Toilette.


 

>> Zum Panorama-Foto 

Stimme.de zeigt ein 360-Panorama der Heilbronner Kilianskirche, das einen kompletten Rundumblick ermöglicht. Aufgenommen wurde es aus dem vorderen Bereich der Kirche, Fotograf Andreas Gugau hat sich zentral unter einen der Schlusssteine des Deckengewölbes gestellt. Dabei fällt auf, dass die Altare nicht in einer Linie stehen.

Die Navigation ist denkbar einfach, entweder über die Schaltflächen am unteren Bildrand, oder mit der Maus. Dabei kann mit gedrückter linker Maustaste einfach das Bild vor dem Betrachter verschoben werden, Zoomen ist mit dem Mausrad möglich 

>>Mehr Informationen zur Entstehung

Balkon

Wer von der Kirchbrunnenstraße zum Turm hochblickt, erkennt eine Art Balkon, den Experten wie der Architekt der evangelischen Kirche, Anton Lambert, „Altan“ nennen. Hinter der Tür zu dieser Terrasse liegt das Lapidarium der Kilianskirche. Hier lagert nicht nur der 13 Kilogramm schwere Brocken, der in einer Weindorfnacht am 12. September 1984 aus 44 Metern Höhe auf die Windgasse fiel – und zum Glück niemanden verletzte.

Der Raum ist das Steinarchiv des Gemäuers, denn nach mehreren Sanierungen bleibt immer wieder ein Stück übrig, das in dem nicht öffentlich zugänglichen Museum im Turm gesammelt wird. Alle Steine, Fratzen, Brocken sind hier nummeriert. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Bröckchen und Fragmenten, die in Absätzen des Dachstuhls und der Südtürme zu finden sind.

Architekt

Kirchenarchitekt Lambert nennt sie „tote Räume“, etwa einen weiteren alten Aufenthaltsraum für Handwerker früherer Sanierungen in den Südtürmen, der nur über eine schmale Öffnung und eine steile Leiter zu erreichen ist. Selten verirrt sich jemand hierher. Auf alten Bildern erkennt man, dass dieses Dach früher viel kleiner war. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Dachhälften ein gutes Stück über die Außenfassade gezogen, die heute noch in ihrem ursprünglichen Zustand mit den gotischen Fensteröffnungen erhalten ist.

Gut zu erkennen sind auch noch die rot gefärbten Sandsteine. „Die Färbung haben die Steine in der Bombennacht 1944 erhalten“, sagt Lambert. „Die ganze Kirche hat durch die Hitze der Feuer nach dem Bombenangriff regelrecht geglüht.“ Einige Sandsteine haben hier ihre rote Farbe erhalten.

Keller

Unter dem Chor der Kirche ist der Keller des Gotteshauses. Hinter der Tür im Mesnerraum, die wie ein Schrank aussieht, führt eine enge Wendeltreppe hinab in die geheimen Katakomben des Gotteshauses. Wobei sie so geheim nun auch wieder nicht sind, denn hier lagert das Podest für Chorauftritte. Hier befindet sich auch der mächtige Ventilator für die Heizung der Kilianskirche. Die Steine einer alten Mauer in diesem Keller fallen kaum auf. „Sie stammen von der Urkirche, die hier vor der Kilianskirche stand“, erklärt Anton Lambert, etwa aus dem 9. Jahrhundert.

Vor etlichen Jahren gab es Überlegungen, in diesem Souterrain eine Toilette für Kirchenbesucher zu installieren, berichtet der Kirchenarchitekt. Darum bohrte man das Gestein zur Probe an, traf aber auf unerwartete Hohlräume. Die Arbeiten wurden abgebrochen, „weil man den historischen Bestand nicht verletzen wollte“. Was sich in diesen Hohlräumen befindet, das weiß niemand.

 

 

 

 

 

 

Nach oben  Nach oben