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Der verkannte Physiker von Heilbronn

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Nichts geht verloren, und nichts entsteht aus dem Nichts. Für diese Erkenntnis gehört Julius Robert von Mayer für Physiker auf den Olymp. Doch der vor 200 Jahren geborene Heilbronner landete dort nie.

In diesem Hinterhof wuchs Heilbronns größter Sohn auf. Vater Christian Jakob Mayer betrieb an der Rosengasse eine Apotheke. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Haus im Zuge der Altstadtsanierung abgerissen. Fotos: Stadtarchiv Heilbronn
In diesem Hinterhof wuchs Heilbronns größter Sohn auf. Vater Christian Jakob Mayer betrieb an der Rosengasse eine Apotheke. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Haus im Zuge der Altstadtsanierung abgerissen. Fotos: Stadtarchiv Heilbronn
Wer kennt schon das Gesetz zur Erhaltung der Energie? Nie gehört? Genau das könnte das Problem des Arztes und Naturforschers Julius Robert von Mayer gewesen sein, der abseits seiner Geburts- und Sterbestadt Heilbronn nie so richtig berühmt wurde.
Dabei könnte die Nährwertkennzeichnung Kilojoule heute genauso gut auch Kilomayer heißen, wie Physiker sagen. Mayer habe „absolut Nobelpreisniveau“ gehabt, meint Heilbronns Stadtarchivar Christhard Schrenk - und rückt ihn gar in die Nähe von Einstein. Am 25. November vor 200 Jahren wurde Mayer (1814-1878) geboren.
 
Vor dem Rathaus steht ein Denkmal für den größten Sohn der Käthchenstadt. Und eine Sonderbriefmarke zu Ehren Mayers gibt es seit kurzem auch. Späte Ehre für einen Arzt, der Zeit seines Lebens der angemessenen Würdigung als Wissenschaftler hinterherlief.
 
Nachdem er lange ignoriert wurde, soll ihn der Chemiker Justus von Liebig 1858 immerhin als „Vater einer der größten Entdeckungen dieses Jahrhunderts“ bezeichnet haben. Und der britische Physiker John Tyndall soll 13 Jahre nach Mayers Tod gesagt haben: „Kein größeres Genie als Robert Mayer ist je in unserem Jahrhundert erschienen.“
1841 bis zum Tod 1878 lebte Mayer im Kirchhöfle. 1901 brachte der VDI eine Tafel an. Im Krieg wurde das Haus zerstört.
1841 bis zum Tod 1878 lebte Mayer im Kirchhöfle. 1901 brachte der VDI eine Tafel an. Im Krieg wurde das Haus zerstört.
 
Aber um welche Genieleistung ging es? Mayer formulierte den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik, den sogenannten Energieerhaltungssatz. „Wärme und mechanische Energie sind wechselseitig ineinander umwandelbar“, erklärt Sokratis Sinanis vom Institut für Technische Thermodynamik am KIT Karlsruhe. Mit Mayers Interpretation der Wärme als eine Energieform habe der ursprünglich auf mechanische Vorgänge beschränkte Energiebegriff eine „wesentliche Erweiterung“ erfahren.

Energieformen sind ineinander umwandelbar, schloss Mayer als Erster. Heute scheint das selbstverständlich: etwa wenn am Herd elektrische Energie zu Wärme wird, oder wenn aus einer chemischen Reaktion Strom entsteht. Naturforscher Hermann von Helmholtz (1821-1894) bezog sich 1847 auf Mayers Forschung und beschrieb, dass in einem abgeschlossenen System die Gesamtenergie stets gleichbleibe - auch wenn sich in ihm beliebige Vorgänge abspielen.

Vielleicht war Mayers Problem, dass er nicht vom Fach war und sich die Physikerwelt innerlich dagegen wehrte, einzugestehen, dass ein Arzt und Naturforscher als Erster den Energieerhaltungssatz formuliert haben könnte. Den Zusammenhang zwischen Energie, Wärme und Bewegung soll Mayer während seiner Tätigkeit als Schiffsarzt beobachtet haben. Seine Schlussfolgerung: Bewegung und Wärme sind „nur verschiedene Erscheinungsformen ein und derselben Kraft“. Unter dem Strich geht nichts verloren, und nichts entsteht aus dem Nichts.

Mayer ging dem Stadtarchiv zufolge davon aus, „dass jedem scheinbaren Verschwinden eine Umwandlung zugrunde liegt“. Das bezog er sogar auf das ganze Leben: Er habe gefolgert, dass ein Mensch nach dem Sterben nicht verloren geht, sondern dass es ein Leben nach dem Tod in umgewandelter Form gibt. „Dem von einem tiefen christlichen Glauben durchdrungenen Arzt gelang auf diese Weise eine bemerkenswerte Harmonisierung von Naturwissenschaft und christlicher Theologie.“

 


 

Am Ende war er verbittert, was wohl vor allem daran lag, dass andere die Anerkennung für seine Erkenntnis bekamen. Etwa der britische Physiker James Prescott Joule (1818-1889), der Namensgeber für die Maßeinheit der Wärmeenergie. Die Versuche, Erstrechte zu postulieren, schlugen fehl, heißt es bei der Stadt, und seien zum Teil höhnisch kommentiert worden. 1850 brach Mayer körperlich und seelisch zusammen. Über Jahre war er in Nervenheilanstalten untergebracht. Auch einen Selbstmordversuch soll es gegeben haben.

Ein wenig besser wurde es wohl, als Helmholtz Mayer 1854 den Energieerhaltungssatz zusprach und ihm öffentlich das Prioritätsrecht zusprach. Doch Mayer zog sich zurück. Er starb mit 63. 

 

Link

200 Jahre Robert Mayer: www.robert-mayer-heilbronn.de

 

Haus der Stadtgeschichte

Am Dienstag, 25. November, zeigt das Heilbronner Haus der Stadtgeschichte / Otto Rettenmaier Haus in der Ausstellung „Mensch Mayer“ zwei außergewöhnliche Porträts des bedeutenden Heilbronners.

„Die beiden ungefähr zeitgleich entstandenen Porträts belegen das Interesse des jungen Robert Mayer an neuen, ungewöhnlichen Bildtechniken“, erklärt Stadtarchivdirektor Professor Christhard Schrenk. Sie stammen aus Mayers Nachlass und wurden unlängst behutsam restauriert. Aus konservatorischen Gründen können die beiden Porträts nur kurz – vom 25. bis 30. November – gezeigt werden.

Es handelt sich zum einen um eine Daguerreotypie aus dem Jahr 1842 mit dem 27-jährigen Mayer im Halbporträt. Sie entstand vermutlich kurz vor seiner Hochzeit mit Wilhelmine Closs. Die Technik der Daguerreotypie war damals erst wenige Jahre alt. Die Daguerreotypie von Robert Mayer wurde von dem Heilbronner Porträtmaler Emil Orth aufgenommen, der im Mai 1842 mit der geschäftsmäßigen Anfertigung dieser Art von „Lichtbildern“ begonnen hatte. 

Das andere Porträt ist in einer ausgefallenen Technik als feingestaltetes Wachsrelief ausgeführt. Bei der Restaurierung kam auch der Name des Künstlers zu Tage: Carl Rath, der sich von 1837 bis 1841 in Heilbronn als „Modelleur und Mechanikus“ aufhielt.

Führungen

Am Samstag, 29. November, 15 Uhr, stellen die Archivare Miriam Eberlein und Walter Hirschmann die beiden Kostbarkeiten näher vor. Eine weitere Führung zur Ausstellung „Mensch Mayer“ bietet Annette Geisler am Sonntag, 30. November, 11 Uhr an. Die Sonderausstellung endet an diesem Tag.  lsw/red

 

 

 

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