Der verkannte Physiker von Heilbronn
Nichts geht verloren, und nichts entsteht aus dem Nichts. Für diese Erkenntnis gehört Julius Robert von Mayer für Physiker auf den Olymp. Doch der vor 200 Jahren geborene Heilbronner landete dort nie.


Energieformen sind ineinander umwandelbar, schloss Mayer als Erster. Heute scheint das selbstverständlich: etwa wenn am Herd elektrische Energie zu Wärme wird, oder wenn aus einer chemischen Reaktion Strom entsteht. Naturforscher Hermann von Helmholtz (1821-1894) bezog sich 1847 auf Mayers Forschung und beschrieb, dass in einem abgeschlossenen System die Gesamtenergie stets gleichbleibe - auch wenn sich in ihm beliebige Vorgänge abspielen.
Vielleicht war Mayers Problem, dass er nicht vom Fach war und sich die Physikerwelt innerlich dagegen wehrte, einzugestehen, dass ein Arzt und Naturforscher als Erster den Energieerhaltungssatz formuliert haben könnte. Den Zusammenhang zwischen Energie, Wärme und Bewegung soll Mayer während seiner Tätigkeit als Schiffsarzt beobachtet haben. Seine Schlussfolgerung: Bewegung und Wärme sind „nur verschiedene Erscheinungsformen ein und derselben Kraft“. Unter dem Strich geht nichts verloren, und nichts entsteht aus dem Nichts.
Mayer ging dem Stadtarchiv zufolge davon aus, „dass jedem scheinbaren Verschwinden eine Umwandlung zugrunde liegt“. Das bezog er sogar auf das ganze Leben: Er habe gefolgert, dass ein Mensch nach dem Sterben nicht verloren geht, sondern dass es ein Leben nach dem Tod in umgewandelter Form gibt. „Dem von einem tiefen christlichen Glauben durchdrungenen Arzt gelang auf diese Weise eine bemerkenswerte Harmonisierung von Naturwissenschaft und christlicher Theologie.“
Am Ende war er verbittert, was wohl vor allem daran lag, dass andere die Anerkennung für seine Erkenntnis bekamen. Etwa der britische Physiker James Prescott Joule (1818-1889), der Namensgeber für die Maßeinheit der Wärmeenergie. Die Versuche, Erstrechte zu postulieren, schlugen fehl, heißt es bei der Stadt, und seien zum Teil höhnisch kommentiert worden. 1850 brach Mayer körperlich und seelisch zusammen. Über Jahre war er in Nervenheilanstalten untergebracht. Auch einen Selbstmordversuch soll es gegeben haben.
Ein wenig besser wurde es wohl, als Helmholtz Mayer 1854 den Energieerhaltungssatz zusprach und ihm öffentlich das Prioritätsrecht zusprach. Doch Mayer zog sich zurück. Er starb mit 63.
Link
200 Jahre Robert Mayer: www.robert-mayer-heilbronn.de
Haus der Stadtgeschichte
Am Dienstag, 25. November, zeigt das Heilbronner Haus der Stadtgeschichte / Otto Rettenmaier Haus in der Ausstellung „Mensch Mayer“ zwei außergewöhnliche Porträts des bedeutenden Heilbronners.
„Die beiden ungefähr zeitgleich entstandenen Porträts belegen das Interesse des jungen Robert Mayer an neuen, ungewöhnlichen Bildtechniken“, erklärt Stadtarchivdirektor Professor Christhard Schrenk. Sie stammen aus Mayers Nachlass und wurden unlängst behutsam restauriert. Aus konservatorischen Gründen können die beiden Porträts nur kurz – vom 25. bis 30. November – gezeigt werden.
Es handelt sich zum einen um eine Daguerreotypie aus dem Jahr 1842 mit dem 27-jährigen Mayer im Halbporträt. Sie entstand vermutlich kurz vor seiner Hochzeit mit Wilhelmine Closs. Die Technik der Daguerreotypie war damals erst wenige Jahre alt. Die Daguerreotypie von Robert Mayer wurde von dem Heilbronner Porträtmaler Emil Orth aufgenommen, der im Mai 1842 mit der geschäftsmäßigen Anfertigung dieser Art von „Lichtbildern“ begonnen hatte.
Das andere Porträt ist in einer ausgefallenen Technik als feingestaltetes Wachsrelief ausgeführt. Bei der Restaurierung kam auch der Name des Künstlers zu Tage: Carl Rath, der sich von 1837 bis 1841 in Heilbronn als „Modelleur und Mechanikus“ aufhielt.
Führungen
Am Samstag, 29. November, 15 Uhr, stellen die Archivare Miriam Eberlein und Walter Hirschmann die beiden Kostbarkeiten näher vor. Eine weitere Führung zur Ausstellung „Mensch Mayer“ bietet Annette Geisler am Sonntag, 30. November, 11 Uhr an. Die Sonderausstellung endet an diesem Tag. lsw/red