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Mit fetzigen Rhythmen auf der Suche nach Gott

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Lobpreis-Party in der Heilbronner Harmonie - Unterländer Freikirchen wollen junge Leute in Gottesdienste locken

Von Andreas Tschürtz
Pastor Thiemann: „Ihr seid so hübsch und die Besten!“ (Foto: Tschürtz)
Pastor Thiemann: „Ihr seid so hübsch und die Besten!“ (Foto: Tschürtz)

Von Andreas Tschürtz

Die Event-Kirche boomt: In den USA feiern Zehntausende ihren Gottesdienst in Baseballstadien; so genannte Mega-Kirchen bieten eine geistliche und alltagsweltliche Rundum-Versorgung: vom Fitnesscenter bis zum Jobtraining. Auch die Freikirchen im Raum Heilbronn trommeln: Zweimal im Jahr feiern sie eine große Lobpreis-Party - aus Platzgründen in der Harmonie.

„Nein“, sagt Michael Sturm, „so groß wie die amerikanischen Megakirchen wollen wir nicht werden.“ Aber in punkto Tiefe des Glaubens orientiere man sich schon an den evangelikalen US-Gemeinden, so der 36-jährige Bankangestellte und Teilzeitpastor der Freien Evangelischen Gemeinde Heilbronn (FEG).

Evangelikale Christen suchen eine persönliche und emotionale Beziehung zu Jesus Christus, halten die Bibel für unfehlbar, stellen die gelebte Gemeinschaft der Gläubigen auch im Alltag in den Mittelpunkt ihres Lebens.

Acht Freikirchen haben sich so im Raum Heilbronn auf den Weg gemacht, Gott neu zu entdecken. Sie heißen „Arche Neuenstadt“, „Biblische Glaubensgemeinde“ oder „Quelle des Lebens“. Und sie alle haben - anders als die katholische oder die evangelische Landeskirche - in den letzten Jahren einen wahren Mitgliederansturm erlebt. „Sechs Personen waren wir in der FEG zu Beginn vor zehn Jahren“, sagt Michael Sturm. Heute zähle man jeden Sonntag 180 Gottesdienstbesucher.

500 Gläubige sind am Sonntagabend zur Lobpreis-Party in die Harmonie gekommen. Es ist einiges anders, als beim traditionellen Gottesdienst. Zudem ist Fastenzeit: Und da werden in den großen Steinkirchen überwiegend bedächtige Töne angestimmt.

Die Lobpreis-Party dagegen ist ein Event - und sie ist laut: Es gibt eine Dance-Performance zu im Magen wummernden Beats. Statt der Orgel spielt die Band der Gemeinschaft entschiedener Christen Pop im harmonischen Keyboardsound.

Besucher sind teils verwirrt und teils begeistert

Wer kann, der steht. Viele schwenken die Arme über ihren Köpfen. Die Gläubigen verschmelzen im Halbdunkel des Saals zu einer großen wogenden Masse. Man ist sich nah. Es gibt kein Sie, nur Du. An Stelle eines Herrn Pfarrer von der Kanzel predigt von der Bühne der Markus. Er geht von links nach rechts, wie ein Löwe in einem zu kleinen Gehege. Er bückt sich, er streckt sich, ballt die Faust, um im nächsten Augenblick einen vertraulichen Ton anzuschlagen. Kabarettistische Einlagen erzeugen Lachen und Beifall in den Zuhörerreihen. Markus erzählt von Wundern, von Gott, der Aidskranke heilt, von Gott, der Andrea errettet hat, die an Silvester bereits zwanzig Minuten tot war und die heute wieder arbeitet: „Bei manchen Christen ist alles Zufall“, sagt der Prediger, hebt die Stimme, reckt den Arm und streckt den Finger in Richtung Himmel, „aber wer mit Gott geht, wundert sich nicht!“ „Amen“ rufen die Zuhörer und applaudieren lange. Marita, Mitte fünfzig, aus Neuenstadt sagt, sie sei früher gerne in die Landeskirche gegangen. Aber erst in der Freikirche habe sie erfahren, was es heißt, Jesus zu begegnen.

Nach zwei Stunden endet die Lobpreis-Party. Ein Viertel der Besucher war zum ersten Mal dabei. Teils sind sie begeistert, teils verwirrt.

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